Es gab bisher nicht unbedingt viele Gründe, Weimar bei Nacht aufzusuchen. Die Zahl der Kneipen und Klubs ist mehr als überschaubar, die Sehenswürdigkeiten und die Natur sind vor allem bei Tag schön. Seit April aber ist das anders. Der Grund dafür steht zwischen Weimarhalle und Gau-Forum: Das neue Bauhaus-Museum.
Das neue Weimarer Bauhaus-Museum
An Architektur und Ausstellungskonzept scheiden sich die Feingeister. Man könnte sagen, das Museum ist von außen mit der freundlichen Anmutung eines Hochbunkers ausgestattet und von innen zu fensterlos geraten. Man könnte finden, die Treppen seien schrecklich eng, das Raumkonzept verschachtelt, Licht zu schummerig und das Ausstellungskonzept, naja, nicht gerade auf der Höhe der Forschung. Das stimmt alles und doch nicht – wenn, ja wenn man das Museum bei Nacht aufsucht.
Rund 13.000 Einträge umfasst das Inventar
Dass vor schwarzem Hintergrund alles umso schöner leuchtet, wussten schon die Bauhaus-Meister, die sich in ihre Ateliers eine Wand schwarz malern ließen und dort frische Bilder aufhängten. Das neue Bauhaus-Museum der Architektin Heike Hanada leuchtet nachts aus den Fassadenrillen. So wird aus dem Klotz eine filigrane Skulptur. Und nachts erschließt sich auch sofort, wo der Eingang ist: Dort wo eine geometrische, nicht historische Metallskulptur im LED-Licht erstrahlt. Dennoch sind auch die Objekte zu tageslichtloser Zeit gefühlt ausreichend ausgeleuchtet – und um die Objekte geht es ja schließlich. Rund 13.000 Einträge umfasst das Inventar der Bauhaus- Sammlung der Klassik-Stiftung. Die von vielen angemerkte Schummrigkeit erklären Experten damit, dass die historischen Objekte eigentlich vor Licht geschützt werden müssen. Und eines muss man der schummrigen Stimmung lassen: Sie sorgt für Konzentration – und eine relative Stille, selbst bei enormem Besucherandrang.
Abstrakte, geometrische Gemälde und Farbstudien
Zu sehen gibt es, natürlich, Gemälde und Farbstudien. Sie erklären, wie die Meister zu ihrer abstrakten, geometrischen Ausdrucksweise fanden. Darüber hinaus gibt es enorm viele Möbel und Gebrauchsgegenstände zu sehen:. Das reicht von kleinen Dosen über Sessel bis zur berühmten, für das Haus am Horn entworfenen Einbauküche oder dem reformpädagogisch inspirierten, modularen Kinderzimmer. Insgesamt dürfte kaum ein Exponat Kenner überraschen; kleine Aha-Momente gibt es nur dort, wo auch Vorstufen gezeigt werden und Besucher trial and error der experimentierfreudigen Zwischenkriegsgestalter nachvollziehen können.
Bemühung auf Grundsatz-Vermittlung
Die Klassik-Stiftung hat sich sichtbar bemüht, auf Grundsatz-Vermittlung zu setzen. Aber ist das so schlecht? Nein, es ist erfreulich unelitär. Vor allem scheint das Konzept internationale Besucher zu begeistern – und junge. Und mit diesem Stichwort wären wir bei der Frage, wann sich ein Besuch bei Tageslicht lohnt? Er lohnt mit Kindern, er lohnt wegen des museumspädagogischen Angebots. Dieses reicht von der gut gemachten App „bauhaus+“ über Führungen der Bauhaus-Agenten bis zur Ermunterung, selbst Hand an zu legen und zu gestalten.
Das zweite Museum
Diese „Selbstmach-Einladung“ führt auch 100 Meter vom neuen Bauhaus- Museum weg. Dort hat die Klassik-Stiftung ein zweites Museum eröffnet: Ebenfalls seit April ist das Neue Museum wieder zugänglich. Dort kann man im Keller mit historischem Werkzeug selbst kleine Büchlein binden und mit Blattgold prägen – auch mit den ikonischen Bauhaus-Formen Kreis, Quadrat und Dreick. Die Etagen darüber sind indes der Jahrhundertwende gewidmet. Das Neue Museum steht ganz im Zeichen von Friedrich Nietzsche und Henry van de Velde und macht zweierlei klar: Erstens, das Bauhaus hatte eine relevante Vorgeschichte. Zweitens, Weimar ist so viel mehr als Goethe und Schiller.
Hard Facts:
- Wo: Stephane-Hessel-Platz 1
- Mo: 10 bis 14.30 Uhr und Di bis So 10 bis 18 Uhr geöffnet
- Weitere Infos findet ihr hier
- Bauhaus-Museum Weimar auf Facebook und Instagram