Krachenden Gitarren und parolenartigen Gesängen und gleich zwei Frontsänger – damit kann die Band Neufundland punkten. Derzeit ist die Band mit ihrem aktuellen und zweiten Album „Scham“ auf Tour. Am 14. November treten die fünf Musiker in der E-Burg in Erfurt auf. Wir haben vorab mit Sänger Fabian gesprochen.
Ihr selbst kommt aus Köln, eure Band trägt aber den Namen ,,Neufundland“. Warum das? Macht ihr gern dort Urlaub?
Tatsächlich haben wir keine wirkliche Verbindung dorthin. Als wir uns gründeten, überlegten wir, wie man sich als Band denn nennen kann. Wir fanden das Wort „Neufundland“ irgendwie schön, weil da ja drinnen steckt, dass man versucht Neues zu finden oder zu entdecken. Und wir hoffen, dass wir das ein bisschen mit unserer Musik auch zu tun. Also neue Sachen für deutschsprachige Popmusik ausprobieren und finden.
Wie seid ihr euch eigentlich als Band zusammengekommen?
Unser Sänger Fabian, Schlagzeuger Niklas und Keyboarder Matthias haben schon immer zusammen Musik gemacht. Die kennen sich schon seit dem Sandkasten und sind gemeinsam im deutschen Norden aufgewachsen. Die drei sind dann alle nach Köln gezogen, um Musik zu machen und haben dann mich und Robyn, unseren Bassisten, getroffen. In Köln haben wir und dann ganz bewusst dazu entschieden: Jetzt versuchen wir es mit einer neuen Band und machen das auch ganz ernsthaft.
Und wann war das ungefähr?
Das ist jetzt schon wieder sechs Jahre her. Also 2013. Man braucht ja am Anfang auch immer ein bisschen, um sich zu finden, um herauszufinden, was man gemeinsam alles für Musik machen will.
Wir leben gerade in sehr politischen Zeiten. Der Pop wird auch immer politischer. Ist es euch als Band ebenso wichtig, bestimmte Standpunkte in eurer Musik zu vertreten? Das könnte man zumindest denken bei Songs wie ,,Männlich blass hetero“.
Auf jeden Fall. Das war aber bei der aktuellen Platte keine bewusste Entscheidung, dass wir jetzt ein großes politisches Album schreiben. Eher sind genauso geprägt von der politischen Zeit und da kommt es ganz automatisch, dass man einfach politischere Sachen schreibt. Ich glaube zwar, dass das erste Album dieses Moment auch irgendwie hatte, aber das zweite Album ist da einfach expliziter geworden. Vielleicht weil wir selbst gemerkt haben, dass Politik jetzt wichtiger und nötiger ist. Selbst wenn unsere Songs mal persönlicher werden, merkt man trotzdem, dass es immer eine politische Note im Text gibt.
Habt ihr dann nicht manchmal Angst, dass Provokationen wie z.B die Kritik an der „Generation Y“ in dem Song ,,Hochwassertouristen“ falsch verstanden werden? Wurdet ihr schon mal falsch verstanden?
Ja, das kann schon sein. Gerade bei dem Song hatten wir das, weil sich manche da schon so ein bisschen auf den Schlips getreten fühlen. Aber ich glaube das Risiko muss man dann auch eingehen. Wenn man Musik macht und über die Sachen schreiben möchte, die einen beschäftigen, passiert das schon manchmal. Wenn man allen Leuten gefallen möchte, dann macht man am Ende einfach nicht mehr so gute Musik, sondern Schlager. (lacht)
Nach eurem Debütalbum ,,Wir werden niemals fertig sein“ ist im Mai eure Platte ,,Scham“ erschienen. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Beim Schreiben der Platte hielten wir schon nach einem Konzept Ausschau, das die Songs alle zusammenhält und sind dann irgendwie auf ,,Scham“ gestoßen. Wir fanden das ziemlich interessant, dass das eines der wenigen Gefühle ist, das überall drinnen steckt. In jeder Handlung, die wir machen, steckt die Überlegung drinnen, dass ich mich nicht schämen möchte, um in der Gesellschaft gut da zu stehen und deswegen passe ich mein Verhalten an. Scham ist quasi das Regulativ, wenn man sein Verhalten mal nicht angepasst hat, wenn man mit Soße am Hemd Bahn gefahren ist oder weil man nicht so einen tollen Job hat wie die anderen. Somit wirkt die Scham irgendwie überall mit rein und prägt unser Leben. Wir fanden das sehr interessant und glauben, dass auch in jedem Text wieder zu finden, es ist immer ein Kampf gegen die gesellschaftlichen Imperative und gleichzeitig wissen wir auch, dass wir uns davon nicht frei machen können.
Das hört sich ziemlich philosophisch an, habt ihr etwa alle Philosophie studiert?
Tatsächlich habe ich Philosophie studiert und unser anderer Fabian hat Geschichte studiert. Das ist natürlich Fluch und Segen zugleich diese Herumdenkerei. Manchmal denkt man auch zu viel über Sachen nach und braucht dann ewig für Texte. Wiederum denkt man sich auch manchmal, wie schön es wäre, einfach nur Liebeslieder schreiben zu können. (lacht)
Nochmal bezogen auf den Albumtitel, erinnert ihr euch selber an Momente, für die ihr euch ziemlich geschämt habt?
