Im Januar diesen Jahres fand die neue Drag-Veranstaltung „L’Amour Toujours“ erstmals im Kalif Storch statt und setzte damit ein deutliches Zeichen für queere Kunst und Kultur in Thüringen. Der Initiator und Veranstalter Jan sprach mit uns über die kommende Veranstaltung „Night of Drags“ am 24. November, bei der er auch selbst wieder als Drag Queen „Jan Caliente“ auf der Bühne stehen wird. Er gibt Einblicke in die Entstehung der Veranstaltung und erzählt über die Bedeutung von Drag-Events für die queere Community hier in Thüringen.
Im Januar dieses Jahres hast du zum ersten Mal L’Amour Toujours im Kalif Storch veranstaltet. Wie kam es dazu, dass du begonnen hast, Drag-Veranstaltungen zu planen?
Im Oktober des vergangenen Jahres habe ich meine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann begonnen. Mein Chef sagte zu mir, es wäre Teil meiner Ausbildung, auch selbst eine Veranstaltung zu planen. Da war mir sofort klar, dass es eine queere Veranstaltung sein wird. Ich selbst mache schon seit Jahren nebenbei Drag, aber traute mich selbst nie auf die Bühne … so habe ich das Ganze einfach verbunden und mir kam die Idee, lokalen Drag-Queens eine Bühne zu bieten.
Wie kam es dazu, dass du selbst als Drag-Queen auftrittst?
Eine Veranstaltung braucht fast immer ein Gesicht beziehungsweise jemanden, der den Hut aufhat. Und da ich schon länger Drag mache, fehlte mir nur der Initialzünder, um auf die Bühne zu gehen. Da ich alles so gestalten konnte, wie ich das gerne hätte und nun die Möglichkeit bekam, beflügelte mich das.
Was war der Auslöser, dass du dich in Drag ausprobieren wolltest?
Ich habe, bis ich 16 war, selbst im „3K Theater“ in Mühlhausen gespielt. In der Zeit merkte ich, dass Make-up, Verkleiden und auf der Bühne stehen voll meine Dinge sind. Nach meinem Umzug nach Erfurt 2017 habe ich im DasDie gearbeitet. Dort entdeckte ich mein Faible für Drag, weil da ja die einzigen regelmäßigen Travestie-Veranstaltungen in der Umgebung stattfanden.
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Gibt es Drag-Künstler:innen, die dich beeinflusst haben?
Ich würde nicht sagen, dass mich irgendjemand krass inspirierte bei meinem Drag. Es war mir sehr wichtig, ich selbst zu sein. Ich trage immer Klamotten, die mir gefallen und orientiere mich nicht so sehr an anderen Outfits, die man zum Beispiel an Stars sieht. Ich ziehe das an, worauf ich Lust habe. Ich bin meine eigene Inspiration, weil ich mich auch viel mit mir selbst auseinandersetze, vor allem auch mit meiner Drag-Persona. Jan Caliente musste damals einfach auf die Schnelle entstehen, damit ich bei L’Amour mit dabei sein kann. Ich bin mit meinem Drag-Charakter sehr zufrieden, habe aber im letzten Jahr gemerkt, dass das definitiv noch ausbaufähig ist. Deswegen plane ich, mich optisch sehr in Richtung Anna Wintour (Chefredakteurin der Vogue) zu bewegen. Charakterlich werde ich nicht mehr ganz so lieb und freundlich sein, sondern auch mal meinen Mund aufmachen und sagen, was ich denke. Da freue ich mich sehr darauf.
Was unterscheidet die Night of Drags von den anderen „L’Amour Toujours“-Nächten?
L’Amour Toujours ist eine Party mit DJs und zwischenzeitlichen Unterbrechungen für die Drag-Shows, aber bei der Night of Drags erwartet die Besucher:innen Show. Wegen des vielen positiven Feedbacks und dem großen Interesse beschlossen wir, diese Show nun einmal im Jahr zu veranstalten. Aber die restlichen Drag-Veranstaltungen sollen im „L’Amour Tourjours“-Stil bleiben.
Wie wird die Night of Drags dann aussehen, wenn es keine Tanzveranstaltung ist?
