Hanna klärt uns über Drogen auf. Denn Drogen sind nicht reserviert für Loser und Spinner. Schon Seneca sagt: „Nur Kleinmütige und Schwächlinge wählen den sicheren Pfad. Der Held geht über Gipfel.“ Hanna ist Hausfrau, Mutter eines sieben jährigen Sohnes. Die Ehe mit ihrem Mann funktioniert reibungslos. Aber eine innere Unruhetreibt sie um. Was ist meine Sehnsucht, was mein Angst? Hanna, gespielt von Karina Schiwietz, will die innere Kluft zu ihrer Familie mit Liebe füllen. Eine Tür versperrt den Weg zu sich selbst, aber der Schlüssel ist greifbar. Das macht sie stark und unter Drogen sogar glücklich. Sie steigert sich in eine Welt düsterer Visionen. Aber Hanna weiß sich auf dem richtigen Weg … Ab den 13. September gastiert das Ensemble La Vie aus München mit dem Stück „Welche Droge passt zu mir?“ im KulturQuartier in Erfurt. Wir sprachen vorab mit Regisseur René Rothe.
Wie muss man sich ein Präventions-Theater-Projekt zum Thema Drogen und illegale Substanzen auf der Theaterbühne vorstellen?
Ich sag es mal so: Als wir dieses Projekt starteten, gingen wir nicht davon aus, dass es in Richtung Präventionstheater gehen würde. Anfangs inszenierten wir so wie bei jedem anderen Projekt auch. Wir setzten uns damit auseinander und planten ein abendfüllendes Stück. Daran, dass es gerade für junge Menschen ausgelegt sein könnte, dachten wir damals gar nicht. Das Ganze änderte sich 2017 durch eine Anfrage der Landeshauptstadt Dresden, für welche wir das „Kulturjahr Sucht“ eröffnen sollten. Parallel dazu ermöglichte man uns die Realisierung einer Ausstellung von Eric Jacob unter dem Namen „Meine Liebe Alkohol”, woraufhin wir, der Ensemble La Vie e.V., mit beiden Projekten das damalige Kulturjahr starteten. Als uns bewusst wurde, wie positiv beides gerade von Schülergruppen im Alter von 14 Jahren aufwärts angenommen wurde, änderte sich unser Fokus. Wir entwickelten das Theaterstück mit Hilfe eines Suchtberaters weiter und passten es auf die Altersgruppe an. Die Arbeitsweise blieb jedoch die gleiche.
Es geht in dem Stück um Hanna, eine junge Mutter. Wie kommt Hanna eigentlich zu Drogen?
Wie sie zu Drogen kommt? … (lacht). Wie alle anderen auch. Indem sie sie einfach ausprobiert. In dem Stück kommt sie durch Zufall an Pillen heran. Bald denkt Hanna, diese konsumieren zu MÜSSEN, um gut über den Tag hinwegzukommen.
Warum der Titel? Kann eine Droge zu einem Menschen passen, oder nicht?
Das ist eine gute Frage (schmunzelt). Das geht schon ein Stück tiefer in die Thematik. Das Theaterstück wirkt, als würde man eine individuelle Drogenberatung erhalten, nur eben umgekehrt. Jede Droge wird quasi in ihrer Wirkungsweise vorgestellt. Ungeachtet dessen, ob es sich dabei um eine legale oder illegale Droge handelt. Im Stück werden die zentralen Drogen angesprochen und in gewissem Sinne augenscheinlich „verherrlicht“. Allerdings bröckelt die Fassade von Hanna, die in der Vorführung symbolisch für die Drogenberaterin steht, zusehends. Im letzten Drittel des Stücks entgleitet ihr die Kontrolle immer deutlicher, bis sie sich schließlich selbst in den Drogen verliert.
Wie nähert man sich dem Thema als Regisseur?
Gehen wir mal von meiner Biografie aus. Da ich gesellschaftliches Theater mache, versuche ich aufzuzeigen, wie die Gesellschaft erkrankt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Alkohol. Innerhalb unserer Gesellschaft gilt er als Genussmittel. Ich persönlich trinke auch gerne mal ein Glas Wein. Wenn jedoch der Mensch merkt, dass er damit nicht mehr aufhören kann, spricht man von einer Sucht oder Krankheit. In dem genannten Fall resultiert daraus eine Alkoholkrankheit. Wir als Theaterleute wollen aber nicht nur das Problem an sich ansprechen, sondern Probleme aufzeigen, die dahinter stecken, die der ursprüngliche Auslöser für das Offensichtliche sind. Da die Gesellschaft oft wegschaut, versuche ich, künstlerisch auf das Thema aufmerksam zu machen.
Du willst also sensibilisieren?
Ja. Die Menschen sollen aufmerksam gemacht werden. Dabei treibt mich nicht zuletzt eine persönliche Erfahrung um. Ich selbst hatte einen Freund, der so tief in illegalen Drogen feststeckte, dass wir als Außenstehende nichts weiter tun konnten, als ihm hilflos zuzusehen. Gott sei Dank hat er sich professionelle Hilfe gesucht und konnte so den Weg zurück in die Normalität finden. Man selbst stellt sich dann die Frage, hat man die Signale zu spät erkannt, um noch helfen zu können? Deshalb ist mir vor allem die Aufklärung wichtig. Und das Aufzeigen dessen, wie schnell man in eine Suchtspirale rutschen kann.
