Dass sich die Bauhaus-Bewegung mit Weimar verbindet, war kein Zufall. Die kleine Stadt zog schon um 1900 moderne Gestalter an. Dass sie als Zentrum moderner Umbrüche gilt, dafür hatten schon ein Jahrhundert zuvor Goethe und Schiller gesorgt. Aber so weit wollen wir heute nicht zurückgehen. Wobei „gehen“ das Stichwort ist: Wer nach den Spuren der Vorgeschichte des Bauhauses in Weimar sucht, muss zu den Wirkungsstätten des renommierten belgischen Künstlers, Designers und Architekten Henry Van de Velde spazieren.
Bauhaus-Spaziergang durch Weimar
Van de Velde wurde 1902 dort an die Kunstschule berufen. Er erweiterte sie um eine Kunstgewerbeschule und machte sich nach der kriegsbedingten Schließung 1915 persönlich für Walter Gropius als möglichen Nachfolger stark. Auf den Spuren Van de Veldes sind in Weimar sechs Adressen von Bedeutung. Und weil das selbst für eine kleine Stadt wie Weimar viel ist, empfehlen wir, den Spaziergang zweizuteilen und einen jetzt im Winter, den nächsten im Frühling zu unternehmen.
Unsere Karte für euren Spaziergang:
Bauhaus in Weimar entdecken: Los geht’s
Wir starten in der Gutenbergstraße 1a, einem Kindergarten. Hier entwarf Van de Velde eine Villa für Baron von Henneberg. 1913/14 wurde sie als letztes der sechs Van de Velde- Bauwerke in Weimar gebaut. An den Fensterformen, Giebeln und der Symmetrie lässt sich Van de Veldes Stil sofort erkennen. Wenige hundert Meter weiter, in der Cranachstraße 47, steht die Villa Dürckheim, die nicht ausschließlich „reine“ Van de Velde-Architektur ist. An ihren Erweiterungsbauten lässt sich viel Weimarer Geschichte erzählen, denn nach 1945 war die Villa Sitz der sowjetischen Kommandatur. Heute befinden sich dort verschiedene Vereine und Institute. Wer freundlich fragt, darf vielleicht ins Innere und sollte dann das linke Treppenhaus ansteuern. Es hat ein Geländer aus Metall und zeigt exemplarisch, wie filigran und intelligent Van de Velde Architektur dachte.
Galerie: Die Bauhaus-Uni in Weimar
Der wichtigste Weimar-Bau
Von dort geht es zu Van de Veldes wichtigstem Weimar-Bau. Als Direktor der Kunstschule entwarf er dessen Hauptgebäude höchstselbst, es entstand zwischen 1904 und 1911 und ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Fast täglich finden in der Geschwister-Scholl-Straße 7/8 architekturhistorische „Bauhaus-Spaziergänge“ statt. Sie führen zum ovalen Treppenhaus, hinter die imposanten Atelierfenster und ins Innere des später von und für Walter Gropius gestalteten Direktorenzimmers. Kaum ein Ort, der die Linien von Jugendstil zu Bauhaus sichtbarer machen könnte. Und nach dem Spaziergang durch die Bauhaus-Uni? Kann man im Innenhof- Café herrlich entspannen – und im Bauhaus-Shop erkunden, was Designer von heute entwerfen.
Mehr über Weimar als Bauhaus-Stadt
Der zweite Teil des Rundgangs:
Der zweite Teil des Van de Velde-Spaziergangs beginnt auf dem Zentralfriedhof. Dort pilgern die meisten Besucher zur Fürstengruft, doch wir gehen zur Abteilung ¼, Grab Nr. 34. Hier entwarf Van de Velde das Grab der Familie Kötschau, dessen Eisentor allein schon Freunde des Art Nouveaus zum Schwärmen bringt. Vom Friedhof aus geht es bergauf zu einer der schönsten Villen Weimars – und in Weimar gibt es viele Villen. In der Humboldtstraße 36 mit traumhaftem Blick über die ganze Stadt ist Van de Veldes früheste Arbeit in Thüringen zu besichtigen: Im Auftrag der Schwester Friedrich Nietzsches gestaltete er 1903 Treppenhaus und Erdgeschoss neu. Bis heute lässt die Vertäfelung Münder offen stehen, wenn man das Nietzsche-Archiv betritt.
Für mehr freshe News und geilen Scheiß:
Bauhaus und Weimar: Eine Liaison
Gleiches gilt auch für Van de Veldes eigenes Wohnhaus in der Belvederer Allee 45, etwa eine halbe Stunde zu Fuß entfernt. Hier ist, vom Grundriss bis zum Türknauf, wirklich alles nach Van de Veldes Wünschen gestaltet. Angesichts der nicht unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten ist es indes noch schlichter, moderner, heller gehalten als alles, was Van de Velde bis dato geplant hatte. Beide Häuser, das Nietzsche-Archiv und das Haus „Hohe Pappeln“ hält die Klassikstiftung nur von Ende März bis Ende Oktober geöffnet, weswegen dieser Spaziergang für die wärmeren Monate taugt. Umso schöner, denn von der Van de Velde-Villa aus kann man am besten durch den Ilmpark in die Stadt zurücklaufen.
Mehr über Bauhaus in Thüringen auch unter: bauhaus100.de
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Text: Louisa Reichstetter