In Gera gibt es mehr als ein Dutzend Wohnhäuser eines Bauhaus-Architekten, in Jena zwei spektakuläre Villen von Walter Gropius. Und in Weimar, der ersten Wirkungsstätte des Bauhauses? Ein Gebäude. Dafür ist es das Haus, das alle kennen, die je einen Architekturführer zur Moderne aufgeschlagen haben. Es ist das Haus am Horn. Stellt sich die Frage: Wo ist das Horn?
Bauhaus in Weimah: Das Haus am Horn
Das Horn ist weit. Zumindest für Weimarer Verhältnisse ist es einigermaßen weit weg vom Stadtkern. Über die Schlossbrücke und somit über die Ilm muss man gehen, eine steile kleine Treppe aus dem 19. Jahrhundert rechter Hand nehmen, hinab direkt zum Fluss. Dann links bergan, bergan, bergan, bergan. Vorbei an großen alten Villen in bester Wohnlage, vorbei an großen alten Nadelbäumen in pittoresker Hanglage. Irgendwann erscheint am linken Wegesrand ein niedriger, weißer Kubus mit der Adresse „Am Horn 61“. Bewohner: keine. Eigentümer: Klassik Stiftung Weimar. Besucher: jede Menge. Erst seit Frühjahr ist das Haus überhaupt wieder öffentlich zugänglich – es wurde saniert, die Ausstellung darin überarbeitet.
Quadratisch, praktisch, Bauhaus
Entworfen hat es ein Maler: Georg Muche. Walter Gropius‘ Büro setzte den Entwurf unter Bauleitung von Adolf Meyer um. Den Clou des Hauses kann man begreifen, wenn man es einfach von außen abschreitet: 20 Schritte nach rechts, 20 Schritte nach links – der Grundriss des Hauses beträgt 12 mal 12 Meter. Das Dach ist zweistufig und flach. Geht man hinein, steht man schnell im Inneren des Quadrats: In einem Wohnzimmer mit Oberlichtern, in das man von allen anderen Zimmern, die außen herum gruppiert sind, hineingehen kann. Das „Haus am Horn“, es ist nicht einfach nur ein Einfamilienhaus, es ist ein Manifest des modernen, gleichberechtigten Zusammenlebens einer kleinen Familie.
Relativ gleichberechtigt – denn selbstverständlich liegt auch 1923 das Damenzimmer zwischen Herrenzimmer und Kinderzimmer. Gut erreichbar für beide. An alles ist gedacht, obwohl das Haus nicht groß ist: an eine Arbeitsnische, ein Gästezimmer, an Waschküche und Vorratsraum im Keller.
Das Interieur bleibt verschollen
Epoche aber machte das „Haus am Horn“ auch wegen seines Interieurs, an dem von Marcel Breuer über Alma Buscher über Otto Lindig, Benita Otte bis zu Gunta Stölzl sämtliche Bauhaus-Akteure beteiligt waren. Während der NS-Zeit gingen die Möbel in Privatbesitz über und deshalb verloren.
Aufnahmen und „Umrissmöbel“ vermitteln ein Raumgefühl, Teilaspekte sind originalgetreu rekonstruiert. Das Bauhaus-Musterhaus ist auf die Post-Dienstboten-Ära ausgelegt. Es hat weder einen Dienstboteneingang, noch ein Dienstbotenzimmer. Dafür hat es den Prototypen der modernen Einbauküche: Statt der bürgerlichen Wohnküche – oft heimliches Zentrum des Hauses – ist in diesem Küchenlabor alles aufs Nötigste reduziert. Auch das Kinderzimmer beeindruckt durch modulare Möbel, die so gehalten sind, dass das Kind damit wachsen kann: Riesenbauklötze in Bauhaus-Farben etwa, die sich in einen Schreibtisch verwandeln lassen.
Maximaler Minimalismus bis hin zum Garten
Mit seiner Architektur eignet sich das Haus unbeabsichtigterweise perfekt als Museum, denn es ist quasi ein einziger Rundgang. An dessen Ende man noch in den Garten gehen kann, auch er maximal minimalistisch gehalten. Eine große, alte Rotbuche wacht seit Langem über das Haus. Sie strahlt jene Gemütlichkeit und Romantik aus, die dem Haus am Horn bewusst fehlt. Denn Romantik findet man in Weimar schließlich überall.
Hard Facts:
- Wann: ab 28. Oktober | Mittwoch bis Montag | 10 bis 18 Uhr
- Wo: Am Horn 61 | Weimar
- weitere Informationen gibt es hier