Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenend-Schmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
Charmantes Restaurant und Hotel
Ich habe es nicht vergessen. Vor knapp drei Jahren bin ich zum ersten Mal im charmanten Restaurant und Hotel Vergissmeinnicht in Oberhof gewesen. Ich habe dort sehr gut gegessen. Besonders erinnere ich mich an einen Tomatensalat mit Molke-Dressing (sehr sommerlich, sehr cremig) und eine Wassermelone, die versucht hat, sich als Sashimi (roher Fisch) zu tarnen. Des Weiteren hat sich der von der Abendsonne durchflutete schicke Gastraum und ein kleiner Blick in eines der zwölf Hotelzimmer in mein Gedächtnis gebrannt. „Hierhin möchte ich mal einen kleinen Wochenendtrip machen“, dachte ich. Das hat jetzt zugegebenermaßen länger gedauert, als ich geplant hatte, doch umso mehr möchte ich euch ans Herz legen, diesen netten Ort mit dem blauen Blümchen als Maskottchen vielleicht nicht erst in drei Jahren zu besuchen.
Kulinarische Traditionen in Thüringen
Ich beginne mal so: Wer keine Lust auf Kloß, Soße und Fleisch hat, der hat es im Thüringer Wald erfahrungsgemäß schwer. Und ganz ehrlich, es kann auch den besten Thüringer:innen passieren, dass sie mal etwas anderes essen möchten. Wer sowieso konsequent auf Fleisch verzichtet, der weiß mit Sicherheit, außer Klößen mit Pilzrahmsoße ist meist nicht viel zu erwarten. Vielleicht noch das tausendste „leichte Gemüsecurry“ (was wohl eher Rentner:innen auf dem Gesundheitstrip anspricht als Genusssüchtige mit ökologischem Gewissen).
Nicht so im Vergissmeinnicht. Hier wird der Kloß vergeblich gesucht (ich liebe Klöße, bitte nicht falsch verstehen), dafür werden aber allerlei andere schöne Dinge gefunden. Zum Beispiel geräucherte Aubergine mit Tahini, Tomaten mit Labneh oder Tagliatelle mit Steinpilzen. Aber ich möchte das Restaurant überhaupt nicht ausschließlich für fleischfreies Essen an[1]preisen. Von Rhöner Schinken vom Wurstsommelier Wenzel aus Dermbach, über Steinbeißer in cremiger Spargelvelouté (mit exquisiten sauer eingelegten Spargelstücken), bis zur Ente aus der Rhön – es ist einfach eine gute und bunte Mischung, die hier angeboten wird. „Sexy kochen“, wird das vom Team des Restaurants genannt.
Appetitanregende Speisekarte
Das Ganze kann ausschließlich in Menüs von mindestens drei Gängen für 45 Euro erlebt werden. Wem das viel erscheint, dem empfehle ich, die Speisekarte zu lesen. Diese weist neben sehr albernen Namen für die Gerichte (von „An und Pfirsich“ bis „Wer Käse streut, wird Liebe ernten“) ausgesprochen appetitanregende Beschreibungen auf, die es schwer machen, sich „nur“ für drei Gänge zu entscheiden.
Begeisterung für Fermente und Eingelegtes
Dafür verantwortlich zeigt sich Küchenchef Andrei Paul, der gemeinsam mit Inhaber Martin regelmäßig an der Speisekarte tüftelt. Die beiden eint eine Begeisterung für Fermente und Eingelegtes. Im Frühling werden Bärlauchknospen sauer eingelegt und dienen dann als feine Ergänzung des Weiderind-Tatars. Wenig später werden Fichtensprossen gesammelt, dieein köstliches Eis aromatisieren, welches ein Heidelbeer-Dessert komplettiert.
Die Leidenschaft für selbst gemachtes zieht sich bis zum Frühstück durch: Rhabarberkompott, Mixed-Pickles, süße Franzbrötchen-Creme, diverse Streichcremes – das ist alles ganz fein und weit weg von langweiligem Standard. Dazu möchte ich noch die salatschüsselgroßen Kaffeetassen loben, die sicherlich helfen, wenn die Weinkarte am Vorabend allzu gründlich studiert wurde.
Angebot lädt zum Ausprobieren ein
Tatsächlich hat mir das Frühstück noch besser gefallen als das Abendessen. Es hat einfach Spaß gemacht, sich durch das Angebot zu testen und dabei die Morgenstimmung im Gastraum zu genießen. Ich liebe es ja auch, touristische Hotelzeitungen zu studieren, während ich meinen frischgepressten Orangensaft trinke. Da fühlt sich auch ein Kurztrip von nicht mal 24 Stunden direkt wie ein richtiger Urlaub an. Danach noch ein paar Stunden durch den Wald laufen und ich bin selig. Um das Frühstück genießen zu können, muss man übrigens kein Hotelgast sein. Wer also wirklich in Zeitnot ist, startet den sehr kurzen Trip in den Wald einfach mit einem Frühstück, wandert dann und kommt zum Abendessen zurück.
Ideales Ziel für einen Wochenendausflug
Und wie schläft es sich im Vergissmeinnicht? Auch durch die individuellen Zimmer zieht sich die liebevolle Gestaltung, die Martin und Steffi dem Vergissmeinnicht schenken. Seit 1990 in Familienbesitz, hat es das junge Paar geschafft, das Gasthaus sowohl vom Angebot als auch vom Ambiente in das aktuelle Jahrhundert zu holen. Es ist alles sehr schön. Von der Regendusche im Zimmer, bis zur beleuchteten Bar im Gastraum. Das alles macht das Vergissmeinnicht zu einem idealen Ziel für einen Wochenendausflug im Thüringer Wald. Bitte nicht vergessen, sondern hinfahren.
Hard Facts:
- Wo? Crawinkler Str. 10 | Oberhof
- Wann? Täglich von 8 bis 11 Uhr und ab 17 Uhr
- Mehr: www.haus-vergissmeinnicht.de
- Zur Homepage von „How to Gourmet“
- „How to Gourmet“ Instagram
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