Das Ensemble La Vie führt ja das Stück hier in Erfurt auf, also das Gastspiel. Wie kam es dazu? Und wart ihr schon einmal hier?
Das Stück haben wir seit 2017 in vielen Städten gezeigt. Dresden, München, Leipzig … Das KulturQuartier und die Menschen dahinter lernten wir vor drei Jahren kennen. Daraufhin zeigten wir in Erfurt zunächst das Theaterstück „Kill You!“, welches sich mit Spielsucht (Zocken) befasst. Es wurde ein Riesenerfolg. Alle Veranstaltungen waren sehr gut besucht. Und so kamen der Vorstand des Vereins und die Suchtbeauftragte der Stadt Erfurt gemeinsam auf die Idee, ein ähnliches Suchtprojekt mit illegalen Substanzen und Drogen zu starten. Und was würde da besser passen als dieses Stück? Abgesehen davon, dass wir so eine Form von Nachhaltigkeit betreiben. Schließlich wird das Thema „Sucht“, egal in welcher Ausprägung leider wohl immer ein großes Thema bleiben. Ob in einer Klein- oder Großstadt, Nord, Süd, West oder Ost.
Und warum habt ihr das Stück „Welche Droge passt zu mir?“ in eurem Repertoire aufgenommen?
Naja, sagen wir mal so. Der Verein engagiert sich in vielen Bereichen. Von Kinderstücken über dramatische Abendvorstellungen, Stadtteilprojekte und Gesangsabende bis hin zur Bildenden Kunst. Ein Blick in unseren Katalog zeigt, wir vielfältig wir sind. Das liegt daran, dass jedes unserer 26 Mitglieder ganz andere Ambitionen hat. So gibt es die unterschiedlichsten Impulse, ein Projekt zu initiieren, was letztlich unsere Vielfalt ausmacht. Und ein so elementares Thema wie „Sucht“ gehört da auf jeden Fall mit dazu.
Ihr habt mehrere Präventionsprojekte und warum habt ihr euch überhaupt der Thematik angenommen?
Weil wir der Meinung sind, dass einfache Aufklärungs-Broschüren nicht reichen. Wie ich schon sagte, erkrankt nicht ein Individuum, sondern die Gesellschaft. Kunst kann in meinen Augen viel mehr bewirken als eine Broschüre, die von Spielsucht oder Drogenkonsum handelt, es jemals könnte. Die liest am Ende kein Schwein und wird nur weggeworfen. Wir führten einmal nach unserer Vorstellung ein sehr langes Zuschauergespräch, in dem sich die Zuschauenden extrem öffneten. Da sagte die Schauspielerin Karina Schiwietz zu mir, wenn sie mit ihrem Spiel nur eine einzige Person erreichen könne, nur einen einzigen Menschen zum Umdenken bringen, hat sich all unsere Arbeit gelohnt.
Also wirkt das Theaterstück in dem Sinne präventiv, da die Menschen zum Nachdenken angeregt werden? Aber was macht das denn mit den Menschen?
Pauschal kann man das nicht sagen. Da müsste man jetzt wohl mit diesen Menschen selbst sprechen. Allerdings bekommen wir oft schon vor den Publikumsgesprächen erste Reaktionen Eins zu Eins mit. Da wird schon lebhaft diskutiert. Und in den Nachgesprächen erleben wir immer wieder, dass sich Zuschauende in den Stücken selbst wiedererkennen, darüber nachdenken, was sie gesehen haben und sich manchmal sogar als Betroffene outen. Meist beginnt dann eine lebhafte Kommunikation. Nicht einfach im Stil eines Frage-Antwort-Spiels, sondern eine echte Interaktion zwischen Künstlern und Zuschauern. Und das ist genau das, was wir wollen. Dass die Menschen miteinander kommunizieren und nicht mehr weggesehen wird.
Was möchtest du oder was wollt ihr den Zuschauenden mit dem Stück auf den Weg geben?
Auf den Weg geben wir, dass man jederzeit mit illegalen Drogen in Berührung kommen kann. Überall! Es geht dabei nicht um irgendwelche Randgruppen. Dieses Thema betrifft jeden. An Drogen kommt jeder ran. Ob ich sie brauche, ist die große Frage. Ob man nicht einen anderen Weg als den über die Drogen wählen kann. Natürlich steht am Anfang oft nur Neugier. Doch vielleicht kann ich dann irgendwann nicht mehr damit aufhören, überstehe den Tag nicht mehr aus eigener Kraft.
Ich durfte im Rahmen meiner Recherche für das Stück „Kill You!“ auch eine Therapiegruppe begleiten, was mich stark beeindruckte. Der Austausch mit der Gruppe hat mich persönlich darin bekräftigt, wie wichtig es ist, was wir tun
Hard Facts:
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