Vor fünf Jahren sorgte die Punk-Band Feine Sahne Fischfilet mit dem Album „Sturm und Dreck“ für einen Hype ohnegleichen. Dann wurde es zumindest musikalisch still um die provokanten Punkrocker aus Mecklenburg-Vorpommern. Nun meldeten sich Feine Sahne Fischfilet mit neuem Gitarristen sowie dem Album „Alles glänzt“ zurück und waren über den Sommer schon mehrfach zu Gast in Thüringen. Etwa im Rahmen der Garagen-Konzerte in Helbedündorf im Kyffhäuser-Kreis oder zum Vierfach-Spontan-Konzert Anfang Juli nach der Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann zum Landrat in Sonneberg. Nun hat die Band ihre offizielle Tour verlängert und kommt am 8. Dezember in die Erfurter Messehalle. Wir haben uns mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarren-Novize Hauke Segert unterhalten.
Ist es für euch gerade derselbe Spirit wie vor fünf Jahren, als das Album „Sturm und Dreck“ herausgekommen ist?
Jan Gorkow: Es ist anders, wir haben ein halbes Jahrzehnt kein Album rausgebraucht. Und eineinhalb Jahre an dem Neuen gearbeitet. Wir finden das Album geil, aber man überlegt sich, holt das später die Leute ab? Kriegen die ein Gefühl für die Songs? Da waren und sind wir aufgeregt.
Blicken wir erstmal etwa vier Jahre zurück: Da war Feine Sahne Fischfilet zu Gast in Themar, spielte ein Soli-Konzert für 300 geladene Gäste. Damals sagte mir der ehemalige Gitarrist Christoph Sell in etwa: Die Pause ist für ein Jahr angesetzt und klar kann man mit einem neuen Album rechnen. Aber es ist viele passiert. Vier Jahre sind vorbei. Und Christoph Sell wie auch Trompeter Jacobus North sind nicht mehr Teil der Band.
Jan Gorkow: Naja, erstmal gab es ja Corona. Man hat sich mehr in Videokonferenzen gesehen als im Proberaum. Das hat alle Musiker überfordert und dass man da nicht gleich eine neue Platte schreibt, ist klar. Aber das war nicht der einzige Grund: Vor Corona war immer nur Rausch, da hieß es immer abliefern. Themar war eines der schönsten Konzerte. Zwischen Rock am Ring Hauptbühne vor 50.000 Menschen und 300 in so einem kleinen Schützenhaus. Eigentlich wollte ich an dem Tag etwas mit meiner Familie machen. Aber dann war wieder was … Und in dieser Pause war jetzt das erste Mal Ruhe. Das erste Mal Nachdenken. Ich glaube, da wurde uns klar, dass wir das einfach nicht hinbekommen. Dass wir menschlich und musikalisch nicht weiter zusammenarbeiten können. Nachdem das ausgesprochen war, war das für uns ein Befreiungsschlag. Auch wenn wir nicht wussten, wie macht man weiter. Aber die Sachen anzusprechen bei uns – und da kommst du ja nicht dazu, weil du ja immer nur im Abliefermodus bist, zwischen die Leute feiern dich und Morddrohungen – das war sehr wichtig.
(Hält kurz inne) In Themar zu spielen bedeutet, du hast danach 50 weitere Anfragen: „Warum spielt ihr denn nicht bei uns. Bei uns ist es doch genau so schlimm.“ Und du willst allen Leuten gerecht werden und willst auch helfen, aber irgendwann gehst du selbst kaputt. Songzeilen wie: „Ich hab Angst zu erfrieren, weil es jeden Tag brennt“, oder „Im Suff wetten wir, wer auf mehr Todeslisten steht“, habe ich ja nicht aus Netflix-Serien abgeschrieben. Das sind Sachen, die wir selbst erlebt haben. Wir schauspielern nicht irgendwas. Das ist das Wichtigste, authentisch zu bleiben.
Es gab auch anonyme Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Juristisch ist das mittlerweile als Verleumdung eingeordnet.
Jan Gorkow: Wir sagten das ja schon. Wir haben uns immer ansprechbar gezeigt. Wenn ich irgendwann in meinem Leben mal Scheiße gebaut habe, habe ich mich immer dafür gerade gemacht. Diese Leute, von denen die Anschuldigungen kamen, haben später auch verbreitet, dass ich irgendwelche Leute angezeigt hätte, dass ich Leute verklagt habe, dass ich 15.000 Euro von irgendwelchen Menschen bekommen hätte. Sie haben bewusst Lügen verbreitet. Wir versuchten mehrfach, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Dazu kam es aber nie. Ich glaube, nach einem Jahr sagen zu können, dass es den Leuten nicht um Aufklärung ging, sondern um Zerstörung. Das Album war daher für uns auch ein bisschen wie ein Lebenselixier – wenn man dachte, man kann nicht mehr am Album schreiben. Ich glaube, ich habe Musik noch nie so geliebt wie jetzt.
