„Es ist das Lieblingsalbum meiner Freunde“
Heute, am 24. August erschien das wohl persönlichste Album von Clueso . „Handgepäck I“ ist eine Sammlung von Songs, die er in den letzten sieben Jahren auf seinen Reisen geschrieben und aufgenommen hat. Wir sprachen mit dem Erfurter Künstler, der am 29. Dezember wieder sein traditionelles Weihnachtskonzert in seiner Heimatstadt geben wird, über seine Reise.
Die Songs, die jetzt auf dem neuen Album ,,Handgepäck I“ zu finden sind, sind ja eine Art Sammelsurium aus den letzten Jahren. Man kann nicht mehr so richtig unterscheiden, welcher Song von wann ist. Kannst du dich noch erinnern, welcher der älteste ist?
Ja, „ Dünnes Eis“ ist der älteste, der ist, glaube ich, zeitgleich entstanden mit „ Gewinner“. Dann kommt irgendwann „ Du und ich“, den hab‘ ich geschrieben, als das Studio hier vor sieben oder acht Jahren noch leer war. Immer wenn ich einen Song hatte, beim dem ich das Gefühl hatte: das ist ein „ Handgepäck“-Song, hab‘ ich ihn beiseite gelegt. Ich wusste dann sofort: Der hat dieses Feeling, diesen Fingerprint, so soll’s klingen.
Also die Idee von ,,Handgepäck“ gibt es bei dir schon länger?
Sie hatte sogar den Namen von Anfang an. Ich hatte tierisch Schiss, dass irgendeine andere Band ein Album „Handgepäck“ nennt, zum Glück gab’s ähnliche Sachen, aber nicht „ Handgepäck“.
Viele Lieder sind sehr viel ruhiger als du auf deinen vorigen Alben. Man hat das Gefühl, du erzählst eher kleine Geschichten aus deinem täglichen Leben?
Genau, die Geschichte steht im Vordergrund. Das sind in meinem bewegten Leben dann die Ruhemomente, in denen ich mal chille. Für mich ist das wie so eine Art Meditation. Deswegen sind die sehr ruhig. Das ist der Ausgleich zur Action. Andere buddeln im Garten und ich mach‘ halt ’nen Song.
Du hast die meisten Songs selber eingespielt, auch viele Instrumente davon. Gab’s irgendeinen Song, den du mit dem zeitlichen Abstand gern noch einmal eingespielt hättest, weil du jetzt nicht mehr zufrieden damit bist?
Nee, ich finde es ist wunderschön passiert! Freunde sagen: „ Ey, dass das so klappert, das ist geil!“ Auf einem perfekt produzierten Album würde man manche Sachen sicher anders machen. Aber ich wollte vieles so lassen, wie es passiert ist. Es rumpelt und ich hatte sogar bei einzelnen Spuren das Fenster offen. Das hört man nicht vordergündig, aber es ist da und macht den Sound aus.
Gab’s ein Instrument, das dir schwergefallen ist, oder wo du dich einfach ausprobiert hast, was du vorher gar nicht so konntest?
Ja, Schlagzeug zum Beispiel liebe ich, aber kann’s halt nicht. Ich hab‘ mir zu helfen gewusst. Zum Beispiel gibt es ja die Kick, die man mit dem Fuß spielt. Ich hab‘ die dann einfach umgedreht und hab‘ Mallets genommen und die Kick händisch gespielt. Weil ich dann einfach viel konstanter bin und den Takt besser halten kann. Das macht aber auch so einen Vintage-Sound. Klingt super.
Gab’s Liedtexte, bei denen du bewusst gewartet hast sie zu veröffentlichen, weil du das Gefühl hattest, die sind dir noch zu nah, zu persönlich?
Nee, gibt es eigentlich nie. Ich hab‘ keine Angst davor, Sachen zu veröffentlichen die privat sind, das ist ja der Sinn der Sache. Es ist nur so, dass ich beim Schreiben die Dinge automatisch von Anfang an schon immer so codiere, dass man jetzt nie genau weiß, welche Situation das ist. Das weiß ich selber manchmal nicht. Es kann sein, dass ich mir einen Song anhöre und denke: Boah, der berührt mich aber krass, was war denn da los? Das macht es aus irgendwie.
