Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Erfurter Autor Frederic Schulz
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Frederic Schulz. Er ist der Autor des Buches „Eugen“. Zudem ist er einer der drei Gründer der „Aktionsgruppe Eskapismus“- ein aktives Netzwerk für Thüringer und Nichtthüringer Künstler.
Wie hat sich der Kultur-Shutdown auf dich und deine Arbeit ausgewirkt?
Mein Erstlingswerk „Eugen“ kam sieben oder zehn Tage bevor der Shutdown kam raus, wo dann alle Läden geschlossen waren, alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Die ganze Tour-Planung hat nicht mehr funktioniert und alles wurde in den digitalen Raum verfrachtet. Ich persönlich, kann nicht so gut damit leben, dass Literatur nun digital funktioniert. Das tut’s für mich nicht ganz. Richtig zum Leben kommt Literatur für mich erst durch die Begegnung und Präsenz.
Du hattest dadurch sicher viele Ausfälle. Welche Kosten musst du trotz Shutdown weiterhin tragen?
Ich muss die Kosten in diesem Sinne nicht weiter tragen, aber es kommen natürlich keine Einnahmen rein, die die zuvor entstandenen Kosten wieder aufwiegen können. Es wäre definitiv anders gelaufen, wenn man das Buch hätte anders promoten können. Das sind so Kleinigkeiten, wie du druckst 500 Postkarten und du kannst die nirgendwo auslegen. Das ist völlig sinnlose Ware in dem Moment.
Gibt es einen Notplan? Hast du Aktionen geplant oder schon verwirklicht?
Es gab zum Beispiel im Klanggerüst eine Lesung. Also eine Live-Übertragung. Aber ich muss echt sagen, ich habe auch erst überlegt solche Dinge zu streamen, aber es gab so einen heftigen Run von Leuten, die ihr iPhone hingestellt und gesagt haben: „So Leute, ich lese euch mal was vor.“ Ich habe mich gefragt, wer hört sich das an? Teilweise in launiger Qualität.
Bekommst du von außen Hilfe?
Ich habe keine Förderung beantragt und habe auch nicht den Anspruch darauf, glaube ich. Als freier Autor ist es sehr, sehr schwierig, weil ich in diesem Sinne keine Gewerbe bin oder sowas. Ich bin auch nicht in der Künstlersozialkasse. Ich glaube, den meisten Autoren geht es so, dass sich diese Tätigkeit immer am Rande der eigenen Existenz bewegen muss. Das wird auch nie richtig für voll genommen. Keiner sagt: „Nimm dir mal drei Wochen frei und schreib dein Buch zu Ende.“
Was sollte jetzt getan werden, um Kreativen wie dir zu helfen?
Ich komm mal mit einer Vision. Die hat natürlich nichts mit der Realität zu tun. Wenn ich mir anschaue, dass jetzt jeder diskutiert, ob die Abwrackprämie wieder eingeführt werden soll, um den Porsche oder den SUV zu subventionieren. Was ich eine ganz gute Idee fände – das hatten die Grünen mal ins Gespräch gebracht – wären Konsum-Gutscheine. Am tollsten wäre so eine Art Kulturpauschale. Jeder Bürger bekommt beispielsweise zwanzig Euro und muss diese im Museumsshop lassen oder nutzt diese als Anzahlung für eine Grafik oder sowas. Das würde den Markt beleben, denke ich. Es gibt so viele Kaufanreize und Steuervergünstigungen, aber für den Kulturbereich gibt es das eigentlich nie.
Ist für dich Zeit frei geworden und wenn ja, wie nutzt du diese?
Ich habe das Gefühl, die Zeit ist nicht wirklich frei geworden. Ich glaube, in den ersten Wochen – und so erging es vielen – hat man vor den News-Tickern gesessen, sich informiert und geschaut, was passiert hier auf der Welt. Vielleicht hat man anfangs insofern Zeit gehabt, dass man sich gesagt hat: Jetzt könnte ein schöner Cut entstehen und danach ist vielleicht vieles anders. Und viele besinnen sich vielleicht wieder darauf, was wirklich zählt im Leben. Aber leider haben auch viele Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, Rechte und Aluhut-Träger die Zeit genutzt, um ihre kranke Weltsicht und Verschwörungsmanier komplett auszuleben. Selbst bei so etwas banalem, wie dem Infektionsschutz-Gesetz. Ich hatte auch deswegen nicht viel Zeit, weil ich viel darüber reflektiert habe, was das mit einem selbst und anderen macht.
Ich habe aber auch viele tiefe Freundschaften gepflegt. Das ging auch mit Distanz. Man hat sich auf den „inner circle“ besonnen. Hat aber gleichzeitig wieder Lust auf neue Leute bekommen. Das ist ambivalent gewesen. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: ich habe kein einziges Buch zu Ende gelesen und keine Serie zu Ende schauen können.
Weißt du schon, wie es nach der Krise für dich weitergehen wird?
Nein, gar nicht, weil man eben noch gar nicht sagen kann, wie die Veranstaltungsperspektive sich entwickeln wird. Ich habe auch ehrlich gesagt, keine Lust Lesungen zu machen, bei denen die Leute auf Abstand sind. Das ist alles gut und wichtig, aber für mich ist das nicht die Stimmung, bei der man gern zusammen kommt. Es gehört zu so einem kulturellen Happening auch dazu, dass man sich irgendwie nahe kommt. Das soll so auch sein. Ich würde einfach warten, bis wir totale Klarheit haben. Man kann die Zeit nutzen, um beispielsweise neue Projekte in Stellung zu bringen.
Gibt es schon neue Projekte, an denen du arbeitest?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt ein Projekt und zwar eine Kurzgeschichten-Sammlung über Menschen, denen -kurz bevor das gute Ende naht – noch alles durch die Lappen geht und sie trotzdem noch scheitern. Ich hatte vor kurzem eine Episode über das Kriegsende gelesen und das hat mich sehr mitgenommen. Da hat es einen Typen vor Kriegsende doch noch dahingerafft. Das ist, glaube ich, auch eine Verarbeitung dessen, was gerade stattfindet. Der Tod ist zurückgekommen in unsere Gesellschaft. Der war Jahrzehnte lang weg und aus dem Alltag verschwunden. Mein Horror war immer, dass ich Corona überlebe und dann von der Straßenbahn überfahren werde. Oder ich rutsche auf dem frisch gewischten Boden aus, hab aber vorher in der Corona-Zeit alles richtig gemacht.
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Es ist schwierig. Ich glaube, für Menschen, die Lust an der Reflexion haben, bringt es viel Positives. Da war eine schöne Blaupause für gute Ideen und Gedanken. Es gibt so viele tolle Sachen, die man machen könnte, wie das Grundeinkommen, mit dem Wachstumsparadigma brechen und mal über etwas anderes reden, als dieses ständige Verteidigen gegen rechte Provokationen.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Wir müssen uns ein bisschen in Stellung bringen, um eine wirklich bessere Welt zu erschaffen. Und deswegen sollten wir jetzt noch ein bisschen Durchatmen, die Füße ein wenig still halten, um danach selbstbewusst und lebensfroh ins neue Jahr zu gehen.
Hard Facts:
- Schau mal auf seinem Instagram vorbei
- Mehr Informationen zur Aktionsgruppe Eskapismus findest du auf Facebook
- Hier findest du sein Buch „EUGEN“
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