Um Theater-Atmosphäre zu schaffen, bauen wir eine ein Meter hohe Bühne mit Laufsteg auf, der durch das Publikum führt. Wir wollten unbedingt, dass der Abend nicht nur etwas für Jüngere, sondern auch für Ältere ist. Dadurch, dass das Ganze zwei Stunden dauert, wollten wir allen Menschen die Möglichkeit geben, die Veranstaltung ordentlich besuchen zu können, deshalb gibt es Sitzmöglichkeiten. Wer Lust hat, kann sich aber auch an den Rand stellen, tanzen oder feiern. Das war uns wichtig.
Wie wählst du die Drag-Künstler:innen für deine Veranstaltungen aus?
Wir sind drei Resident-Drags für L’Amour Toujours: Mimicry, Nastja und ich. Der feste Kern – kann man sagen … Andere Drags kamen dann durch unterschiedliche Connections dazu. In der Szene lernt man super viele Menschen kennen, spricht viel und so kam das nach und nach. Bei der Night of Drags sind wir sieben Queen aus Erfurt, Jena und Leipzig. Ich will allen eine Bühne bieten, aber vor allem lokale und jüngere Drag-Queens möchte ich unterstützen. Was bedeutet es für dich, deine Veranstaltung im Kalif Storch umsetzen zu können? Es bedeutet mir viel, dieses Projekt in einem Elektroclub im Osten zu veranstalten. Besonders in der derzeitig politisch aufgeheizten Zeit. Es ist für mich superschön, ein Privileg und nicht selbstverständlich.
Ist dir bewusst, wie viel du andere queere Menschen unterstützt? Wie wird das von anderen gespiegelt?
Es freut mich, dass die Veranstaltungen anderen Menschen Kraft gibt. Die krasseste Spiegelung bis jetzt war eine geflüchtete Frau aus der Ukraine, die sich weinend bei mir bedankte und sagte, es sei das Schönste, was sie seit dem Krieg gesehen hat. Ich habe auch tatsächlich noch nie eine schlechte Erfahrung bei den Veranstaltungen oder als Drag gemacht. Alles wird immer sehr respektvoll und positiv entgegengenommen. Ich weiß auch, dass es vielen Menschen sehr viel Kraft gibt und hilft, einfach mal aus dem Alltag zu flüchten und alle Sorgen zu vergessen. Die Leute sind sehr dankbar und das kommt auf jeden Fall auch so bei mir an.
Welche Highlights können die Gäste bei der Night of Drags erwarten?
Das Motto des Abends ist Hollywood. Das heißt: roter Teppich, Glamour, Glitzer und viel Extravaganz. Was ich verraten kann, ist, dass unsere Jenaer Queen Heidi Witzka live singen wird. Meine Performance soll in Richtung Schauspiel gehen, passend zum Thema. Und sonst: Lasst euch überraschen. Bei sieben Drag-Queens kommt einiges auf die Leute zu!
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Was bedeutet es, Drag-Events in Thüringen zu veranstalten?
Es ist wichtig, politische Klischees zu durchbrechen und gerade jetzt für die queere Community da zu sein. Drag schafft einen Übergang zwischen Kunst, Spaß, Aktionismus und Ehrlichkeit. Gerade hier im Osten wissen wir alle, wie es im Moment politisch steht. Man weiß nie, wer bei den Veranstaltungen auftaucht und eventuell nach Stress sucht. Aber wir stehen da drüber und müssen für die Community da sein, unseren Mund aufmachen und über Dinge wie Diskriminierung reden.
Welche Botschaft möchtest du mit den Veranstaltungen vermitteln?
Wir wollen im Kalif Storch immer einen Safe-Space schaffen, egal bei welcher Veranstaltung. Diskriminierung hat bei uns keinen Platz und da wird auch nicht diskutiert. Dafür gibt es hier extra geschultes Security-Personal und unser Awareness-Team. Das Ziel ist es, einen Ort für queere Menschen zu gestalten, der sicher ist.
Wie möchtest du, dass die Gäste die Night of Drags erleben? Was sollen sie mitnehmen?
Das Wichtigste ist für mich, dass alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Außerdem wünsche ich mir, dass alle Menschen an diesem Abend einfach nur Spaß haben und alles Negative für eine kurze Zeit vergessen können, dass sie die Zeit genießen.
Hard Facts:
- Night of Drags: 24. November | 20 bis 22 Uhr
- Kalif Storch | Zum Güterbahnhof 20
- Hier bekommt ihr Tickets!
- Mehr: www.kalifstorch.com
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Interview: Nadja Schütze