Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit dem Team vom Klanggerüst in Erfurt
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit dem Team vom Klanggerüst in Erfurt. Das Klanggerüst ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Kunst- und Kulturschaffenden. Der Verein engagiert sich seit seiner Gründung 2007 in der Erfurter Kulturszene. Konkret zeigt sich das in der Durchführung von Veranstaltungen und Projekten. Dazu zählen unter anderem Konzerte, Lesungen, Jam Sessions, Partys, Ausstellungen, Poetry Slams, Theater und Street Art.
Wie ist eure aktuelle Lage?
Wir sind im März 13 Jahre alt geworden und es war der traurigste Geburtstag aller Zeiten. Wir haben uns mit Geburtstagsgrüßen über Social Media und mit Bildern und Videos vergangener Veranstaltungen getröstet. Im April ist das erste Mal in unserer Vereinsgeschichte eine Jamsession ausgefallen. Das war für uns ein großes Ding, denn den Jam ausfallen zu lassen stand für uns noch nie zur Debatte.
Ansonsten machen wir natürlich weiter – soweit es eben geht. Balkonkonzert mit Yanzzon, musikalische Maifeuer-Session mit Mr. Kid und Tobi Danger, Lesung – eine mit Rene Porschen und eine mit Federic Schulz – natürlich unsere DJ-Streams und die Kulturkarawane. Wir versuchen, da kreativ zu sein, um die lokale Szene bestmöglich zu supporten. Zudem haben wir eine fleißige, recht neue Crew am Start, beziehungsweise einige neue, hochmotivierte Mitglieder, was dabei unglaublich hilft.
Welche Kosten müsst ihr trotz Schließung weitertragen?
Miete, Strom, Internet, Versicherung, Steuerbüro – sowas eben. Das ist vermutlich das aller erste Mal seit vielen Jahren, dass wir froh darüber sind, keine festangestellte Person zu haben! Dadurch, dass bei uns eigentlich alles ehrenamtlich läuft, haben wir zumindest keine weiterzutragenden Personalkosten.
Gibt es einen Plan B, um Geld einzunehmen?
Wir haben uns ein bisschen mit Streams probiert, aber das große Geld verdient man damit einfach nicht. Durch die Soforthilfe und da wir ja schon seit Jahren einige Räume im Haus als Proberäume, Ateliers, etc. dauerhaft untervermieten, kommen wir erstmal über die Runden. Kritisch könnte es für uns trotzdem werden, je nachdem wie sich alles entwickelt, da wir über Tanzveranstaltungen – von denen für uns nicht absehbar ist, wann sie wieder stattfinden können – den größten Gewinn erzielen. Andere Veranstaltungen sind für uns eher ein Nullsummenspiel. Langsam juckt es uns allerdings auch einfach in den Fingern und wir wollen endlich wieder was machen.
Was erwartet ihr jetzt von der Politik?
Handeln mit Augenmaß. Das heißt, für uns Kulturveranstaltungen nicht zu verbieten, sondern ganz klar aufzuzeigen, wie es funktionieren kann und was es an Maßnahmen, wie Teilnehmerliste und Hygienekonzepte, braucht, um zumindest wieder kleine Konzerte, Workshops, Veranstaltungen unter freiem Himmel und so weiter realisieren zu können. Uns ist schon klar, dass es noch eine Weile dauern wird, bis wir im Kulturbetrieb wieder eine Normalität herstellen können, aber unser „Berufsverbot“ aufrechtzuerhalten, wenn im Biergarten Live-Musik spielen darf – das ist komisch.
Hast du einen Plan, wie es dann weitergehen soll?
Wir werden einige Open-Air-Veranstaltungen anmelden und einfach gucken, wie die zuständigen Behörden reagieren. Wenn alles klappt, wie wir uns das denken, haben wir am 26. Juni ein Open-Air-Kino und am 28. Juni einen Poetry Slam. Vielleicht kommen im Juli noch weitere Kinoabende, Lesungen, Konzerte und so weiter dazu. Schauen wir mal, ob die Stadt bei unseren Plänen mitspielt.
Für Workshops haben wir schon ein fertiges Hygienekonzept, was unter anderem eine Besucher-Dokumentation umfasst – so kann unser kunterbuntes Workshop-Programm endlich auch analog weitergehen! Letztes Wochenende lief schon ein kleiner Gartenworkshop und dieses Wochenende machen wir mit einem Graffiti-Workshop weiter. Der Workshop-Juli wird Ende der Woche geplant!
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Den meisten unserer Mitglieder tat die „Zwangspause“ vom Veranstaltungsbetrieb gut, weil wir in den letzten Monaten gemessen an unseren ehrenamtlichen Kapazitäten wahnsinnig viele Veranstaltungen hatten. Im Jahr 2019 haben wir zum Beispiel über 70 Veranstaltungen gewuppt, was geil ist, aber auch Kraft, Zeit und Energie kostet.
In den letzten Monaten haben wir endlich unsere Steuererklärung für 2018 gemacht, Förderanträge abgerechnet, außerdem sind wir gerade am Bauen und Aufräumen, Ausmisten und Polieren! Insbesondere im Garten passiert einiges! Die Sommerpause werden wir dieses Jahr wohl ausfallen lassen und ausnahmsweise den Sommer über für euch da sein!
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Wir vermissen euch!
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Wo? Magdeburger Allee 175 | Erfurt
- Mehr Informationen gibt es auf der Website
- Statte dem Team doch mal einen Besuch auf Facebook und Instagram ab