Wenn ich daraus etwas lernte – das ist jetzt keine neue Erkenntnis – dann, dass das Internet der dümmste Ort der Welt ist. Und ich war schon an vielen Orten. Jeder denkt immer, er oder sie ist Experte, weiß über alles Bescheid. Aber das Internet ist nicht der richtige Ort, um wichtige Themen differenziert zu betrachten. Davon muss man sich irgendwann auch losmachen. Und sagen, man spielt so Internet-Spiele nicht mehr mit. Zeilen wie „Wache auf – Handy an … Achterbahn“ geben solche Momente auf dem Album wieder. Mal ganz abgesehen von diesen Situationen, in denen du die Komme
Feine Sahne sind bekanntlich immer für einen Shit-Storm gut …
Jan Gorkow: Dafür stehen Zeilen wie „jeder, der halbwegs scheiße ist, kennt jetzt mein Gesicht“. Für mich gibt’s nicht mehr den Moment des Abschaltens, wenn ich aus der Haustür rausgehe. In keinem Moment. Das hat manchmal tolle Seiten, und manchmal einen hohen Preis. Daher auch Zeilen wie „ist es das wert oder nicht?“ Da schließt sich der Kreis. Wenn ich nicht glauben würde, dass wir eine Band sind, die zusammensteht, dann würde ich das alles nicht manchen. So Sachen wie: Wir spielen auf dem Plattenbau, machen Releaseparty wieder auf dem Dorf oder die Garagen-Konzerte. Das ist vielleicht auch der Spirit, den Du vorhin meintest. Und da müssen wir selbst erst wieder reinkommen. Haben wir diesen Spirit noch? Ist das authentisch? Können wir das Fühlen? Fühle ich das selbst? Find ich‘s selber geil?
Haben die anonymen Vorwürfe einen Image-Schaden hinterlassen?
Jan Gorkow: Bestimmt. Aber dann ist das halt so. Wir gehen immer mit Sachen um. Das Leben leben. Ich bin schon immer ein Mensch, der polarisiert. Ich glaube, ich habe noch nie davon gelebt, allen Leuten zu gefallen. Und wenn mich Leute jetzt scheiße finden, dann ist das so.
Ist „Angst zu erfrieren“ dafür auch ein Schlüsseltext?
Jan Gorkow: Klar, der Song ist allgemeingültig. Er ist auf gesellschaftspolitischer Ebene zu verstehen und auch auf persönlicher. Wenn die Linken etwas können, dann ist es, sich selbst zu zersetzen. Das können sie, vieles andere leider nicht. Ich war zum Glück nie ein Klischee-Linker. Deswegen machen wir ja solche Sachen wie Release-Party auf dem Dorf. Ich verachte es, wenn Leute in ihren Blasen sind. Können alle machen, wie sie wollen. Wir aber nicht. Immer raus, da wo’s dreckig ist, da wo’s stinkt. Da ist es oft ehrlicher. So eine Zeile wie „Lass uns schauen, was uns verbindet, und nicht was uns trennt“, das ist etwas, das glaube ich, viele Menschen aktuell fühlen. Gerade im Internetzeitalter, das auch dafür bekannt ist, dass sich Menschen moralisch erheben. Viele vermissen das: nach dem Verbindenden zu suchen. Das klingt vielleicht ein wenig Hippie-mäßig, aber wenn man mal aus dem Internet rausgeht, ist das etwas, das ganz viele Leute auch fühlen.
Schauen wir mal nach vorne. Das neue Album heißt „Alles glänzt“. Das ist sicher ironisch zu verstehen.
Jan Gorkow: Ja, klar. Das ist eine Persiflage, natürlich. „Frage mich, was noch echt ist, alles glänzt, dass mir schlecht wird.“ Da passt der Internet-Vergleich auch wieder gut. Ich finde es gut, dass es gesellschaftlichen Fortschritt gibt. Aber wenn ich dann ins Internet schaue und dort sind plötzlich alle ganz tolle Klimaaktivisten, Feministen … Und gegen Nazis waren sie sowieso alle schon immer. Alles gut und schön. Ich fühl‘s nur nicht. Ich habe das Gefühl, die Menschen wissen, wofür es Applaus gibt. Aber machen sie sich auch gerade, wenn’s weh tut? Wenn mal ein paar Fascho-Ochsen vor ihnen stehen?
Mit Hauke Segert habt ihr jetzt einen neuen Gitarristen. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Hauke Segert: Kennengelernt haben wir uns über den Feine-Sahne-Monitor-Sound-Mann, der ist ein guter Freund von mir. Als die Jungs einen neuen Gitarristen suchten, haben sie erst mal innerhalb der Crew rumgefragt – „kennt ihr jemanden?“ Und dann sprach er mich an. Eine Woche später haben wir ein paar Songs im Proberaum zusammengespielt, waren noch essen. Das war im September 2021. Seitdem hängen wir echt viel miteinander rum.
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Und dann entstanden gleich neue Songs? Oder waren die zuvor schon geschrieben?
Hauke Segert: Nein, das ganze Album ist mit uns fünf und dem Produzenten Philipp Hoppen entstanden. Als dann den Jungs und mir klar war, dass wir das zusammen versuchen wollen, haben wir sofort Wochen gebloggt und gesagt, jetzt proben wir. Und lernen uns kennen. Fahren in ein Ferienhaus und schauen, ob das passt. Da haben wir dann auch die ersten Songs geschrieben. Vier, fünf gleich in dem ersten Winter. Jan Gorkow: Wir haben noch nie so viel an Texten gearbeitet. Wir saßen entweder in meiner oder in Haukes Bude, sind immer wieder in die Texte rein gegangen. Umso mehr persönliche Sachen du von dir preisgibst, umso mehr werden das Menschen auch gegen dich verwenden. Aber es berührt Menschen eben auch. Jedes Lied haben wir selbst erlebt.
Was war das erste gemeinsame Konzert?
Jan Gorkow: Köln? Hauke Segert: Wir hatten zuvor eine kleine Club-Show in einem AJZ mit etwa 200 Freunden und Bekannten gespielt. Das nächste war dann mit den Toten Hosen gleich vor 30.000 Leuten in Köln.
Hard Facts:
- Feine Sahne Fischfilet in Thüringen: 8. Dezember 2023, Erfurt Messehalle
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