Thüringer Talente – wir porträtieren Monat für Monat Thüringer mit einem besonderen Talent.
Im Gespräch mit Anja Feßer, Fotografin und Inhaberin von „Hellbunt Fotografie“
Wenn man die 33-jährige Erfurterin betrachtet, würde man ein temperamentvolles und lautes Wesen erwarten. Feuerrote Haare umrahmen ihre zarten Gesichtszüge und aufmerksame, braungrüne Augen schauen unter dem langen Pony hervor. Und eine starke Persönlichkeit steckt tatsächlich hinter diesem Look – aber eben keine laute und vereinnahmende. Sondern eine sanfte und achtgebende. Eine Eigenschaft, die ihr in ihrem Beruf als Hochzeitsfotografin sehr nützlich ist, wie sich im Laufe unseres Gesprächs noch zeigen wird.
Doch, wie wird man Hochzeitsfotograf?
Wie nach Rom, führen auch dorthin viele Wege. Gerade und verschlungene. Anja „wählte“ letzteren. Noch eher wählte wohl der Weg sie:
Hineingeboren in eine liebevolle Familie, die sich für ihre Kinder vor allem eins wünscht: festen Boden unter den Füßen. Seit sie denken kann, packte sie Emotionen in Bilder. Zunächst durch Zeichnungen und Malerei, später musste auch die Kompaktkamera der Eltern herhalten.
Wenn man schon früh merkt, dass man sehr kreativ ist, dann kann der elterliche Wunsch nach Bodenständigkeit schnell zum Spagat werden. Dennoch versuchte Anja die Brücke zu schlagen und machte ihr Fachabitur für Gestaltung mit dem Wahlpflichtfach Fotografie. Es schloss sich eine Ausbildung zur Werbekauffrau in einer renommierten Werbeagentur an. Bereits in dieser Zeit wuchs Anjas Liebe zur Fotografie immer mehr. So sehr, dass auch „Papas“ Herz erweicht wurde: Er schenkte ihr die erste eigene Kamera, eine analoge Spiegelreflex.
Auch mit dem beruflichen Wechsel zum Messebau und der parallelen Weiterbildung zur Kommunikationsfachwirtin riss diese Leidenschaft nicht ab. Schon damals fotografierte sie nebenbei Hochzeiten, jetzt auch mit der ersten digitalen Kamera.
Der Flug aus dem Hamsterrad
Die Verantwortung im Job, die stetige Weiterbildung und die Freizeit verplant: Anja steckte in einem Hamsterrad, das sich immer schneller drehte. „Ich bin jahrelang den falschen Weg gegangen und habe nicht auf meinen Körper gehört.“ sagt die gebürtige Erfurterin heute rückblickend.
Die Konsequenz war seelische und körperliche Erschöpfung. „Damals habe ich entschieden, dass es Zeit wird, mein eigenes Ding zu machen. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss selbst etwas in Bewegung setzen. Ich wollte Spaß am Leben. Endlich hatte ich den Mut den Schritt zu gehen und bin froh, dass mich Freunde damals darin bestärkt haben!“.
Ein Jahr lang nahm sie sich Zeit für sich. Sie erstellte einen Business Plan, widmete sich intensiv dem „learning by doing“ – fotografierte Freunde. Ihre Qualität sprach sich herum und so machte sie 2012 ihre Berufung zum Beruf.
„Hellbunt Fotografie“ war geboren.
Der Name steht vor allem für den Stil ihrer Bilder, in dem sich immer auch ihr Wesen widerspiegelt: Ihre Bilder sind nicht düster. Sie sind lichterfüllt und farbenfroh.
Sie stehen für die zarten und gefühlsintensiven Momente im Leben. Momente, die besonders bei Hochzeiten in hoher Konzentration vorkommen. Nicht umsonst ist die Hochzeitsfotografie deshalb der Kern ihrer Arbeit geworden.
„Mich in die Gefühle von Menschen hineinzuversetzen, den Augenblick zu spüren und ihn einzufangen – das ist es, was ich liebe.“ Anja freut sich auf den Tag der Hochzeit oft ebenso, wie Braut und Bräutigam selbst. Denn jedes Paar lernt sie vorher persönlich kennen. „Mir ist wichtig, dass die Chemie stimmt. Das Gefühl füreinander muss da sein. Nur dann werden die Bilder auch wirklich authentisch.“
40 bis 50 Stunden Arbeit sind keine Seltenheit
Oft sind es ganze Hochzeitsreportagen, für die sie unterwegs ist. Vom „Getting Ready“, über den „First Look“ bis hin zur Trauung und der anschließenden Feier – oft ist sie mehr als 12 h auf den Beinen. Die anfangs erwähnte „leise Persönlichkeit“ ist hier eine dankbare Eigenschaft: „Ich bin oft „undercover“ unterwegs. Ich will den echten Moment einfangen und keine gestellten Stimmungen. Ich rücke den Leuten nicht auf die Pelle, ich möchte, dass sie sich wohlfühlen. Natürlichkeit ist mir wichtig.“
Wie eine Elfe bewegt sie sich durch die Feierlichkeiten und nutzt ihre ausgeprägte subtile Wahrnehmung, um die kleinen und großen Augenblicke fest zu halten. So entstehen „heimlich, still und leise“ bis zu 1.000 Bilder am schönsten Tag des Paares. Manchmal mehr. Wer glaubt, dass die Arbeit eines Fotografen dann getan ist, irrt.
Jedes Bild wird gesichtet. Um die 300 sucht Anja aus und bearbeitet jedes einzelne – dezent, aber bis zur Perfektion. Mehr als 30 weitere Arbeitsstunden kommen so mindestens noch hinzu – oft in nächtelangen Sitzungen.
Auch wenn man nicht auf jeder Hochzeit tanzen kann, so doch auf sehr vielen; der Sommer ist schon fast durchgängig verplant. Wenn keine Hochzeitssaison ist, dann stehen Portraits, Businessshootings, Familienreportagen und Baby(bauch)shootings auf dem Plan.
„Ich mag es, Menschen in ihrem Wohlfühlumfeld zu fotografieren. Studiofotos liegen mir nicht so sehr.“
Leidenschaft in Beruf und Hobby
Und was macht jemand, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat, jetzt in seiner Freizeit?
„Fotografieren!“ lacht Anja. „Nein, im Ernst. Meine andere Leidenschaft ist Musik. Wenn ich diese beiden zusammen bringen kann, bin ich glücklich.“
Besonders die kleinen, fast intimen Konzerte wie in der Franz Mehlhose haben es ihr angetan. Auf der Facebookseite Ton.in.Ton kann man die Ergebnisse bewundern.
Ob sie es je bereut hat, sich selbstständig gemacht zu haben?
„Nein. Ich bin kein 9 to 5 Büro-Mensch. Während der Jahre habe ich gelernt auf mein Gefühl zu hören und das sagt mir nach wie vor: das was du gerade machst, ist richtig. Ich wachse langsam, aber nachhaltig, überstürze nichts. Ich bin ein Mensch für Gefühle, nicht für Zahlen. Man sollte das Leben in all seinen Facetten genießen und sich auch Pausen gönnen. Für mich ist das Frühjahr die Zeit, in der ich auftanke. Die Welt und fremde Kulturen auf Reisen entdecke. Und das wichtigste: ich habe meine Zukunftsängste losgelassen.“
www.hellbunt-fotografie.de und bei Facebook und Instagram
.. und auf zahlreichen Hochzeiten. Vielleicht seid ihr als Gast auf einer? Haltet die Augen offen!