Die Traumfresser sind die mit Sicherheit kontroverseste Band bei den local heroes Thüringen 2019. Mit tiefböser Satire, überspitzter Polemik und einer polarisierenden Bühnenshow wollen Izzy, Ryk und Spike ihr Publikum wachrütteln und thematisieren die Flüchtlingskrise und den entflammten Rechtspopulismus ebenso wie das kleingeistige Denken vieler Menschen. Wir sprachen mit der Band vor ihrem Gig bei den BahnhofBeats am 14. September darüber, wie Musik und Politik zusammenhängen und was wir von ihrem Auftritt erwarten können.
Ihr blickt bereits auf eine ordentliche Historie an Bandcontests zurück. Was macht für euch den Reiz an solchen Contests aus und wie profitiert ihr von der Teilnahme?
Izzy: Bei unseren ersten Contests war es uns in erster Linie wichtig, live vor Publikum zu spielen. Gerade als Band in ihren Anfängen können Bandcontests eine gute Schule sein, da man meistens sehr fundiertes Feedback von einer Jury erhält. Mal mehr, mal weniger. (zwinkert)
Ryk: Wir stellen außerdem gerne Leuten unsere Musik vor, welche uns noch nicht kennen. Diese Möglichkeit bekommst du bei einem Contest mit anderen Bands, die ihre Fans mitbringen, geboten. Musik kann man natürlich nicht objektiv bewerten, aber letztendlich geht es auch um den Spaß. Und den Sieg natürlich.
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Den Showcase bei den BahnhofBeats 2019, wo das Landesfinale der local heroes stattfinden wird, werdet ihr direkt vor dem Erfurter Hauptbahnhof spielen. Was macht diesen Ort für euch so besonders?
Ryk: Am Hauptbahnhof einer Landeshauptstadt zu spielen, bekommt nochmal seinen ganz eigenen Reiz. Du spielst vor einem großen Laufpublikum, welches gerade überhaupt nicht in der Verfassung ist, Musik zu hören. Schon gar nicht satirisch-sozialkritische Musik. Und was meinst du, wie die Leute reagieren, wenn sie völlig aus dem Kontext gerissen Dinge hören wie, „Die Syrer haben noch ihr Syrien! Aber wir haben bald keine Heimat mehr!“ – da bekommst du von allen Seiten einen auf den Deckel.
„Die Syrer haben doch ihr Syrien“ – das ist ja ein Satz, der in unserer aktuellen Zeit durchaus öffentlich gesagt wird, und zwar mit vollem Ernst. Wie schafft ihr als Satire-Band da die Abgrenzung, gerade wenn die Leute eure Musik vielleicht nur im Vorbeigehen hören?
Ryk: Im Vorbeigehen kann natürlich vieles verloren gehen. Darum haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Leute zum Stehenbleiben zu bewegen.
Spike: Sie sollen zur Abwechslung mal genauer hinhören und zwischen den Zeilen lesen. Dann bekommen sie die Überzeichnung in unseren Texten schon mit. Und wenn nicht, dann nicht. Wir können nicht jedem helfen. (hustet)
Traumfresser polarisieren
Was waren die prägnantesten Reaktionen, die ihr bislang auf Bühnenaussagen wie diese bekommen habt?
Izzy: Einmal empfing uns nach dem Konzert der Bassist der Vorband mit verschränkten Armen und meinte: „Das ist die größte Scheiße, die ich je gehört habe!“ Ein Jahr später gab es ein Wiedersehen und er hat seine Aussage revidiert.
Ryk: Oder auf einem Campusfest, da haben ein paar Damen mit Stinkefingern und „EKELHAFT!“-Rufen versucht, unsere Show zu sabotieren.
Spike: Ging natürlich nach hinten los, als Ryk sie auf die Bühne gebeten hat. Da fing die eine an, etwas Wirres zu stammeln.
Izzy: Und in Berlin bin ich nach einem kleinen Unplugged-Gig von einem Mann übel beschimpft worden, da er der Ansicht war, der Song „Alessio“ sei menschenverachtend und geschmacklos. Er erscheint übrigens am 23. August als Single.
Auch mal in Berlin zu treffen
Masken-Kabarett-Indie-Pop-Rap-Alternative – die Liste der Genrekonstellationen für euch als Band ist schier endlos. Wie wird das Ganze auf der local heroes-Bühne aussehen – was können wir erwarten?
Izzy: Ganz ehrlich? Erwartet alles und nichts. Von unseren Shows war bisher noch niemand enttäuscht, immer nur entweder fasziniert oder verärgert. Oder beides. Etwas anderes gibt es nicht.
Mit Sicherheit werden eure Fans eine tiefschwarz-satirische Show erwarten, die wenig Raum für heile Welt lässt – so wie es sich für echte Traumfresser gehört. Warum, denkt ihr, braucht es heute so überzeichnete, oftmals ins polemische gehende Mittel, wie sie ja auch die euch nahestehende Partei „Die PARTEI“ nutzt, um auf wichtige gesellschaftliche Themen aufmerksam zu machen?
Spike: Vielen Dank für diese Frage, wir hätten das ansonsten noch selbst angesprochen: Prinzipiell muss Kunst vor allem eines sein: Interessant. Aufregend! Du musst den Leuten mehr bieten, als nur einen schnuckligen Teenie Boy mit süßer Stimme und Gitarre. Zumindest, wenn du mehr in ihnen auslösen möchtest als feuchte Unterhosen.
