Soldatenfiguren, Handpuppen, Hörspiele – nicht das Außergewöhnliche, sondern das Gewöhnliche ist es, was in der Ausstellung „So spielte der Osten: Spielzeug aus der Zeit von 1946 bis 1989“ im Stadtmuseum Zeulenroda-Triebes gezeigt wird. Es sind konservierte Kindheitserinnerungen, fein säuberlich aufgereiht und bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Zusammengesucht wurden die Spielzeuge von Andreas Reißmann und seiner Frau Ramona. Die zwei sind Kuratoren des Spielzeugmuseums Greiz – und auch dessen Gründer. Von hier stammen die beliebten Kindheitsbegleiter der Ausstellung.
Andreas Reißmann sammelt DDR-Spielzeug für sein Museum in Greiz
Doch wie kommt man als Privatperson dazu ein Museum zu eröffnen? Begonnen habe alles mit der Liebe zu Eisenbahnen. Andreas Reißmann liebt alles was „groß ist, schwarz und raucht“. Die Gewohnheit hat ihn zum Sammler werden lassen. Einige seiner Lieblinge sind verloren gegangen, manche gingen kaputt und viele musste er auf Drängen der Eltern mit dem Bruder teilen. Das hat ihn schon in jungen Jahren dazu bewegt, seine Habseligkeiten dicht bei sich zu behalten und alles zu sammeln, was nicht niet- und nagelfest war. „Für einen Spinner gehalten haben sie mich“, sinniert er über die Reaktionen seines Umfelds, als die Spielzeugsammlung immer größer wurde und auch mit zunehmendem Alter nicht aufhörte zu wachsen. „Wenn man sich so einem speziellen Hobby widmet, dann wird man ganz schnell zum Sonderling erklärt.“
Umso größer war die Freude, als er 1985 eine Frau kennenlernte, die seine Liebe zu Spielzeug teilt. Die Interessen der beiden ergänzen sich hervorragend. „Ich begeistere mich sehr für Kaufmannsläden, Puppenstuben, Puppenwägen … all sowas“, sagt Ramona. „Damals hatte ich einen Puppenherd, der richtig funktionierte. Als Kinder spielten wir damit draußen vor dem Haus und kochten Gänseblümchen. Diese Dinge faszinierten mich damals und sie faszinieren mich heute noch“, sagt sie.
Wie alles begann
Im Elternhaus von Andreas konnten die beiden ihrem Hobby frönen. Da gab es reichlich Platz. Unglückliche Familienumstände vertrieben sie jedoch. Eine kleine Arbeiterwohnung wurde die neue Bleibe. Hätten sie nicht gute Freunde gehabt, bei denen sie ihre Kindheits-Lieblinge zeitweilig unterbringen konnten, wäre vieles verloren gegangen. Der erste große Durchbruch kam 1994, als Andreas‘ Heimatort Greiz die 600-Jahr-Feier veranstaltete. Damals wurde etwas Originelles wurde für die Schule gesucht. Ein Bekannter fragte Andreas, ob er seine vielen Eisenbahnen aufstellen wolle. „Daraufhin meinte ich, dass ich noch etwas viel Besseres habe“, erzählt Andreas. „Eine ganze Spielzeugsammlung!“ Zwei Klassenräume füllte er damit. In anderthalb Tagen lockte die Sammlung 875 Besucher an. Die Geschichte begann. Es sprach sich herum, welche außergewöhnlichen Hobby die Reißmanns frönen. Immer mehr Menschen holten deshalb ihre Spielzeuge aus dem Keller. Alte Schätze, für die sie selbst keinen Platz mehr hatten, bei denen sie es aber auch nicht übers Herz brachten, die liebgewonnenen Kindheitserinnerungen auf den Müll zu schmeißen. Einmal stellte jemand einen Wäschekorb mit Puppe vor die Kellertür. „Da gab es beinahe noch Verwicklungen, weil ein Spießer im Haus dachte, wir hätten ein Baby ausgesetzt!“
Eine Idee und ein altes Haus
Irgendwann stand der damalige Schwiegersohn mit einer Idee parat. Er fragte den Spielzeugsammler: „Wollt ihr, wenn ihr 80 seid, immer noch mit eurer Sammlung umherziehen?“, erinnert sich Andreas. „Oha, dachte ich, was kommt jetzt? Und dann meinte der Schwiegersohn, dass er ein über 230 Jahre altes Fachwerkhaus habe, das bewohnt werden müsse, damit es nicht zusammenfällt. Ich solle doch die untere Etage als Museum ausbauen.“ Gesagt, getan. Anfang 2003 begann der Umbau. Am 1. Dezember 2003 feierte die Familie bescheidenen Rahmen Eröffnung. Während dieser Zeit wurde auch zum ersten Mal eine richtige Inventur durchgeführt, vorher hatte Andreas nur eine vage Ahnung davon, wie viele Schätze er besitzt. Mittlerweile zählt die Sammlung über 4000 Exponate.
