Ende September 2021 fand die Bundestagswahl statt, in Thüringen und Sachsen erlangte die rechtsradikale AfD die meisten Stimmen. „Die AfD propagiert Rassismus und Nationalismus, die Verschärfung von Neoliberalismus und Ausgrenzung sowie rückwärtsgewandte Vorstellungen einer Gesellschaft. „Auch wird von dieser Partei, im Einklang mit militanten Rechtsradikalen, ein Feldzug gegen zeitgenössische, ‚undeutsche‘ Kunst geführt, die sie als ‚neumodische Extravaganzen‘ und ‚exzentrische Randgruppenkunst‘ bezeichnen“, erklärt Dirk Teschner.
„Kunst gegen Rechts“ will ein klares Zeichen setzen
Der Kurator hat deshalb mit einem Team die Ausstellungsreihe „Kunst gegen Rechts“ in Gera organisiert, die ein klares Zeichen setzen soll, denn: „Seit dem Ausbruch der Pandemie, stehen viele Dinge auf dem Prüfstand. Es zeigte sich, wer ein solidarisches Miteinander praktiziert und wer als Pandemiegewinnler:in oder Coronaleugner:in die Krise für eigene Interessen nutzt. Bei den sogenannten Querdenken-Demonstrationen kommt es zu einer fatalen Zusammenarbeit verschiedener Akteur:innen. Rechte Gruppierungen und Parteien gewinnen immer mehr an Einfluss. Antisemitismus ist in der neuen Bewegung stark vertreten, wie auch eine Verharmlosung der Shoa und der Gleichsetzung der NS-Zeit mit der aktuellen Situation.“
Auch in Gera gab es in den letzten Monaten große Demonstrationen der Querdenken-Bewegung. Der AfD Politiker Stephan Brandner, dem Flügel zuzuordnen, erlangte in Gera-Greiz-Altenburger Land ein Direktmandat für den Bundestag. Für den Kurator genügend Gründe, um die „Kunst gegen Rechts“-Ausstellung gemeinsam mit einem Team vor Ort in Gera zu zeigen. Das Anliegen: Kunst soll als gesellschaftliche Form von Aufklärung in Erscheinung treten – für die Unabhängigkeit der Kultur, für eine gemeinschaftliche und solidarisierende Antwort aus der Kunst- und Kulturlandschaft auf Versuche rechter Gruppierungen und Parteien, Menschen auszugrenzen, Hass zu säen und Kultur zu beschneiden. Die Ausstellung findet im neuen Galerieprojektraum „Sorglos“ in Gera statt. Es ist die sechste Ausstellung der Reihe, die seit vier Jahren in Berlin und Erfurt stattfindet. 60 Künstler und Künstlerinnen zeigen vom 6. November bis 5. Dezember aktuelle Arbeiten. Wir haben mit Dirk über „Kunst gegen Rechts“ gesprochen.
Was gibt es bei „Kunst gegen Rechts“ zu sehen?
Die Arbeiten sind sehr verschieden. Einige setzten sich direkt mit der rechten Problematik auseinander. Es gibt aber auch einige Werke, über die man reden muss, wo man auf den ersten Blick nicht sieht, welche Tragweite das Kunstwerk hat. Der Künstler Thomas Prochnow aus Gera zeigt ein oranges Poster mit schwarzen Raster-Punkten, was im übertragenen Sinne System-Störung bedeutet. Es wird eine große Fahne des Künstlers Theo Boettger geben, die an der Hausfassade der Galerie hängen wird – „universal head“ heißt die Installation, die aus Teilen verschiedener Staatsflaggen und ausgedachter Länder zusammengenäht ist. Das Werk steht für Zusammenhalt und Gemeinsamkeit der Menschen.
Demnach ist es eine Ausstellung, die zum Nachdenken anregen soll.
So ist es. Wir zeigen unter anderem auch Filme. Einer davon, „Herkesin Meydanı – Platz für Alle, (Entwurf für ein Mahnmal)“ von Ulf Arminde. Dieser bezieht sich auf sein geplantes Denkmal in Köln, das dort stehen soll, wo der erste NSU-Anschlag an der Keupstraße stattfand. Die Stadt Köln möchte allerdings lieber Wohnungen bauen. Er und auch die Community vor Ort halten dagegen. Sie sagen, das Denkmal soll dort stehen oder nirgends. Seit drei Jahren gibt es deshalb Diskussionen.
Ein weiterer Film, „Private Battles – Only the Past Will Tell“ von Heike Gallmeier und Tabea Sternberg, spielt in Südengland, wo von Amateuren nachgestellte Schlachten des Zweiten Weltkriegs gezeigt werden und erwachsene Menschen in SS-Uniformen im Feld gegeneinander kämpfen. Sie spielen den 2. Weltkrieg vor Zuschauern nach, die das ganze zelebrieren. Es gibt Souvenirstände mit SS- und Nazi-Devotionalien. Dieses Jahr neu dabei ist die Gruppe „Nashkevillin“, neun Künstlerinnen aus Polen, Israel und Berlin. Sie gestalteten Plakate zum Thema Beschneidung der Frauenrechte durch rechtsnationale Parteien, Gruppen und Regierungen. Diese Plakate wurden zuerst vor einigen Wochen in Warschau verklebt und sind jetzt in Gera zu sehen.
https://www.facebook.com/kunstgegenrechts/posts/1023455204783495
Warum Gera?