Da kann ich jetzt natürlich nicht für alle aus der Band sprechen. Aber bei der Sache mit der, Scham geht es auch um die Situation, in der man sein Verhalten angepasst hat, bevor man sich überhaupt geschämt hat. Zum Beispiel wenn du ein neues Instagram-Foto hochladen möchtest und da schon überlegst, ob du das ohne Filter posten kannst. Ein Programm wie Instagram sagt dir quasi schon, dass das eigentlich nicht schön genug ist und du den New-York-Filter noch drauflegen solltest, um schön genug zu sein. Es geht eher um die versteckten Sachen.
Bei ,,Männlich blass hetero“ macht ihr aber auch mehr oder weniger darauf Aufmerksam, dass man sich dafür schämen muss, wenn man als weißer Mann in die bevorzugte Rolle der Gesellschaft rutscht und das dann noch ausnutzt.
Das ist das interessante an dem Konzept „Scham“, weil das sicher auch in manchen Situationen eine gute Sache ist. Natürlich kann man davon auch profitieren, wenn du beispielsweise in einer Situation bist und dich immer ganz selbstsicher gefühlt hast und dir auf einmal jemand sagt, dass du dich eigentlich nicht so gut verhältst, dann ist die erste Reaktion meistens auch Scham. Wir hoffen, dass wir mit unserer Musik auch dazu beitragen, zur Selbstreflektion zu verhelfen.
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Durch eure ganzen Liveauftritte seid ihr schon ziemlich viel rum gekommen. Gibt es trotzdem noch Orte, an denen ihr gerne einmal auftreten würdet? Vielleicht auf Neufundland?
Ja. Stimmt. Das wäre eigentlich naheliegend. Das würden wir echt gerne mal machen. Wir haben wirklich schon viele Konzerte gespielt, aber tatsächlich sind es die Orte, an die man gar nicht so viel Vorfreude hat, die dann zu den schöneren Auftritten werden. Zum Beispiel wenn wir in Berlin spielen und dann denken, dass es in Hannover komischerweise viel cooler war. Da hat man andere Erwartungen an so Städte, deshalb sind wir da relativ offen. Aber wir bereuen es natürlich irgendwo uns für deutschsprachige Musik entschieden zu haben, da man da so selten im Ausland spielen kann. (lacht)
Diesen Herbst steht ja auch schon eure nächste Tour an, dabei macht ihr auch in Erfurt in der Engelsburg Halt. Ward ihr selbst schon mal in Erfurt?
Wir haben tatsächlich auf unserer letzten Tour schon in der Engelsburg gespielt und fanden es dort auch wegen dem Gewölbekellers megaschön. Und wir wissen auch noch, dass es sehr gutes Abendessen gab. Sowas merkt man sich immer, wenn man auf Tour ist. Ich war aber auch tatsächlich schon mal touristisch mit meinen Eltern in Erfurt. Wir wissen also schon, wo wir da hinfahren, das ist bei anderen Orten nicht immer der Fall. Aber auf Erfurt freuen wir uns tatsächlich schon sehr.
Und was würdest du sagen, ist von Erfurt bei euch im Kopf geblieben?
Natürlich diese super alte Brücke, auch wenn ich gerade nicht weiß wie sie heißt. Diese zwei Kirchen, die einfach direkt nebeneinander stehen, die fand ich auch sehr witzig. Ich bin ja eigentlich so ein richtiges Westkind und in NRW aufgewachsen. Als wir damals in Erfurt Urlaub gemacht haben, war ich natürlich noch etwas jünger, aber da habe ich wirklich gedacht: „Ach krass, ist das schön. Das ist also Ostdeutschland.“
Das war schon so ein kleiner Erweckungsmoment damals.
Auf was können sich die Fans in Erfurt freuen? Habt ihr Konfetti dabei? Oder tolle Dancemoves?
Tatsächlich sind wir ja gerade noch in der Planung. Aber auf was man sich auf jeden Fall freuen kann ist, dass wir das wir unser Album das erste Mal in voller Länge spielen werden. Bisher spielten wir ja nur Festivals und die Festival-Saison ist gerade auch vorbei. Bei Festivals muss man vielleicht 45 Minuten spielen und da kommen nur die wichtigsten Songs auf die Setlist, da sind vielleicht nur vier bis fünf neue dabei. Wir freuen uns, auf der Tour einfach mal zwei Stunden spielen zu können und auch mal die B-Seiten des Albums dabei zu zeigen. Wir proben derzeit viel, damit wir die Songs ordentlich spielen. Ich glaube, es kann sich jeder in Erfurt auf ein schönes ausführliches Konzert freuen.
Hard Facts:
- Wo?Engelsburg, Allerheiligenstraße 20, Erfurt
- Wann? 14. November | 20 Uhr
- Mehr Infos zum Konzert findet ihr hier!
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