Seit Jahren sorgt die Lesereihe „Lesen Live“ in Gotha für Begeisterung und gewährt den Gästen Einblicke in die Tiefen des menschlichen Denkens und ihres literarischen Schaffens. Den Anfang macht in diesem Jahr Axel Petermann, mit dem neuen Buch „Die Diagramme des Todes“. In seinem True-Crime-Thriller bekommt es Hauptkommissar Kiefer Larsen mit einem perfiden Serienmörder zu tun, der exakte Diagramme vom Realisieren seiner Fantasien zeichnet. Die Lesung findet am 30. Januar um 20 Uhr im Kulturhaus Gotha statt. Wir haben Axel vorab ein paar Fragen gestellt.
Du hast schon viele Bestseller herausgebracht. Dein neuer True-Crime-Thriller „Die Diagramme des Todes“ erschien im Oktober 2019. Kannst du uns kurz erzählen, um was es in dem Buch geht? Natürlich meinen wir hier die metaphorische Ebene. Den konkreten Inhalt deines Buches bekommen wir ja überall zu lesen.
Es geht natürlich um einen Mörder, um einen Serienmörder, der seine Taten in gewisser Weise als Kunstwerke versteht. Er ist auf der Suche nach dem perfekten Mord und will dabei seinen morbiden Imaginationen so nahe wie möglich kommen. Deshalb zeichnet er sogenannte Phantasie-Diagramme, die einzelne Sequenzen seiner Szenarien beschreiben. Das ist sicherlich ein sehr ungewöhnliches Vorgehen, wie ich es auch noch nie erlebt habe.
Später habe ich diesen Mann sehr häufig in der Forensik besucht und mich mit ihm über seine Morde ausgetauscht; ich wollte von ihm erfahren, wie sich seine Phantasien entwickelten und was ihn antrieb. Nach und nach fasste er Vertrauen zu mir und ließ mich an seinen Imagination teil haben. Auch das war eher ungewöhnlich, denn normalerweise bewahren die Täter „ihre Phantasien“ und wollen niemanden daran teilhaben lassen.
„Die Diagramme des Todes“ ist das zweite Werk mit Claus Cornelius Fischer. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Mit meinen Sachbüchern konnte ich ja tatsächlich tolle Erfolge erreichen, da diese alle zu Bestsellern avancierten und einige Plots daraus als Vorlagen für den Frankfurter Tatort mit Joachim Król und Nina Kunzendorf dienten. Das hat mich natürlich sehr erfüllt, aber irgendetwas fehlte mir: Ich wollte schon immer Thriller über „meine Fälle“ und die Protagonisten schreiben – ein wenig nach links und rechts schauen und dabei andere Ideen verfolgen können.
Aber irgendwie hat es mit dem Umswitchen auf das andere Genre nicht so recht geklappt. Und da freute es mich sehr, als der Verlag mich eines Tages fragte, ob ich mir eine Zusammenarbeit mit Claus Cornelius Fischer vorstellen könnte. Das konnte ich und so trafen wir uns das erste Mal vor gut drei Jahren auf der Frankfurter Buchmesse, beschnupperten uns und fassten den Entschluss, fortan einige der von mir bearbeiteten Mordfälle als Romane oder Thriller auszuschmücken und einem breiten Publikum vorzustellen.
Wenn du dir einen Charakter von „Die Diagramme des Todes“ aussuchen könntest. Welcher wärst du? Und warum?
Meine Nähe sehe ich bei „meinem Kommissar“ Kiefer Larsen, der natürlich nicht mein Alter Ego ist, jedoch manches von mir vererbt bekommen hat, ohne mein zweites Ich zu sein. Ich mag Larsen Herangehensweise an die Rätsel der Taten, das Einswerden mit dem Tatort und sein Schlüpfen in die krude, morbide und pathologische Gedankenwelt des Mörders. Seine Ausdauer. Da könnte ich manchmal wirklich neidisch werden …
Was hat dich damals daran gereizt, eine Ausbildung bei der Polizei zu machen und würdest du diesen Beruf heute wieder wählen?
Meine Zeit bei der Polizei sollte nur sehr begrenzt sein. Genauer gesagt lediglich 18 Monate und als Ausgleich für den Wehrdienst – oder wie wir Ende der 60er Jahre sagten, für den Kriegsdienst. Doch dann passierte mehrere Zufälle, die fortan mein Leben bestimmen sollten. Ein Kommissar, der Leiter der Bremer Mordkommission war, mich unterrichtete und dabei so anschaulich und spannend über Morde berichten konnte, die sich in Bremen ereigneten und zudem ein Mord an einer jungen Frau, die in den Mai getanzt hatte und mit dem Zug nach Hause fahren wollte, dort jedoch nie ankam, da ihr Mörder auf sie am Bahndamm gewartet hatte. Diesen Fall wollte ich aufklären und so blieb ich dann über die 18 Monate hinaus bei der Polizei. Und den Mord konnte ich später tatsächlich klären, auch wenn es – bis es so weit war – nahezu vierzig Jahre dauerte.
Nach deiner Ausbildung zum Kommissar warst du Mordkommissionsleiter und hast dich mit vielen unnatürlichen Todesfällen beschäftigt. Welcher Fall ist dir bis heute im Kopf geblieben?
