Wir versuchen von den noch älteren Säcken zu lernen und kopieren hemmungslos Beats und Riffs – Radio Havanna im Interview
Im April startet die „Utopia Tour 2018“ der Band Radio Havanna. Am 27.04.2018 sind die Jungs in Jena zu Gast. Bassist Oliver verriet mir im Vorfeld unter anderem, warum sich die Band besonders auf Konzerte in Thüringen freut und was es mit Ihrer Kampagne „Faust Hoch“ auf sich hat.
Eure Songs sind eine Mischung aus Punk und Pop mit deutschsprachigen, oft politischen Texten. Wo liegen Eure Inspirationen für die Songs?
Es war nie unser Ding, über Belanglosigkeiten zu singen. Texte spielen für uns eine riesige Rolle und wir wollen, dass sich unsere Fans zu 100% in den Songs wiederfinden. Deshalb singen wir auf Deutsch und über Themen, die uns wirklich bewegen: Uns wütend oder traurig machen (oft), uns freuen oder zum Lachen bringen (weniger oft), oder übers Saufen (oft). Was die Musik betrifft: Wir hören selbst viel Musik und du kannst uns jeden zweiten Tag auf einem anderen Konzert in Berlin treffen. Und das quer durch die Genres. Wobei, ein leichtes Übergewicht zugunsten von Punkrock gibt es wahrscheinlich schon. Und dann versuchen wir eben, von den noch älteren Säcken zu lernen und kopieren hemmungslos Beats und Riffs.
Mit „Dynamit Records“ habt ihr erst kürzlich Euer eigenes Plattenlabel gegründet, auf dem auch Euer aktuelles Album „Utopia“ erschien. Warum habt ihr Euch für ein eigenes Label entschieden?
Wir haben in der Entstehungsphase von Utopia mit einigen Labels gesprochen, aber mit keinem zusammengefunden. Ein größeres Label wollte die Platte zum Beispiel erst rausbringen. Dann haben wir den Label-Leuten das Ergebnis vorgespielt und sie haben uns abgesagt: Unsere Texte gegen Homophobie, die AfD und Pegida waren ihnen zu explizit politisch. Das muss man sich mal vorstellen! Aber wir machen ja auch nicht erst seit gestern Musik. Also haben wir Dynamit Records gestartet. Rückblickend war das eine sehr gute Entscheidung, denn das Album ist besser gelaufen als alle fünf Alben davor.
„Faust hoch“ heißt ein Lied auf eurem aktuellen Album und gleichzeitig Eure Kampagne, die sich gegen den Rechtspopulismus in Deutschland engagiert. Der Support durch andere Bands ist sehr groß – hättet ihr damit gerechnet?
Ehrlich gesagt – nein. Vor der Bundestagswahl war es uns einfach ein Bedürfnis, uns deutlich gegen Rassismus, Hass und Ausgrenzung auszusprechen. Und wir dachten, wir fragen einfach noch ein paar befreundete Bands, ob sie mitmachen und das Statement auch unterzeichnen wollen. Aber was dann auf uns zugerollt kam, damit hat keiner von uns gerechnet: Zeitweise kamen wir zu viert nicht damit hinterher, alle Mails und Facebook-Nachrichten zu beantworten. Hunderte Bands und Menschen wollten unterzeichnen und deutlich machen: Die AfD bedroht die Freiheit von jedem Einzelnen von uns und das können wir nicht hinnehmen. Das war wirklich überwältigend!
In den 16 Jahren, die ihr mittlerweile als Band zusammen unterwegs seid, gibt es doch sicher besondere Momente oder Situationen, an die ihr Euch gern erinnert?
An Highlights hat es in dieser Zeit auf jeden Fall nicht gefehlt. Und uns war auch nie langweilig. Unsere Touren in den USA und Brasilien waren unvergesslich und auf jeden Fall nichts für schwache Nerven. Gerade vor sechs Wochen haben wir unser 500. Konzert in Berlin gespielt und das Lido, ein riesen Laden, war ausverkauft! Wir haben mit vielen Bands zusammengespielt, die wir als Jugendliche vergöttert haben. Für alle diese Dinge sind wir sehr dankbar und wir wissen, dass es ein unschätzbares Privileg ist, durch die Musik so viele großartige Leute an den spannendsten Orten der Erde kennenzulernen.
Eure Band habt ihr in Suhl gegründet – habt also quasi Eure Wurzeln in Thüringen. Freut ihr Euch daher ganz besonders auf die Konzerte in Thüringen?
Na klar, immer! Besonders weil wir wissen, dass es alternative Jugendkultur in Thüringen nicht immer leicht hat, sich gegen den Disco-Einheitsbrei durchzusetzen, sind wir sehr froh zu sehen, wenn sich Konzertläden und Festivals über die Jahre etablieren können. Wie zum Beispiel das Rock am Berg-Festival in Merkers. Oder das wunderbare Kassblanca in Jena, in dem wir im April endlich mal wieder zu Gast sind!
Magst Du mir zum Schluss ein paar Pläne für die Zukunft verraten? Was steht außer der „Utopia“-Tour dieses Jahr an?
Wir wollen dieses Jahr unsere Faust Hoch-Kampagne weiter voranbringen und bekannter machen, denn offenbar wird das Problem mit dem Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit ja gerade nicht kleiner und wir sehen die Gefahr, dass wir uns alle schrittweise daran gewöhnen und uns deshalb immer weniger über das empören, was eigentlich empörend ist. Ansonsten ist Tour auf jeden Fall das richtige Stichwort! Nach den Clubkonzerten im April ist bekanntlich schon wieder Festivalzeit – und die verbringen wir natürlich auch wieder auf der Autobahn und in der glühenden Sonne. Zum Beispiel dieses Jahr beim Highfield Festival bei Leipzig.
Fotos: Viktor Schanz
27. April, 20 Uhr
Kassablanca Jena