In 30 Jahren Agenturgeschichte haben die Ostkreuz-Fotografinnen und -Fotografen regelmäßig Stellung zum sozialen und politischen Zeitgeschehen bezogen. In ihrer aktuellen Ausstellung, die sich im Sinn der Ostkreuz-Mitglieder als Liebeserklärung an Europa versteht, untersucht das Kollektiv die Gegenwart des Kontinents. Noch bis zum 23. Januar 2022 präsentiert die Kunsthalle Erfurt mit „Kontinent – Auf der Suche nach Europa“ die Ausstellung der „Ostkreuz – Agentur der Fotografen“ und der Akademie der Künste. Als zweite Station der Ausstellung werden in den Räumlichkeiten der Kunsthalle 22 fotografische Positionen zur europäischen Gegenwart präsentiert, wie es in einer Mitteilung der Stadt Erfurt heißt.
Kontinent – Derzeit in der Kunsthalle in Erfurt
Die Mitglieder der „Ostkreuz – Agentur der Fotografen“ wurde 1990 in OstBerlin gegründet und gilt heute als renommiertestes Fotografen-Kollektiv Deutschlands. Die Mitglieder sind vielfach ausgezeichnete Autorenfotografinnen und -fotografen, denen 2013 der Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste verliehen wurde. „Kontinent – Auf der Suche nach Europa“ ist die Jubiläumsausstellung und als Gemeinschaftsprojekt aller Mitglieder der Agentur eine Liebeserklärung an Europa. In den versammelten 22 freien Projekten nehmen sie verschiedene Aspekte des Miteinanders in Europa in den Blick. Indem sie persönliche, gesellschaftliche und politische Phänomene untersuchen, thematisieren sie aktuelle Fragen nach Identität und Sicherheit, Renationalisierung, Migration und Integration, Demokratie und Meinungsfreiheit. Sie finden dabei den Zugang zu komplexen Inhalten stets über Bilder vom Menschen und seiner Umgebung.
Die vielfältigen und abwechslungsreichen Perspektiven möchten die Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken und Diskutieren über die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung von Europa einladen. Die Ausstellung wurde von Ostkreuz zusammen mit der Akademie der Künste (Berlin) erarbeitet und 2020 im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin präsentiert und von Ingo Taubhorn kuratiert. Als aktuelles Statement in der Akademie der Künste am Pariser Platz bietet die Ausstellung Impulse für die gegenwärtige Debatte über die Zukunft Europas und fragt: „Wie wird sich unser Kontinent entwickeln, wie das Zusammenleben seiner Menschen?“
Fotografie neu definiert
Parallel dazu ist die Ausstellung „Dokumentarfotografie Förderpreise 12“ zu sehen. Der renommierte Förderpreis der Wüstenrot-Stiftung ist die bedeutendste Auszeichnung dieser Art in Deutschland. Er richtet sich an Fotografinnen und Fotografen, die sich mit Themen der realen Lebenswelt beschäftigen und mit zeitgenössischen Mitteln die Repräsentationsfunktion der Fotografie neu definieren. Die Ausstellung im und vor dem Renaissancesaal vereint die vier Positionen der Preistragenden Christian Kasners, Jiwon Kim, Jens Klein und Joscha Steffens.
Christian Kasners und das Nová Evropa
Mit seiner Arbeit Nová Evropa setzt sich Christian Kasners mit den historischen Hinterlassenschaften und politischen Erwartungshaltungen der Bürger in Tschechien und deren Auswirkungen auf die Idee eines vereinten Europas auseinander. In der Stadtlandschaft und ihrer Möblierung, auf politischen Plakaten und Werbetafeln, in Konsumartikeln und der Nutzung des öffentlichen Raums manifestieren sich gegensätzliche ideologische und politische Ideen. Einen Widerhall finden die Fotografien in einer Textarbeit, die pointiert verschiedene Vorstellungen der europäischen Idee seit dem 19. Jahrhundert vorstellt.
Mit Jiwon Kim nach Costa Rica
Mit Jiwon Kim begeben wir uns auf die Suche nach dem Paradies. Ein flüchtiger Bekannter der Künstlerin benennt Costa Rica als absolut schönsten Ort der Welt. Daraufhin reist Kim für ihre Arbeit Paradise Complex in das mittelamerikanische Land. Sie findet in den Landschaften reale gewordene Idealvorstellungen ebenso wie abgründige Ausformungen der Paradiessehnsucht. Diese übersetzt sie in eine poetische und humorvolle Installation aus Fotografien, einer Videoarbeit in einem Surfbrett und bedruckten Kaffeebechern.
Die Arbeit Sunset von Jens Klein zeigt in einem labyrinthischen, visuellen Essay vermeintliche Orte der Flucht. Die Fotografien stammen ursprünglich aus dem Archiv der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU-Archiv). Sie wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatssicherheit, von der Polizei und Grenzsoldaten zwischen 1961 und 1989 aufgenommen. Es sind protokollartige, visuelle Notate der Überwacher, in denen die Täter- und Opferperspektive, Dokumentation und Imagination aufeinandertreffen. Der Titel der Arbeit verweist auf die Fluchtrichtung und erinnert so an die mit dem Westen verbundenen, abstrakten Vorstellungen von Wohlstand und Freiheit.
Joscha Steffens und der Gamingkult
Mit seinem Projekt Nexus widmet sich zu guter Letzt Joscha Steffens dem Phänomen von Jugendlichen, die über ihr gemeinsames Spiel zu einer (quasi-) religiösen Erfahrung einer Glaubensgemeinschaft gefunden haben. Er fotografiert die Protagonisten des Gamingkults am Übergang von ihrem virtuellen Dasein als scheinbar allmächtiger Avatar zu der Rückkehr in die Realität – genau an dem Moment, wo sie im maßlosen kollektiven High des Spiels herausgeworfen werden und mit den Fähigkeiten ihres tatsächlichen Körpers und Bedingungen der Alltagswelt konfrontiert sind. Die Ausstellungen „Kontinent – Auf der Suche nach Europa“ sowie „Dokumentarfotografie Förderpreise 12“ werden durch zahlreiche Begleitveranstaltungen in Form von öffentlichen Führungen, Kuratorenführungen sowie Gesprächen und Rundgängen mit ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern ergänzt.
Hart Facts:
- Wann: bis 23. Januar 2022 | Di – So: 11 bis 18 Uhr | Do: 11 bis 22 Uhr
- Wo: Kunsthalle Erfurt | Fischmarkt 7
- Führung durch die Ausstellung: Do: 18 Uhr (4. + 25.11., 9. + 23.12., 6.1.)
So: 11.15 Uhr (31.10., 14.11., 5.12., 19. + 30.12., 16.1.) - Mehr: www.kunstmuseen.erfurt.de
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