In ganz Thüringen wird am 11. November wieder Martini begangen, Mit Laternen ziehen die Kleinen durch die Nacht. Es gibt Hefeteigmännchen und Martinsgans. Wir wollten mehr über das Fest erfahren und sprachen deshalb mit Christian Mende vom Kirchenkreis in Greiz über Tradition, Andacht und farbenfrohe Laternen.
Der Martinstag wird jährlich am 11. November von vielen christlichen Gemeinden gefeiert. Was bewegt die Kirchengemeinde Greiz dazu, in diesem Jahr ein Martinsfest zu veranstalten?
Vor allem die christliche Tradition, aber auch die Perspektive, Menschen auf diese Weise niederschwellig zu erreichen. Darüber hinaus wollen wir Akzente setzen und Impulse bieten, weshalb wir auch in diesem Jahr ein sehenswertes Martinsfest mit kreativen Neuerungen organisieren. Unser alljährliches Martinsspiel ändern wir auch dieses Mal leicht ab, die inhaltliche Botschaft bleibt trotzdem erhalten. Im letzten Jahr bestand die Besetzung des Schauspiels aus einem Bettler, einem Soldaten und Martin.
Der Soldat wollte Martin ausreden, seinen Mantel zu teilen und dem Bettler ein Stück davon zu spenden. Der Konflikt „Mach ich das, oder mache ich das nicht?“ stand dabei im Vordergrund. Beim diesjährigen Schauspiel wird ein wohlhabendes Ehepaar an dem Bettler vorbeiziehen und dessen Bitte nach Kleidung abfällig ablehnen, bevor Martin auf diesen trifft. Es soll eine Verbindung zu unserem heutigen gesellschaftlichen Miteinander hergestellt werden: Wie würden wir in dieser Situation reagieren? Identifizieren wir uns mit dem Ehepaar? Oder treten wir uneigennützig und hilfsbereit auf? Darauf liegt in diesem Jahr der Fokus.
Martinsandacht, Laternenumzug und Hefeteig-Männchen – der Martinstag hat ein vielfältiges Brauchtum zu bieten. Welche Veranstaltungen und Bräuche gibt es im Rahmen des Martinfests in Greiz?
Im Mittelpunkt steht die Martinsandacht mit dem traditionellen Martinsspiel. Anschließend ziehen wir mit den Familien und Kindern und ihren selbstgebastelten, farbenfrohen Laternen durch die düsteren Straßen. Natürlich singen wir während des Laternenumzugs schöne Martinslieder. Den Abschluss des Umzuges bildet das traditionelle Martinshörnchen-Teilen, was sich vor allem an die Kinder richtet. So, wie einst Sankt Martin seinen Mantel mit dem Bettler teilte, soll den Kindern das Teilen dabei ganz praktisch beigebracht werden.
Vor allem die lichterlohen Laternenumzüge sind ein weit verbreiteter Brauch zum Martinsfest. Verraten Sie uns, woher stammt dieser Brauch?
In den Martinsliedern heißt es immer wieder: „Das Licht in die Welt bringen“. Genau diese Funktion haben die Laternenumzüge – Ein Lichtblick für Menschen zu sein, denen es zurzeit nicht gut geht. Sie bedeuten auch, das Licht in die weite Welt hinauszutragen und mit den eigenen Taten die Welt zu einem hell erleuchteten Ort werden zu lassen. Im Matthäusevangelium steht dazu geschrieben: „Ihr seid das Licht der Welt.“ (Mt 5, 12). Diesen Worten sollen wir folgen, daran sollen wir uns orientieren und danach unser Denken und Handeln ausrichten.
Überwiegend Kinder ziehen am Martinstag mit farbenfrohen Laternen durch die düsteren Straßen und singen dabei Martinslieder. Wie nehmen die Kleinsten der Kirchengemeinde das Martinsfest ihrer Meinung nach wahr?
Das Martinsfest löst bei den Kleinen immer große Begeisterung aus. Sie basteln ihre eigenen Laternen, toben sich beim Martinsspiel schauspielerisch aus und ziehen bei dunkelster Nacht singend durch die Straßen. Das ist alles sehr aufregend für die Kinder, bereitet ihnen aber auch einen riesigen Spaß. Besonders ist zudem die Kulisse des Martinspiels. Wir veranstalten es alljährlich in unmittelbarer Nähe zum Unteren Schloss in Greiz. Das Schloss wurde auf historischen Steinfelsen erbautet und liefert uns im Zusammenspiel mit Scheinwerfen und Requisiten am Martinstag ein einzigartiges Gesamtbild. Jedes Jahr bestaunen die Kinder diese imposante Kulisse mit dem märchenhaften Schloss im Hintergrund.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie als Referent der Kirchengemeinde Greiz für Kinder und Jugendliche bezüglich des Martinfests aus der Gemeinde?
In Greiz ist das Martinsfest stets ökumenisch organisiert: Katholik:innen, Evangelikal:innen, aber auch Anhänger:innen freier Kirchen und anderer Gemeinden sind bei unseren Veranstaltungen herzlich willkommen und dazu eingeladen, das Fest gemeinsam zu gestalten. Diese Einladung nehmen auch viele Menschen wahr. Menschen unterschiedlicher Konfessionen bereiten das Fest vor, helfen währenddessen mit, oder gestalten es mit ihren individuellen Ideen.