Die Reißmanns berichten lachend im Gespräch mit dem t.akt-Magazin, dass sie fast kein Spielzeug kaufen mussten, als ihre Tochter ein Kind war. Mittlerweile ist Nicole erwachsen. Sie und ihr Mann haben das Museum übernommen. Auf der faulen Haut liegen Andreas und Ramona jedoch nicht. Sie kuratieren Ausstellungen und kümmern sich um die Akquise neuer Kostbarkeiten sowie deren Restauration.
Smartphone statt Puppenläden
Das wohl älteste Stück der Museumssammlung: ein Puppenladen von 1905, den eine Dame aus Gera spendete. Die Enkel, so meinte sie, hätten daran kein Interesse. „Die spielen lieber am Smartphone“, sagt Andreas. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch ein weiteres außergewöhnliches Exponat: eine Puppen-Fleischerei. Die Besitzerin hat sie dem Ehepaar überlassen. Die Großmutter habe schon damit gespielt, die Mutter, sie selbst sowie ihre Tochter auch. Wieder sind es die Enkel, die nichts damit anfangen können. Herr und Frau Reißmann freuen sich über das seltene Stück umso mehr.
Spielzeug mit Seele und Ausstrahlung
Anfangs sei ihnen gar nicht aufgefallen, welchen Schatz sie da bekommen haben. Sie nahmen an, es wäre ein normaler Kaufladen. „Meine Frau hat angefangen den Laden einzurichten, doch so richtig schien alles nicht zu passen. Und dann habe ich anhand des Fliesenmusters gesehen: das ist etwas ganz Seltenes. Wir restaurieren die Fleischerei gerade. Kaufmannsläden gibt es viele, aber ich habe noch nie eine Fleischerei gesehen. Sie gehört wahrscheinlich mit zu den ältesten Exponaten unserer historischen Spielzeuge“, erzählt Andreas und verrät, was für das Ehepaar den Charme von DDR-Spielzeugs ausmacht: „Es hat Seele und Ausstrahlung“, schwärmen er. „Nicht wie dieses neue Spielzeug. Da kauft man ein Rennauto für viel Geld und wenn der Enkel damit rausgeht und damit spielt, hängt das Vorderrad runter“, beschwert sich der Familienvater.
Mittlerweile bekommt Familie Reißmann viele Anfragen von Museen, die einige Artikel in besonderen Ausstellungen präsentieren wollen. Die wohl erfolgreichste war 2014 auf Burg Kriebstein: „Als es noch keine Playstation gab … Kinderspielzeug in der DDR“. Rund 56.000 Menschen besuchten die Ausstellung innerhalb von sechs Monaten. Selbst das Spielzeugmuseum Sonneberg, ein Eldorado für Schätze der Kindheit, hat schon bei den Sammlern aus Greiz nach besonderen Exponaten gefragt. 2019 sollte das Ehepaar Eisenbahnen für die Ausstellung „70 Jahre Piko“ beisteuern.
Ausstellung in Zeulenroda lockt mit spannenden Exponaten
Leider machte Corona in den vergangenen zwei Jahren so manchen Ausstellungs-Plänen ein Strich durch die Rechnung. Doch eine gute Seite hatte die viele Freizeit laut Andreas: „Ich konnte endlich mal das Regal leer-restaurieren“, sagt er. „Endlich hatte ich die Zeit, einige wirklich außergewöhnliche DDR-Spielzeuge in einen ausstellungsreifen Zustand zu verwandeln.“ Das Museum in Greiz ist zwar vorübergehend geschlossen. Wenn ihr trotzdem einen Blick auf die Lieblinge des Ehepaars werfen wollt, dann auf zur eingangs erwähnter Ausstellung im Stadtmuseum Zeulenroda-Triebes. Dort zeigen die Reißmanns ein breites Spektrum ihrer DDR-Spielzeuge. Und wer weiß, vielleicht entdeckt ihr dort ja auch selbst einige Begleiter aus eurer Kindheit wieder?
Hart Facts:
- Spielzeugmuseum Greiz: Franz-Feustel-Straße 12 | Homepage
- Ausstellung im Stadtmuseum Zeulenroda: Aumaische Str. 30 | Zeulenroda-Triebes | bis 27. Februar | Homepage des Museums