Es sind tatsächlich einige Fälle, die mich noch heute beschäftigen, über die ich aber auch in meinen Büchern geschrieben habe. Natürlich ist es der Fall der jungen Frau, deren Mörder erst nach vierzig Jahren ermittelt werden konnte. Die beiden Frauen, die in einer Nacht in Bremen und Bremerhaven mit derselben Waffe erschossen wurden und der Täter nie gefunden werden konnte. Der Serienmörder, der Prostituierte tötete, um seinen bizarren Phantasien auszuleben und Diagramme über seine Gefühle bei den Morden zeichnete und nach Vollkommenheit strebte. Ach, es sind so viele Verbrechen und damit einhergehende Reminiszenzen, die ich mit mir herumtrage.
Am 30. Januar kommst du zur Gothaer Lesereihe ins Kulturhaus in Gotha. Was erwartet das Publikum?
Das Publikum wird sicherlich einen spannenden Abend erleben, denn es ist keine klassische Lesung. Natürlich werde ich über mein (Ermittler-)Leben sprechen, die eine oder andere Anekdote vortragen und aus den Diagrammen lesen. Ich möchte, dass trotz all des Schreckens der Taten auch gelacht werden kann, das Publikum jedoch immer wieder ein Schauder den Rücken herunter läuft, gebannt meinen Worten lauscht und dabei versteht, wie dieser Mörder tickte und weshalb er die Diagramme des Todes zeichnete.
Wir haben gelesen, dass es dich teilweise fasziniert wie Mörder ticken. Generell ist die Faszination der Menschen groß, was Mord und Mörder angeht. Was meinst du, warum ist das so? Was fasziniert so an dem Thema?
Meine Faszination liegt weniger in der Umsetzung des Mordes als in den Beweggründen, die einen Menschen zum Mörder werden lassen. Diese Faszination nutze ich bei meinen Ermittlungen. Sie ist es, die mich unermüdlich antreibt. Sie ist es auch, die mich daran glauben lässt, Mörder vielleicht auch nach Jahrzehnten noch überführen zu können.
Meine eigene Vergangenheit bestätigt mich in diesem Glauben, denn fast mein ganzes Berufsleben hat es gedauert, bis der Mord an der jungen Frau, der mich überhaupt erst zum Polizeidienst ermutigte, 2011 aufgeklärt werden konnte. 40 Jahre, in denen ein Mann für drei Jahre schuldlos im Gefängnis saß. 40 Jahre, in denen ich mir immer wieder die Akten vornahm, Verbindungen herzustellen versuchte und ich mich weigerte aufzugeben.
Und die Faszination der anderen besteht sicherlich daran, sich einem Rätsel zu nähern, zu erfahren, wozu Menschen fähig sind, gleichzeitig aber genügend Distanz haben, um selbst nicht betroffen zu sein. Ich erfahre es immer wieder bei meinen Lesungen, welche Betroffenheit ich beim Publikum auslöse, wenn ich von Taten berichte, die sich direkt vor immer Haustür zugetragen haben. Da möchte man gar nicht so nah sein, denn „normalerweise“ geschehen Morde doch nie vor der eigenen Haustür; sind die Täter zudem immer fremd und nie jemand den Mann kennt …
Für welchen Gegenstand am Wühltisch im Kaufhaus nebenan würdest du über Leichen gehen?
Eine große Boulevard-Zeitung mit vier Großbuchstaben hat einmal in einer Überschrift behauptet, dass Leichen meinen Weg pflastern. Das ist natürlich sehr übertrieben, denn ich bin sehr froh, wenn es so wenig Leichen wie möglich gibt, über die ich gehen müsste. Doch, wenn es tatsächlich einen Wühltisch im Supermarkt mit meinen Kaschmir-Pullovern gäbe und dazu noch mit meinen Burberry Trenchcoats, dann würde ich mich wirklich ins Gedrängel wagen und zusehen, was ich so alles bekommen könnte.
Du hast dich viel mit Tötungsdelikten, Kriminologie usw. beschäftigt und unterstützt heute noch den Bremer Tatort bei der Aufklärung von Morden. Wie verarbeitest du die ganzen Erlebnisse? Fängt man dann auch an darüber Witze zu reißen?
Ich frage mich auch manchmal, wie ich denn meine ganzen Eindrücke von den Taten, meine Erinnerungen an die Opfer und die Täter verarbeiten kann. Vermutlich bin ich im Laufe der Jahre einfach abgeklärter geworden, lasse nicht mehr alle Emotionen wie zum Anfang meiner kriminalistischen Karriere zu und sicherlich hat es mir auch geholfen, dass ich meine Erfahrungen in den Büchern aufgeschrieben habe und darüber auch in Gotha berichten werde.
Nee, Witze reiße ich über die Fälle nicht. Doch natürlich kenne ich Ermittler, die das tun, die zynisch werden, weil sie sonst mit dem Grauen der Taten nicht fertig wurden. Zum Glück kann ich mit dem Leid ganz anders umgehen und habe auch immer wieder viele schöne Momente in meinem Leben.
Hättest du zum Schluss noch einen mörderisch guten Witz für uns?
Mh… Ich kenne gar nicht so viele Witze und deshalb habe ich gegoogled. Wie findet ihr denn den? Mörderisch genug?
Ein Mann ruft bei der Polizei an: „Herr Wachtmeister, kommen Sie schnell, hier schlagen sich zwei Frauen um mich!“
„Wo ist denn das Problem?“
„Ich glaube die Dicke gewinnt.“
Hard Facts:
- Wann: 30. Januar | 20 Uhr
- Wo: Kulturhaus Gotha
- Mehr Infos dazu findet ihr hier.
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