Bis zum 30. März läuft noch die Fastenzeit. Ein guter Anlass, einmal über das Essverhalten nachzudenken. Was passiert zum Beispiel mit dem Essen, das nicht gegessen oder gekauft wird? Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland im Jahr 2020 rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle auf dem Müll gelandet. Durch Einrichtungen wie die Tafel, Aktionen wie Containern und Apps wie „Too Good To Go“ wird davon schon einiges gerettet. Außerdem gibt es Initiativen wie das Netzwerk foodsharing.de, die dafür kämpfen, dass die Verschwendung weniger wird.
Lebensmittel vor dem Müll gerettet
Die Foodsharing-Bewegung begann 2012 in Deutschland und hat mittlerweile Ableger und Bezirke in der ganzen Welt. Nach eigenen Angaben hat man mittlerweile bereits über 140 Millionen Kilogramm Lebensmittel vor dem Müll gerettet. In Thüringen gibt es dreizehn Bezirke/Ortsgruppen. Neben den großen Städten Erfurt, Weimar, Gera und Jena sind auch Bad Liebenstein/Bad Salzungen, Rudolstadt, Eichsfeld West, Eisenach, Gotha, Hildburghausen, Nordhausen und Sömmerda vertreten. Wir haben uns den Bezirk Gera mal angeschaut. Die dortige Ortsgruppe entstand 2021, startete aber erst Ende 2022 so richtig durch. Geführt wird es von den FoodsharingBotschafter:innen Katharina, Christine und Josephin.
Foodsharer und Foodsaver
Die Botschafter:innen kümmern sich vor allem um Mitgliedergewinnung vor Ort. Zum anderen gibt es die Foodsharer und Foodsaver. Die Foodsharer stellen die Lebensmittel in sogenannten „Essenskörben“ auf dem Netzwerk online. Als Foodsaver gibt es etwas mehr zu beachten. „Diese retten die Lebensmittel direkt in den Betrieben und ‘fairteilen’ sie“, erklärt Botschafterin Christine. „Sie können auch bei der Ansprache von Betrieben dabei sein und sogenannte ‘Fairteiler’ betreuen“, sagt sie weiter.
Foodsharing ist keine Konkurrenz zur Tafel
Es werden Kontakte zu Betrieben und Verkaufsständen aufgebaut und sie kümmern sich um die Abholung. Denn so funktioniert das System. Gastro-Betriebe, Lebensmittelläden und Verkaufsstände stellen übrig gebliebene Lebensmittel zur Verfügung. Wichtig ist dabei aber zu erwähnen, dass foodsharing keine Konkurrenz zur Tafel ist. Diese wird dabei bevorzugt behandelt und alles was übrig ist, geht an foodsharing. „Die oberste Priorität ist immer, dass Speisen und Lebensmittel nicht weggeworfen oder verschwendet werden“, hebt Christine hervor. „Ob diese an finanziell schwächer gestellte Menschen oder Großverdiener gegeben werden, ist dabei völlig irrelevant.“
Drei Probeabholungen
Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herzustellen, müssen Foodsaver bei der Registrierung ein kleines Quiz ausfüllen und ein paar Unterlagen durcharbeiten. „Danach hat man drei Probeabholungen vor sich“, erklärt Christine. Zuletzt muss man sich mit dem Personalausweis verifizieren. Anschließend wird das Profil auf der Webseite freigeschaltet und man bekommt sogar einen Foodsaver-Ausweis. Als Foodsaver kann man dann im Laufe der Zeit auch zum Betriebsverantwortlichen oder Botschafter aufsteigen.
Fester Abholer Stamm
In Gera dauerte es eine Weile, bis sich ein fester Abholer Stamm entwickelte. „Unsere ersten Erfolge hatten wir dann auf dem Märchenmarkt Gera 2022. Bereits am ersten Abend gingen wir mit 24 Tüten Quarkbällchen heim“, erinnert sich Christine, „Dann folgten die ersten Betriebe, das Café Kanitz Gera und der fairpackt-Laden“. Beim Kanitz gibt es regelmäßige Abholungen in unterschiedlichem Ausmaß. „Hier gibt es meist fertige Speisen vom Brunch – vom Hauptgericht bis zum Dessert oder auch noch ungekochte Spätzle.“
Kämpfen gegen Essensverschwendung
Weitere Betriebe sind inzwischen dazu gekommen. Bei einem orientalischen Lebensmittelladen gibt es zum Beispiel viel Obst, Gemüse und Kräuter. Die Annahme durch die Betriebe fällt aber nach wie vor unterschiedlich aus. „Manche sind total begeistert und nehmen unsere Flyer. Manche wirtschaften schon sehr gut und rufen uns nur im ‚Notfall‘ an“, erzählt Christine, „Andere wiederum sind sehr kritisch und Lokal kämpfen gegen Essensverschwendung gehen erstmal auf Abstand.“ Manche sehen foodsharing sogar als Konkurrenz zur Tafel. „Die geretteten Lebensmittel und Speisen werden durch die Foodsaver selbst verteilt beziehungsweise verbraucht. Dies kann im privaten Umfeld sein oder an eine Institution (soziale und/oder gemeinnützige Einrichtungen) gehen.“ Ein Unterschied ist auch, dass foodsharing viele unverkaufte Lebensmittel auf Veranstaltungen abholt. Gera feiert viele Feste bei denen auch viel geschlemmt, aber nicht alles aufgebraucht wird. „Bei den Veranstaltungen retten wir dann alles, was nicht wegging – Handbrot, Quarkbällchen, Pfannen, Obstspieße und Co.“
Jeder kann mitmachen
In Gera steht auch noch mehr an sagt Christine: „Gerade sind wir dabei, einen sogenannten ‘Fairteiler’ in Gera aufzubauen.“ Das wird eine Art Schrank sein, bei dem man unabhängig von den Foodsavern nicht mehr benötigte Lebensmittel hineinstellen kann. „Dieser wird durch uns regelmäßig gesichtet, aufgeräumt und geputzt“, fügt sie an. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, die Verschwendung von Lebensmitteln zu bekämpfen. „Jeder kann mitmachen und Lebensmittel anbieten, retten, ‘fairteilen’ und bei der Verwaltung eines Bezirkes unterstützen.“ Insgesamt gibt es schon über 600.000 Foodsharer und 169.000 Foodsaver in Deutschland. Auch im Bezirk Gera steigt die Zahl. Im August 2023 waren hier 70 Mitglieder angemeldet.
Hard Facts:
- Karte mit allen Thüringer Foodsharing-Orten: https://foodsharing.de/karte