Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit den Geschäftsführern von „Erfurt Mitte“
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Hardy Karius und Holger Kämmer. Die beiden sind die Geschäftsführer vom Geschenkeladen „Erfurt Mitte“. Hier werden sämtliche Erfurter Originale zum Mitnehmen, Verschenken und Gernhaben angeboten.
Wie ist jetzt bei euch die aktuelle Lage?
Wir haben seit 4. Mai wieder geöffnet, worüber wir uns zunächst natürlich gefreut haben. Aber fehlende Umsätze machen allen das Leben schwer, das geht nicht nur uns so. Im Moment fahren wir auf Sicht und bewerten die Lage immer wieder neu. Hinzu kommt eine fette Baustelle auf dem Benediktplatz und direkt vor unserer Tür, die wohl noch bis Ende des Jahres ordentlich Presslufthammer-Beats in die Luft feuert.
Habt ihr Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Wir haben unseren Laden im November 2018 eröffnet, weil wir den Erfurtern und Gästen unsere einzigartige Stadt quasi
„to go“ präsentieren wollten. Mit unserer Werbeagentur haben wir viele Designs und Konzepte selbst entworfen. Wir hatten ein tolles erstes Jahr und ein gigantisches Feedback. Im Moment macht uns der fehlende Tourismus und die Zurückhaltung der Menschen zu schaffen. Gesundheitlich haben wir keine Angst, wir achten sehr bewusst auf uns, die Mitarbeiter und unsere Kunden. Wirtschaftlich ist es aktuell ein Zuschussgeschäft und wir hoffen, dass wir die Krise meistern.
Gibt es eine Notlösung, um weiterhin Geld einzunehmen? Habt ihr Aktionen geplant?
Wir haben unsere Produkte online angeboten. Das wurde vor allem von den Stammkunden sehr gut angenommen und wir überlegen, unser Onlinegeschäft weiter auszubauen. Das kann natürlich nicht die fehlenden Touristen ersetzen. Die sehen unseren Laden, kommen rein, freuen sich und gehen in der Regel ganz glücklich wieder raus. Früher haben wir Süssigkeiten an die Kunden verteilt, heute ist es Desinfektionsspray.
Könnt ihr überhaupt kostendeckend arbeiten, wenn ihr unter Corona-Bedingungen wieder öffnet?
Zum jetzigen Zeitpunkt arbeiten wir nicht kostendeckend. Dazu fehlen einfach die Menschen in der Innenstadt und wir registrieren eine gewisse Kaufzurückhaltung.
Müsst ihr weiterhin die volle Miete für den Laden zahlen oder gibt es einen Erlass? Wie wird mit den Mitarbeitern weiterhin verfahren? Welche Posten müsst ihr weiterhin tragen?
Bei der Miete ist uns unser Vermieter für die ersten zwei Monate glücklicherweise entgegengekommen. Der fand unser Konzept von Anfang an so gut, dass er uns toll unterstützt hat. Er wollte für diesen Standort partout keinen Handyladen, kein Nagelstudio oder gar einen MC Donalds haben, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Mal sehen, wie es da weiter geht. Unsere Mitarbeiter sind derzeit sechs Stunden täglich im Laden, der Rest ist erstmal Kurzarbeit. Die wollen aber unbedingt, dass es bei uns noch lange weiter geht, da sind wir ganz froh drüber.
Bekommt ihr von außen Hilfe/Förderung?
Wir haben die Hilfen von Land und Bund bekommen.
Habt ihr Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Akzeptanz ist ein Anfang. Gerade vielen Erfurter Gastronomen geht es noch schlechter. Letztendlich läuft es nur zusammen, als Laden, als Team, als Stadt, als Gemeinschaft. Einkaufen vor Ort, Lieferdienste nutzen, Ideen entwickeln – das ist unser Credo.
Was würdet ihr euch jetzt konkret wünschen?
Unser konkreter Wunsch ist, dass auch ein Teil der Arbeitszeit über das Kurzarbeitergeld abgedeckt wird. Bei den aktuellen Umsätzen können wir solange nicht zur normalen Beschäftigung zurückkehren, wie es Einschränkungen gibt. Es wäre für alle besser, wenn die Unterstützung nicht in den Stillstand fließt, wie es beim Kurzarbeitergeld der Fall ist, sondern in konkrete Beschäftigung. Das würde viele der kleinen feinen Erfurter Geschäfte erhalten, Mitarbeitern und Selbstständigen eine echte Perspektive bieten und für alle mal das Licht am Ende des Tunnels anknipsen.
Wie soll es nach der Krise für euch und euer Geschäft weitergehen?
Wir wollen weiter Souvenirs und Geschenke kreieren, die unserer schönen Stadt würdig sind und Erfurt in die Welt hinaus tragen.
Denkt ihr, das alles kann etwas Positives bringen?
Die Besinnung auf den regionalen Handel, auf die Dinge, die unsere Stadt so besonders machen, die es nur hier gibt. Die kleinen Läden in den Erfurter Gassen, auf der Krämerbrücke oder der Langen Brücke, die Dinge anbieten, die man nicht in jedem Einkaufscenter kaufen kann. Die einzigartigen Gastrokonzepte, Kunst & Kultur, die wir oft viel zu wenig wertschätzen und als selbstverständlich erachten, das alles kann wieder in die Köpfe der Menschen vordringen.
Gibt es noch etwas, dass ihr sagen wollt? Liegt euch noch etwas auf dem Herzen?
Wir sollten in Erfurt viel weniger nölen, in der Zukunft leben, nicht in der Vergangenheit, unserer Stadt mit Stolz begegnen und uns auf Events, wie die BUGA freuen, die Menschen aus aller Welt in unsere schöne Heimatstadt bringen. Wir sollten unsere Stadt wieder mehr zu schätzen wissen, so, wie es viele Gäste tun. Die kleinen persönlichen Dinge tragen viel mehr zu einer Gemeinschaft bei, als globale Kommerzmaschinen, die aus Einsen und Nullen bestehen. Es geht um den Platz, an dem wir leben und der ist alles andere als selbstverständlich.