Im September zeigt die Natur noch einmal ihre ganze Pracht, bevor sie sich in sich zurückzieht und winterfest macht. Man kann das bei einem schweigenden Blick über ganze Landschaften beobachten, die bunt werden – oder im Kleinen an jeder einzelnen Pflanze nachvollziehen. Für diesen Blick auf die Schönheit kleiner, beinahe mikroskopischer Strukturen der Biologie sind sowohl Ernst Haeckel als auch Karl Blossfeldt berühmt geworden.
Die Schönheit der Natur bewundern
Ausstellungen in Jena beschäftigen sich in diesem Spätsommer mit ihnen. „Die Natur erzeugt in ihrem Schoße eine unerschöpfliche Fülle von wunderbaren Gestalten, durch deren Schönheit und Mannigfaltigkeit alle vom Menschen geschaffenen Kunstformen weitaus übertroffen werden“, schrieb Haeckel, der von 1861 bis zu seinem Tod vor 100 Jahren sogar in Jena lebte und lehrte. Für Haeckels evolutionsbiologischen Vorlesungen reisten Zuhörer damals von weit her nach Thüringen. Haeckels Bildband „Die Kunstformen der Natur“ war um 1900 ein Bestseller und wird bis heute viel bewundert.
„Heackel on stage“ noch bis 9. September
Voller Bewunderung für Haeckel ist derzeit auch eine Ausstellung im Jenaer Stadtmuseum: „Haeckel on stage“ bietet detailreiche Zeichnungen im Original und Einblicke in den Alltag eines prominenten Universalgelehrten. Sie ist vor allem für Besucher sehenswert, die nicht oft nach Jena kommen und nicht noch einmal ins Haeckel-Haus gehen können. Denn Haeckels ehemalige Villa ist heute Universitäts-Insitut und Museum – und momentan Baustelle. Nach der Sanierung wird dort wieder eine Dauerausstellung einziehen, sodass man Haeckels Naturzeichnungen und seinen Schreibtisch jederzeit in Jena besichtigen kann. Während Haeckel die Natur noch zeichnete, fotografierte Karl Blossfeldt sie schon: Bereits als junger Mann sammelte der 1865 in Sachsen- Anhalt geborene, später in Berlin lebende Foto-Pionier Botanica.
Bildergalerie: The Natural Cut
Die ästhetische Seite der Pflanzen
Mittels Makro-Fotografie versuchte er, sie so akkurat wie möglich in ihren Formen zu erfassen. Berühmt wurde Blossfeldt, der sich in seiner Arbeit explizit auch auf Haeckels „Kunstformen der Natur“ bezog, Ende der 1920er-Jahre. Seine Fotos bilden die Natur in ihren Symmetrien und Ornamenten aber eben nicht nur akkurat ab, sondern sie geben auf bestechend ästhetische Weise auch den Charakter einer Pflanze wieder: Da wäre etwa der Eisenhut (aconitum) – die Knospe scheint modern zu tanzen. Oder der orientalische Mohn (papaver orientale) – er wirkt wie ein großer, exotischer Kelch aus einer antiken Keramiksammlung. Haeckel und Blossfeldt haben seither viele Künstler inspiriert – darunter auch einen jungen Maler, Grafiker und Goldschmied namens Daniel Filipe Fraga Santos. Der 32-Jährige stammt aus der Nähe von Lissabon, lebt aber bereits seit einigen Jahren in Jena. Blossfeldts Fotografien haben Santos zu Linolschnitten inspiriert – in der stattlichen Größe von rund 40 mal 60 Zentimetern.
Limitierte Linoldrucke im Max-Planck-Institut
Ab dem 30. September nun werden seine Bilder an einem Ort zu sehen sein, an dem naturwissenschaftlich
geforscht wird: Im Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. Santos‘ Werke sind aber nicht nur Linolschnitt-Interpretationen von Blossfeldt-Fotos, sie erzählen jeweils ihre eigene Geschichte: Da wäre zum Beispiel Sabine (serratula multicaulis) – die kleine Blüte der heute selten gewordenen Scharte wächst unter dem Schutz einer Größeren heran. Oder Marcio (taraxacum offi cinale) – der Löwenzahn reckt sich stolz im Übergangsstadium zwischen Blüte und Flugschirmen. Für Johannes (ruta graveolens) sollte es eine kleine Blüte der Gartenraute in Nahaufnahme sein. Somit haben die über Jahre entstandenen Pflanzenbilder für Santos, der in Deutschland nicht nur als Goldschmied und Bildender Künstler arbeitet, sondern auch Grundschüler in einer bilingualen Jenaer Schule betreut, eine große persönliche Bedeutung. Er bat Menschen, die ihm nahestanden, darum, sich eine Pflanze aus dem umfangreichen Oeuvre Blossfeldts auszusuchen. Die entstandenen Linoldrucke sind übrigens streng limitiert – und die Erstabzüge bereits vergeben. An Sabine, Marcio und Johannes, versteht sich.
Hard Facts:
„Heackel on stage“
- Wo? Stadtmuseum Jena, Markt 7
- Wann? noch bis 8. September
- Website
The Natural Cut
- Wo? Max-blanck-Institut für Chemische Ökologie Jena, Hans-Knöll-Straße 8
- Wann? ab 30. September
- Website
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