Eine Frau ganz in schwarz gekleidet, justiert den weißen Raum. Am Boden sind große Bögen aus Papier ausgebreitet. Sie greift nach langen Bambusstäben, an deren Enden Pinsel befestigt sind. Diese taucht sie ein. In Tusche, die das Schwarz ihrer Kleidung aufgreift. Im Raum herrscht Stille, denn die Blicke der Besucher:innen liegen gespannt auf der Künstlerin. Die Frau in schwarz selbst ist ganz bei sich. Sie trägt Kopfhörer. Das Publikum kann förmlich spüren, wie sie in die Musik eintaucht – doch hören wird es diese nicht.
Performance im Kunsthaus Erfurt
Sie beginnt mit einer Zeichnung. Die Tusche legt sich dabei glänzend über das Papier und zieht in die Fasern hinein. Mal pastos, mal deckend fließt die Farbe auf den Untergrund. Linien bilden sich, kreuzen sich und fließen aneinander vorbei. In der Stille des Raumes hört das Publikum lediglich die leisen Schritte und Bewegungen der Künstlerin. Leise streichen und kratzen die Malutensilien auf dem Papier. Doch plötzlich knallt ein Pinsel auf dem Boden auf und durchbricht die beinahe Lautlosigkeit. Auf ruhige, bedachte Bewegungen und Pinselstriche folgen ruckartige, ausschweifende Linien. Am Ende der Performance sind zwei neue Fragmente eines Werkes entstanden. Das Publikum applaudiert und verdrängt das vorangegangene Schweigen aus dem Raum. Das Happening ist allerdings nur ein erster Teil. Vier weitere Performances folgen noch.
Doppelausstellung über die Linie
Die Rede ist von der Künstlerin Katja Pudor. Die gebürtige Berlinerin zeigt gemeinsam mit der Künstlerin Daniela Wesenberg in der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Erfurt einen Einblick in ihre künstlerische Arbeit und lässt die Besucher:innen an ihrem Schaffensprozess während der Performances teilhaben.
Katja Pudor stellt im Kunsthaus Erfurt aus. Fotos: Katja Pudor
„Gerade, die Linie!“ ruft es dem Lesenden des Ausstellungstitels entgegen und offenbart unmittelbar worauf der Fokus der Ausstellung im Kunsthaus Erfurt liegt. Mit der Duo-Solo-Show von Katja Pudor und Daniela Wesenberg „nähern wir uns dem Thema Zeichnung. Mit dem Verlassen der Fläche und ihrer Erweiterung in den Raum betritt man ein zeichnerisches Universum. Wunderbar erfahrbar am Beispiel von Daniela Wesenbergs installativen Raumzeichnungen oder Katja Pudors stetig wachsenden, performativen Schichtungen.“ erklärt die Kunsthausleiterin Monique Förster im Gespräch mit dem t.akt-Magazin.
Die Linie und die dazwischen liegenden Leerräumen
Die Werke der Künstlerinnen treten zudem in einen Dialog und stellen die Frage nach der Vergleichbarkeit der individuellen künstlerischen Handschrift. Während die Arbeiten von Katja Pudor das Zeichnen als performativen Prozess untersuchen, beschäftigt sich Daniela Wesenberg mit der Linie und den dazwischen liegenden Leerräumen. Die gebürtige Thüringerin transformiert die in der Zweidimensionalität verhafteten Zeichnung in den Raum. Für die von ihr entwickelten Installationen verwendet sie Materialien wie beispielsweise Holz, Messing und Silber. Im Zwischengeschoss der Galerieräume in der Michaelisstraße türmt sich eine filigrane Berglandschaft bestehend aus zarten Holzstäben und Verbindungen aus Edelmetallen auf. Das verwendete Material und die daraus resultierenden Leerräume, durchbrechen die Schwere, welche wir mit einer massiven Bergkette assoziieren.
Spurensetzung auf Papier
Die performativen Arbeiten von Katja Pudor setzen sich zudem mit dem Thema „Zeit“ auseinander. Mit ihren Zeichnungen geht die Künstlerin auf Spurensetzung auf Papier. Dabei interessiert sie die Verdichtung der erlebten Zeit, das Festhalten der momentanen Gegenwart, die vergeht und Vergangenheit geworden ist. Die Linien formen eine Art Übersetzung aus dem Raum des Hörens, Verstehens und Empfindens, hin in die Schreibbewegung der Pinsel. Somit formt die Künstlerin keinen Text oder Sprache, sondern transkribiert die Musik durch Bewegung in die Zeichnung. Die entstehenden Schrift-Zeichnungen geben den Betrachtenden keinen Aufschluss über das gehörte Musikstück – wohl aber über die Intensität ihrer Wahrnehmungen.
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Die fünfteilige Performance-Reihe „Über das Hören und Zuhören und die sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten II“ nahm am Eröffnungsabend am 5. Mai seinen Anfang. In der Monatsmitte folgte der zweite Part, gemeinsam mit dem Bergstrom-Kollektiv in Kooperation mit der „Studio.Box“ des Theater Erfurt. Nun können Neugierige drei weitere Teile wahrnehmen. Teil drei findet am Donnerstag um 19 Uhr in der Studio.Box statt. Karten sind direkt beim Theater Erfurt erhältlich. Am Freitag folgt Teil vier ab 20 Uhr in den Räumlichkeiten des Kunsthaus Erfurt. Die finale Performance findet während der Finissage am 16. Juni ab 20 Uhr ebenfalls in der Galerie in der Michaelisstraße statt. Im Kunsthaus ist der Eintritt frei.
Hard Facts:
- Performance Part 3: 1. Juni | 19 Uhr | Kunsthaus in der Box, Studio.Box | Theater Erfurt
Performance Part 4: 2. Juni | 20 Uhr | Kunsthaus Erfurt
Performance Part 5: 16. Juni | 20 Uhr | Kunsthaus Erfurt