Die Corona-Pandemie verdeutlichte unser konfessionsübergreifendes Miteinander noch einmal. Wie viele andere Veranstaltungen fand auch das Martinsfest wegen der Infektionsschutzauflagen nicht statt. Deshalb füllten wir kleine Tüten mit Süßigkeiten und übergaben diese den einzelnen Kirchengemeinden, die die Tüten an die Kinder verteilten. So versuchten wir, den Kindern den Charakter des Martinsfests auch in recht aussichtslosen Zeiten nahezubringen. Diese Aktion stärkte das Gemeinschaftsgefühl zwischen den Kirchengemeinden nachhaltig und wurde von den Menschen sehr positiv aufgenommen.
Die Geschichten des Martin von Tours lehren uns Barmherzigkeit, Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft. Was können wir aus diesen Geschichten auf unser gesellschaftliches Zusammenleben übertragen? Und Warum?
In erster Linie Altruismus, also Uneigennützigkeit, Umsichtigkeit, und eine durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handelsweise. Nicht darauf bedacht zu sein, etwas von anderen zurückzubekommen, sondern den anderen aus Herzensgrund heraus zu helfen. Eine humanistische Verhaltensweise an den Tag zu legen, die darauf abzielt, einem Menschen hilfsbereit zur Seite zu stehen und die eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen. Dazu gehört auch, für eine gute Tat keinen Dank, keine Ehrung oder sonstiges Lob zu erwarten, und stattdessen sogar einen Nachteil für die eigene Person in Kauf zu nehmen. Das kann ein abwertender Blick, ein unangebrachter Kommentar oder eine unrechtmäßige Anfeindung sein. Doch gerade mit Blick auf aktuelle Probleme in der Welt muss jede:r zu dem Schluss kommen: „Im Großen und Ganzen geht es uns recht gut.“ Wieso geben wir dann nicht auch den Menschen etwas von unserem Reichtum ab, die es am ehesten gebrauchen können. Das ist die zentrale Botschaft, die uns die Geschichten vom heiligen Martin lehren.
Die Kirchengemeinden befinden sich aktuell in einer Krise. Seit Jahren steigen die Austrittszahlen aus den Glaubensgemeinschaften. Wie blicken Sie auf die Bereitschaft zur Teilnahme am Martinsfest in den nächsten Jahren?
Die Bereitschaft nimmt auf keinen Fall ab. In den Kindergärten sind Sankt Martin, seine Geschichten und seine unmissverständliche Botschaft nach wie vor präsent. Das trägt eine schöne Perspektive in sich: Den Kindern wird Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft und Umsicht beigebracht. Es wird dort nicht nur vom solidarischen Gedanken gesprochen, er wird dort gelebt. Mit zunehmendem Alter rückt meiner Meinung nach dann nämlich der Neid anderen gegenüber in den Vordergrund. Dieser ursprüngliche gesellschaftsorientierte Gedanke verliert an Wert, bedingt von schulischen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Kinder.
Der eigene Blick richtet sich zwangsläufig auf die eigene Person, die eigenen Leistungen und die eigenen Vorteile. Das ist letztendlich ein vollkommen natürlicher, aber auch menschengemachter Prozess. Deswegen fällt es uns derartig schwer, Jugendliche für unsere Veranstaltungen und Angebote zu gewinnen. Kinder hingegen können wir jedes Jahr für das Martinsfest begeistern, was sich in den konstanten Teilnehmerzahlen der letzten Jahre widerspiegelt. Daher blicke ich optimistisch auf unser Martinsfest in den kommenden Jahren.
Hard Facts:
- Der Martinstag wird in Greiz am 13. November um 17.30 Uhr im Schlossgarten gefeiert.
- Die Besucher erwartet eine Andacht, ein Martinsspiel, Lieder und ganz viele Laternen.
Veranstaltungen am Vorabend zu Martini, 10.11.: - Erfurt: Startzeit – 16.30 Uhr | Startort: Domplatz
- Gera: Zeit – 17 Uhr | Ort: „Allerheiligen Kirche“ Frankenthal
- Weimar: Zeit – 16.15 Uhr | Ort: Herz-Jesu-Kirche Steubenstr. 37
- Nordhausen: Zeit – 17.30 Uhr | Ort: Blassikirchplatz
- Bad Langensalza: Zeit – 17 Uhr | Ort: Marktkirche
Veranstaltungen am Martinstag, 11.11.: - Mühlhausen: Zeit – 17 Uhr | Ort: Martinikirche
- Gera: Zeit: 16.30 Uhr | Ort: Katholische Kirche Otto-Rothe-Str.
- Jena: Zeit – 17.30 Uhr | Ort: Markus-Kirche Schaefferstr. 11
- An vielen weiteren Orten in Thüringen finden Festivitäten statt. Nähere Infos liefern die lokalen Kirchgemeinden.