Obwohl die Anzahl der „normalen“ Chöre bundesweit rückläufig ist, gibt es auch hier die berühmte Ausnahme von der Regel: Kneipenchöre. Richtig gelesen. Die Kneipenchor-Tradition hat momentan Hochkultur. Was in Berlin schon vor über 6 Jahren begann, ist seit 2018 auch in Thüringen fester Bestandteil der Musikszene. In Erfurt ist die Kapazität mit etwa 120 Mitgliedern bereits erschöpft, die Warteliste ist lang. Das Interesse war so groß, dass auch die Gründung eines zweiten Chores in Jena nicht lange auf sich warten ließ. Ein gutes halbes Jahr nachdem die Franz Mehlhose in Erfurt regelmäßiger Treff der Choristen wurde, wurde auch der Kulturbahnhof Jena ein Mekka für singenden Massen.
Das Derby zwischen Erfurt und Jena geht weiter
Der stressige Alltag und die hohen Anforderungen lassen viele Menschen nach einem Ausgleich suchen. Musikwissenschaftler Gunter Kreutz von der Universität Oldenburg drückt es so aus: „Bei der Suche nach Glück ist Singen wieder eine Ressource.“
Selbst aus trauriger Musik ziehen wir positive Energie
Die Suche nach dem Glück ist nicht er seit der Gründung der Kneipenchöre ein brandaktuelles Thema. Dass Musik glücklich macht, bestätigen auch Hirnforscher immer wieder. Verantwortlich für die Hochgefühle ist vorrangig der Botenstoff Dopamin. Die Ausschüttung dieses Glückshormons im Gehirn führt nicht nur dazu, dass uns Singen glücklich macht, sondern auch, dass wir es immer und immer wieder tun wollen. Selbst aus trauriger Musik ziehen wir positive Energie.
Kneipenchöre nutzen Stimmungsheber
Kneipenchöre nutzen diese Erkenntnisse und verbinden sie mit weiteren Stimmungshebern: Gemeinschaft, Lachen, Unbeschwertheit und dem Flair eines gemeinsamen Abends mit Freunden bei einem Glas Wein oder Bier. Wahrlich keine Schnapsidee.
Es geht darum etwas zu schaffen
Unbeschwert deshalb, weil man weder Noten lesen, noch ein begnadeter Sänger sein muss. Die Mitglieder werden in Harmonien eingeteilt und feilen nicht (man verzeihe uns das Wortspiel) bis zum Erbrechen an der Perfektion eines einzelnen Liedes. Es geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen, egal ob jung oder alt, ob geübt oder nicht. Dass es dennoch gut klingt, dafür sorgt Chorleiter Phillip Körber. Und doch lässt sich ein wenig Ehrgeiz nicht ganz aussperren. Wenn man von schnellen Ergebnissen euphorisiert ist, dann will man auch wissen: Wer ist der schönste im ganzen Land? Oder der beste. Oder lauteste. Der unterhaltsamste oder vielleicht sogar schrägste Chor.
22. Juni ist Showdown Tag
Deshalb kommt es im Juni zum unausweichlichen Battle zwischen den Erfurter und dem Jenaer Kneipenchor. Was einst der Fußballkultur anhaftete, springt nun auch auf die Kulturszene über: Das berühmt-berüchtigte Derby zwischen Erfurt und Jena. Der 22. Juni ist der Tag des Showdown. Da der Erfurter Kneipenchor gründungserster war, genießt er in der Halle 6 am Zughafen Heimvorteil.Die beiden Musikmobs singen, voraussichtlich mit einem Bierchen in der Hand, jeweils fünf unterschiedliche Songs. Angeleitet werden sie von ihrem gemeinsamen Chorleiter und einer Band, sodass die Bedingungen möglichst ausgeglichen sind. Eine Fachjury entscheidet jeweils über die Rundensiege. Es wird gemunkelt, dass auch ein gemeinsames Lied beider Chöre an diesem Abend Premiere feiern wird – ganz ohne vorherige Probe. Damit dürfte sich die Kernkompetenz der Kneipenchöre bestätigen: auch ohne Noten, exakte Stimmeinteilungen und viel Übung wird der gigantische Chor (halbwegs) harmonisch klingen und vor allem: unterhalten.
Hard Facts:
- Wann: 22. Juni, 20 Uhr
- Wo: Zughafen Erfurt, Halle 6
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