Stilelemente von Comic, Kurzgeschichte und Lyrik gehen in dem Band „Die Fliege in der Zeit. Bauhaus Graphic Shorts“ eine faszinierende Verbindung ein. Wir sprachen mit dem Herausgeber und Autor Stefan Petermann über ein Thüringer Kunstprojekt und die kreative Avantgarde.
Das Buchprojekt „Bauhaus Graphic Shorts“ erzählt in verschiedenen grafischen Stilen die Geschichte einzelner Bauhausvertreter. Wie kamt ihr auf diese Idee?
Da muss ich etwas ausholen. Vor einigen Jahren habe ich in einem Projekt mitgearbeitet, bei dem Autoren mit Filmemachern zusammengearbeitet haben und am Ende ein „Poetryfilm“ entstand. Es war dabei beglückend, zu sehen, wie die Kreativen verschiedener Gewerke nicht neben-, sondern miteinander arbeiten. Das wollte ich auch noch einmal in einem eigenen Projekt umsetzen. Da ich selbst gern Graphic Novels lese und weiß, dass es in Thüringen – gerade durch die Bauhaus-Universität in Weimar – gute Zeichner und gute Autoren gibt, hat sich das anstehende Bauhaus-Jubiläum thematisch aufgedrängt.
Wann ging es mit den Planungen und der Umsetzung los?
Im September 2017 habe ich damit begonnen, Exposés für die finanzielle Förderung des Projekts zu schreiben. Dann habe ich die Autoren und Zeichner angesprochen – und Anfang 2018 war dann klar, wer alles mit dabei ist. Im Mai 2018 haben sich alle Beteiligten einmal getroffen zum Kennenlernen und zum Zusammenfinden der Zweiergruppen, nachdem klar war, wer künstlerisch und menschlich mit wem „am besten kann“. Dann hatte jedes Duo sechs Monate Zeit für die Umsetzung. Im Dezember 2018 lagen dann die Geschichten vor und wir haben noch geringfügige Nacharbeiten vorgenommen. Das Buch selbst ging im Mai 2019 in Druck.
Das Buch selbst fällt durch seine fast schon typische Bauhaus-Optik auf…
Auch das Layout des Buchs sollte Teil des künstlerischen Prozesses sein. Dabei haben wir uns überlegt, das Buch mit den Bauhausformen – Quadrat, Kreis, Dreieck – zu gestalten. Dazu kamen unterschiedlichen Farben für die fünf einzelnen, jeweils sieben Doppelseiten umfassenden Geschichten, da die Themen auch sehr unterschiedlich sind. Hier haben wir uns für eine zweifarbige Gestaltung als ästhetische Klammer entschieden. Blau, gelb und rot wären dafür als typische Bauhausfarben naheliegend gewesen – aber das wollten wir gerade nicht. Unsere Grafikerin Catalina Giraldo Vélez hatte dann die Idee, dass wir auf die Farbtheorie von Josef Albers zurückgreifen, einem Bauhaus-Künstler – und so haben wir jeder der fünf Geschichten eine Farbe aus seinem Farbkreis zugeordnet.
Nach welchen Kriterien habt ihr die Künstler und Kreativen ausgewählt?
Alle Beteiligten sollten leicht erreichbar sind, in Thüringen oder in der Nähe wohnen und vor allem junge Kreative sollten stark eingebunden werden – Carsten Weitzmann ist dabei eine Ausnahme. Auch die Mischung der Stile und der einzelnen Kunstgewerke war uns wichtig. Stefan Kowalczyk, der die Geschichte „Mein Lehrer Itten“ illustriert hat, kommt zum Beispiel eher vom Logo-Entwurf und dem Font Design – und das sieht man seinen Bildern auch an. Aber dieser Mix sehr unterschiedlicher Stilrichtungen war so gewollt.
Apropos „Mein Lehrer Itten“: Hier wird dem Weimarer Bauhauslehrer Johannes Itten in fiktiven Tagebuchaufzeichnungen ein Mord angedichtet. Sehr gewagt! Gab es hierauf negative Reaktionen?
Wir haben diese Geschichte im April 2019 zur Eröffnung des Bauhaus-Museums in Weimar gelesen – und der Autor Joshua Schößler, der die Geschichte geschrieben hat, hat dabei noch daran festgehalten, dass er dieses Tagebuch eines Bauhaus-Studenten tatsächlich auf einem Flohmarkt in Weimar gefunden habe. Aber Johannes Itten ist eine so ambivalente Persönlichkeit, die hält diese Fiktion aus – und es gab auch keine negativen Publikumsreaktionen.
Das Bauhaus hat seinerzeit nicht weniger als eine Revolution in der Kunst und Architektur losgetreten. Siehst du aktuell eine Strömung, die dasselbe subversive Potenzial besitzt?
Bei unseren ersten Treffen war das tatsächlich eine große Frage. Dabei fiel auch der Begriff der Avantgarde und ob so etwas heute noch stattfinden kann. Die Meinungen dazu gingen sehr auseinander. Das Resümee war, dass dies heute nicht mehr möglich ist. Vor 100 Jahren war das Bauhaus erst einmal in einer kleinen Blase in Weimar gefangen und man konnte erst einmal experimentieren und ausprobieren. Heute verbreiten sich neue Ideen über die Sozialen Medien superschnell und man hat auch nicht die Zeit, in Ruhe etwas Eigenständiges zu entwickeln, sich selbst auszuprobieren – und vielleicht auch zu scheitern. Am nächsten dran ist die Avantgarde im Digitalen. Hier gibt es zwar viele Strömungen, aber kein konkretes Schlagwort.
Hard Facts:
- Die Fliege in der Zeit. Bauhaus Graphic Shorts
- 96 Seiten | 17 Euro
- Mehr Infos dazu findet ihr hier.