Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbstständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Dr. Ulrike Kaiser, Direktorin der Stiftung Leuchtenburg in Seitenroda
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Dr. Ulrike Kaiser. Sie ist die Direktorin der Stiftung Leuchtenburg in Seitenroda. Die Leuchtenburg ist für ihre Porzellanwelten bekannt. Geschichte vereint mit Moderne, Wissen und Aktionen. Ob „Steg der Wünsche“, Porzellankirche, Museum oder die weltgrößte Vase „Arura“, für jede Altersgruppe hat die Leuchtenburg etwas zu bieten.
Wie ist eure aktuelle Lage?
Die Burg wurde nach sechswöchiger Schließzeit am 27. April geöffnet. Allerdings waren einige Bereiche, wie beispielsweise die Porzellanwelten, noch geschlossen. Der Grund dafür war, dass wir uns erst einmal an die neue Situation, die Auflagen zur Sicherheit und an das Verhalten der Gäste herantasten mussten. Es wurden deshalb auch ermäßigte Eintrittspreise angeboten. Seit Himmelfahrt kann die Burg wieder vollständig besichtigt werden. Der Betrieb unter den Hygieneauflagen hat sich inzwischen eingespielt und die Zahl der Gäste steigt langsam an.
Es wird sicher noch eine lange Zeit dauern, bis wir wieder bei Normalwerten sind, aber im Monat Mai haben wir beispielsweise bereits 60 Prozent unserer Vorjahreszahlen erreichen können. Der Rückgang erklärt sich durch das komplett weggefallene Gruppenreisegeschäft: Seniorenausfahrten, Familienfeiern und Vereinsausflüge fallen als Besuchergruppen aktuell weg. Zu Beginn der Lockerungen waren und sind die Leute noch sehr zurückhaltend, alle müssen sich an die neue Situation gewöhnen. Es wurde geöffnet, aber es gab keinen Ansturm.
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Wie war die Schließzeit für euch? Was habt ihr in der Zeit gemacht?
Am 18. März mussten wir schließen. Am 20. März wäre unsere große Aktion „Frühlingszauber“ eröffnet worden. Das ist sozusagen unser Jahresauftakt. Die gesamte Burg war bereits mit mehreren Tausend Blumen geschmückt, der ganze Burghof mit 200 Quadratmetern Rollrasen ausgelegt und es gab etliche künstlerische Installationen. Alles war vorbereitet, aber niemand konnte wissen, was da auf uns zukommt. Die Burg sah unglaublich schön aus und es war doch skurril. Alles blühte hinter verschlossenen Burgmauern, wie in einem Dornröschenschloss.
Wir müssen uns als private Stiftung finanziell selbst tragen. Dass wir mit einem Schlag keine Einnahmen mehr hatten, die Ausgaben auf der anderen Seite aber weitergelaufen sind, war und ist teilweise immer noch finanziell sehr kritisch. Es blieb kein anderer Weg als die sofortige Kurzarbeit für alle Mitarbeiter. Zum Glück hatten wir noch Unterstützung über Bundesfreiwillige, die die Blumen gegossen haben und sich um die täglichen Arbeiten, wie Ziegen füttern, kümmern konnten. Außerdem beschäftigen wir zwei Minijobber und eine Auszubildende, die einen Notbetrieb aufrechterhielten.
Wir haben die ganze Zeit die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Besucher die Burg in ihrer Blütenpracht noch erleben können. An sich wäre der „Frühlingszauber“ bis Ostern befristet gewesen, aber wir haben versucht, alles zu erhalten. Dementsprechend wurde fleißig gegossen, gepflegt und ein paar Blumen auch ausgetauscht. Bis Pfingsten wurde der „Frühlingszauber“ verlängert und die Pflege und das Hoffen haben sich gelohnt – die Burg konnte ja dann erfreulicherweise wieder besichtigt und bestaunt werden.
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Was wäre euer Wunsch an die Politik für die Zukunft, wenn ihr auf die Handlungen wie Soforthilfen und so schaut?
Wir haben die Politik und auch unsere lokalen Akteure als konstruktiv und positiv erlebt. Sie haben uns das Gefühl vermittelt, nicht alleine zu sein. Anfangs waren wir erschrocken, dass wir als gemeinnützige Einrichtung die Soforthilfe für Unternehmen nicht beantragen konnten. Aber das „Update“ von unserem Wirtschaftsminister Tiefensee kam sehr schnell. Wir haben dann sowohl die Soforthilfe als auch das Kurzarbeiter-Geld bekommen.
Auch mit dem Thüringer Museumsverband bestand und besteht ein enger Kontakt, wir tauschen uns aus und erhalten wertvolle Tipps. Ich kann dahingehend wirklich niemanden kritisieren. Natürlich war die komplette Schließung im ersten Moment ein Schock, weil wir nicht wussten, wie lange diese Krise anhalten würde und wir hatten den Betrieb auf Überlebensmodus einzustellen. Jeden Monat haben wir Fixkosten im zweistelligen Tausenderbereich, aber es waren keine Einnahmen oder Rücklagen vorhanden. Was macht man da?
Wir haben daher mit unseren Partnern und Lieferanten sowie mit der Hausbank gesprochen und um Stundungen gebeten und überwiegend sehr positives Feedback erhalten. Viele kleine Bausteine und die Hilfen vom Freistaat und der Arbeitsagentur haben uns die Liquidität gesichert. Oberstes Ziel war und ist, die Krise trotz fehlender Einnahmen zu überstehen. Das haben alle erkannt und gemeinsam an einem Strang gezogen.
Was hat sich durch die Corona-Krise für euch auch nachträglich verändert?
Leider haben wir zwei Mitarbeiter entlassen müssen. Es war absehbar, dass sich die Gästezahlen das ganze Jahr über nicht wieder erholen werden. Die zwei Stellen werden wir so schnell auch nicht wieder besetzen können. Wir müssen schauen, wie wir mit weniger Gästen und den Bestimmungen zurechtkommen. Das Gruppengeschäft wird das ganze Jahr nicht wiederkommen oder wenn, dann sehr stark begrenzt.
Hatte die Schließzeit auch was Positives an sich?
Im verschlossenen Burgtor haben Vögel genistet. Das war ein sehr schönes und unerwartetes Erlebnis, was ich nicht vergessen werde. Außerdem hatte man Zeit, um nachzudenken. Kein Telefonklingeln und keine Ablenkungen. Das hatte etwas Gutes an sich. Man konnte diese schwierige Zeit positiv nutzen, um strategisch zu planen und zu überdenken, was man zukünftig anders machen kann.
Bei uns sind so neue Ideen entstanden. Zum Beispiel haben wir jetzt ein richtig tolles Sommerangebot, das zum Thema „Burg unter Palmen – Urlaub daheim“ passt. Wir werden ein kleines Sandburgen-Event veranstalten. Der Burghof wird zusammen mit Sandkünstlern gestaltet, es werden Liegestühle, Strandkörbe und Palmen aufgestellt. Außerdem möchten wir nächstes Jahr unsere Ausstellung zur Burggeschichte aktualisieren.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Ich möchte „Danke“ sagen an die politischen Akteure, die die Entscheidungen zu treffen hatten. Das war sehr schwierig, da möchte ich mit niemanden tauschen. Die Pandemie hätte auch ganz anders ablaufen können, wie wir in anderen Ländern gesehen haben. Meiner Meinung nach hat das Krisenmanagement sehr gut funktioniert.
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Wo? Leuchtenburg | Dorfstraße 100 | Seitenroda
- Öffnungszeiten täglich 9 – 18 Uhr
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