Mir hat sich die Frage gestellt, was das für ein Gefühl ist, wenn Clueso an seinen Vorratsschrank mit Liedern geht und da welche rausholt. Aber du sagst ja selbst, du hast so unfassbar viele Lieder und Texte, dass das wahrscheinlich nie leer wird, oder?
Genau! Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich für „Handgepäck“ einen Rapsong aus der Kiste zerre. Ich hab‘ gefühlt Tonnen von urbanen Beatsachen. Da liegen bestimmt noch 200 Songs rum. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man da so viel rumliegen hat. Nur hätte ich am liebsten einen Sekretär, der mir hilft, das Ganze zu sortieren. Weil momentan liegt es irgendwo und heißt irgendwie. In den Untiefen was zu finden ist halt viel schwieriger. Es gibt da noch kein System.
Also ist es theoretisch nicht ausgeschlossen, dass es auch noch ein ,,Handgepäck II“ gibt?
Ja. Es sind so viele Songs und vielleicht wird das nächste „ Handgepäck“ auch was anderes. Aber die Idee ist, dass es nur von mir ist, das wird bleiben. Dass es wirklich von mir produziert ist und dass es irgendwie unterwegs ist und man die Hilfsmittel nimmt, die dann da sind. Also ich bin sehr wenig für das Album ins Studio gegangen.
Was steht an in den nächsten Monaten? Im nächsten Jahr?
Ich werde für das Album ’ne Promo-Reise machen und Festivals spielen. Dann gibt’s ’ne „ Handgepäck“-Tour. Im November hab‘ ich Hallen gebucht, in denen ich spielen werde, außerdem haben wir grade ein weiteres Weihnachtskonzert in Erfurt angekündigt. (Tickets gibt es hier)
Und dann hab‘ ich schon wieder ’ne neue Idee und suche halt einen Freiraum, um das umzusetzen. Es ist quasi ganz anders als das „Handgepäck“-Ding. Aber ich weiß noch nicht, ob das so spruchreif ist. Es ist viel urbaner, sagen wir mal so.
Okay. Also könnte es auch schon wieder mehr in die Rap-Richtung gehen?
Genau.
Klingt cool, deine Anfänge liegen ja noch in den WostokMob-Zeiten.
Genau. Bei mir war’s ja immer schon mehr so Sprachgesang und daher kommt ja auch mein Style. Oder wie Udo sagt: Kurzton-Sänger. Er ist Drummer, ich war Rapper und dadurch gibt’s da diese Gemeinsamkeit, dass wir beide eher nicht so lange Töne singen, sondern grooven.
Wenn du nicht grad Lieder mitbringst aus deinem Urlaub, gibt es irgendwas, was du noch einpackst? Steine, Sand?
Hab‘ ich am Anfang gemacht, aber wenn man viel reist, merkt man auch, das ist Quatsch. Schon gar nicht den Touri-Kram, den man noch so am Flughafen last minute bekommt.
Noch schnell ’ne Schneekugel…
Eine Alpakaschneekugel! *beide lachen*
Eher nicht, ich reise ja wirklich mit Handgepäck und da passt gar nichts rein. Das ist dann eher so, dass ich in Afrika irgendein Ding vom Baum mitnehme, das irgendwie raschelt. Ich hab‘ mir vorgenommen auf Reisen ein Instrument mitzunehmen, wenn’s geht. Auch wenn’s nur ein kleines ist, dann kann ich das nochmal nutzen.
Willst du als Letztes einfach noch irgendwas loswerden, was du dir wünschst, was mit dem Album passiert, oder was die Leute dazu sagen?
Ja, ich bin gespannt, was die Leute dazu sagen. Ich hoffe, dass alle reinhören! Es ist jetzt schon das Lieblingsalbum von meinen Freunden, über all‘ die Jahre. Das ist das Naheste von mir, weil eben alles selber gemacht und zufällig passiert ist.
Fotos: Christoph Köstlin