In Gera finden seit Monaten Querdenken-Demonstrationen statt. Die AfD ist sehr stark, Stephan Brandner gewann ein Direktmandat für den Bundestag. Außerdem gibt es sehr viel Leerstand. Werden Rechte bald Orte in der Innenstadt mieten, um Veranstaltungen zu organisieren? Man weiß nicht, in welche Richtung sich das alles entwickelt. Deshalb sollte man nicht zu lange warten und diese Räume, wie in unserem Fall, für Aufklärung und Kunst nutzen.
Du sprichst von Leerstand. Wo ist die Galerie Sorglos?
Der Raum wurde neu angemietet und soll als Projektraum genutzt werden. Der Name bezieht sich auf den Fußgänger-Boulevard Namens „Sorge“ mitten in der Innenstadt.
Was kann Kunst gegen rechtes Gedankengut ausrichten?
Es ist eine Stellungnahme und ein Zeichen von den insgesamt 60 Künstlerinnen und Künstlern. Gemeinsam beziehen sie Stellung und regen mit ihrer Kunst zum Nachdenken an. Und das ist es auch, was Kunst leisten kann: Aufklären, Anregen und zum Umdenken bewegen.
Ist es dir deshalb wichtig, das Anliegen nach draußen zu tragen?
Ja, wir versuchen das, was möglich ist, dort umzusetzen, wo es nicht so üblich ist. Das ist ein Versuch.
Wäre es nicht auch besser, in noch kleinere Mittelzentren zu gehen, zum Beispiel Sonneberg in Südthüringen, wo die AfD stärkste Kraft wurde?
Am allerbesten wäre es, wenn man eine mobile Ausstellung beispielsweise in einem Bus organisiert und eine Tour über das ganze Land macht. So könnte man die Kunst dahin bringen, wo sie Menschen erreicht, die nicht in den Großstädten leben.
Hast du im Umfeld der Ausstellung bereits Anfeindungen erlebt?
Bei einer Ausstellung vor zwei Jahren in Erfurt gab es Pöbeleien von Rechten. Es blieb glücklicherweise verbal. Und es kam zu einem Angriff von Nazis vor ein paar Jahren auf eine Ausstellungseröffnung im Kunsthaus Erfurt. Dort gab es körperliche Übergriffe und Verletzte. In letzter Zeit gibt es verstärkt Bemühungen der AfD und militanter Nazis gegen Ausstellungen und Kunstvereine. Erst in Dresden Hellerau, dann in Chemnitz und aktuell in Zwickau. Dort gibt es regelmäßig Aktionen gegen den Zwickauer Kunstverein. Mitglieder des rechten Spektrums marschieren vor dem Ausstellungsraum auf, bedrohen Mitglieder:innen des Kunstvereins und fordern den dortigen Stadtrat auf, finanzielle Unterstützung einzustellen. Dort wo die Kerngruppe des NSU jahrelang verborgen lebte, soll nur noch Kunst von weißen Deutschen gezeigt werden.
https://www.facebook.com/kunstgegenrechts/posts/750883318707353
Die „Kunst gegen Rechts“-Ausstellungen sind immer auch eine solidarische Unterstützung von bedrohten Menschen, Gruppen und Ausstellungsorten. Man muss darauf aufmerksam machen, dass Hass, Rassismus, Nationalismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft nichts verloren haben. Es gibt viel zu tun, gerade dort wo eine Partei wie die AfD stärkste Partei wird, wie in Sachsen und Thüringen. Wichtig ist, zu versuchen die Leute abzuholen, die noch zu erreichen sind, die noch nicht ganz auf der rechten Seite stehen. Aber auch eine Plattform zu schaffen für Künstlerinnen und Künstler, die sich einbringen wollen, oft aber nicht wissen wie und wo. Und wichtig ist auch, die Hoffnung nicht zu verlieren – gut erkennbar an der Einladungskarte nach einem Foto von Christian Werner, die es auch in einer limitierten und nummerierten Auflage in einem größeren Format zur Ausstellung geben wird – eine goldene Fahne im Sturm.
Hart Facts:
- Dauer der Ausstellung vom 6.11.21 bis 5.12.21
Öffnungszeiten:
Mittwoch 14-18 Uhr
Samstag 11-16 Uhr
Sonntag 14-16 Uhr - Wo: Galerie Sorglos | Sorge 52 | Gera
- Reguläre Öffnungszeiten: Mittwoch 14 bis 18 Uhr | Samstag 11 bis 16 Uhr | Sonntag 14 bis 16 Uhr
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