Izzy: Genau und Kunst muss nicht gefallen. Sie muss wehtun, erschrecken, Grenzen überschreiten. Alles andere ist Andrea Berg. Schön zum Angucken und Zuhören. Aber was bleibt?
Sind Kunst und Politik für euch trennbar – oder gehören sie unweigerlich zusammen?
Ryk: Klar kann man von sich behaupten, man würde nur unterhalten wollen. Allerdings sehen wir die Kunst und die Musik in der Verantwortung, den Leuten die Augen zu öffnen, oder sie zumindest einmal zum Reflektieren und Nachdenken anzuregen. Wieso sollte man die Möglichkeit, vor vielen Leuten zu stehen, nicht auch mal für sinnvolle Dinge nutzen? Haltung zeigen ist wichtig, gerade, wenn unsere Freiheit in Gefahr ist.
Izzy: Oder unsere gute Milch. Wieso muss es SojaMILCH heißen? Das ist keine Milch! Ach ja: Erinnere mich bitte daran, nachher noch Scheuermilch zu kaufen.
Vorsicht heiß und brandaktuell! Hauptsache es geht ihm gut 😉
Mit welchem Gefühl und welchen Gedanken sollen die Besucher der BahnhofBeats nach Hause gehen, nachdem sie eure Show gesehen haben?
Izzy: Zum einen sollen sie unsere Musik kaufen und wiederkommen. Sie sollen am Ende des Tages aber auch in ihren Betten liegen und uns in ihrer Rekapitulation miteinschließen. Was habe ich da heute eigentlich gesehen und gehört? Haben die das ernst gemeint? Und wenn ja, warum nicht?
Was wollt ihr bei euren Hörer*innen gern auslösen?
Ryk: Wir wünschen uns, in ihnen Bewunderung, Scham und Mitleid auszulösen. Denn wir ziehen nicht nur dem Publikum den Spiegel vor den Latz, sondern auch uns selbst. Wir stehen zwar auf der Bühne und zeigen mit erhobenem Zeigefinger auf alles, was sich bewegt, aber auch wir sind nicht perfekt. Vielleicht fast.
Spike: Aber natürlich sollen die Leute auch Spaß haben. Wir vertrauen auf die Multitasking Fähigkeiten der Zuschauer*innen – nachdenken und tanzen.
Ihr arbeitet aktuell an einem Album – könnt ihr uns schon einen kleinen Spoiler geben, was die Traumfresser – Fans erwartet?
Izzy: Es wird musikalisch und thematisch bunter werden als wir uns das selber anfangs gedacht haben. Euch erwartet feiner Rock über Hip-Hop bis zum Pop-Schlager. Wir singen von Kannibalismus, Liebe, Überwachung, Umweltsch(m)utz und vieles mehr. Am 29. November ist es soweit. Wir sind schon ganz kribbelig. Man wird außerdem klar erkennen können, dass wir uns musikalisch und qualitativ weiter stark verbessert haben.
Um die Finanzierung des Albums habt ihr euch mit einem Crowdfunding bemüht. Welche Tipps habt ihr für andere junge Musiker*innen, die über diese Art der Finanzierung nachdenken?
Ryk: So ein Album ist natürlich sehr teuer! Startnext ist da eine super Möglichkeit an Kohle heranzukommen. Aber unterschätzt das nicht! Wir haben die Kampagne laaaaaangfristig geplant. Ihr müsst den Leuten richtig auf den Sack gehen und jeden Tag die Werbetrommel rühren. Von nix kommt ganz wenig! Oder manchmal auch gar nichts. Wir haben sogar Werbung über Tinder gemacht. Guckt, wie wir es gemacht haben, und der Erfolg sei mit euch. Das können wir unter Vorbehalt versprechen!
Traumfresser machen die Straßen unsicher
Bei der Crowdfundingaktion zu eurem Album habt ihr auch angeboten, für 100 Euro das Auto eurer Sponsor*innen zu putzen – natürlich in sexy Montur. Das wurde natürlich prompt einmal gebucht. Hat der*die Glückliche ihr Auto schon vorbeigebracht?
Spike: Es war eine sehr prominente Person, welche sich dieses Dankeschön gesichert hat. Allerdings wollte diese nicht erkannt werden. Da konnten wir Herrn Ramelow schon verstehen. Darum haben wir’s natürlich für uns behalten.
Wir hatten vorhin ja schon kurz über die anstehende Landtagswahl gesprochen. Was wünscht ihr euch von der Politik für euch als Kunstschaffende, aber auch ganz generell für Thüringen?
Izzy: Es wäre erst mal ein guter Anfang keine Rechtsradikalen zu wählen. Dann wäre es super knorke, wenn es eben keine Jury geben würde, die entscheiden darf, welche Musik in Erfurt auf der Straße erlaubt ist und welche nicht. Außer wir Traumfresser dürfen das entscheiden. Dann sind wir natürlich dabei. Wir nehmen jetzt schon Bestechungsgelder entgegen!
Hard Facts:
- Wann? 14. September ab 14 Uhr
- Wo? Erfurt Hauptbahnhof
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