Die Thüringer Regisseurin Anna Friedrich ist eine junge Filmemacherin mit Herz und Seele. Das zeigt nicht zuletzte ihr Werk „Coming off the Real Time, for a While“. Der Film wird am Samstag, den 8. August, im KulturQuartier Schauspielhaus gescreent. Als Vorprogramm darf man sich auf den Erfurter Musiker „Munzard“ freuen. Er hat aus Teilen des Films eine Art „Ton-Collage“ gebaut, mit der er den Abend eröffnen wird – man darf gespannt sein! Vorab hat Anna uns ein kleines Interview gegeben.
Du kommst ursprünglich aus dem Raum Erfurt, aber hier kann man nicht wirklich Film studieren. Wie kam es zum Interesse an der Filmbranche?
Ich interessierte mich bereits als Teenager für Filme. Einige Dokumentar- und Spielfilme zogen mich ungemein in ihren Bann. Deshalb besuchte ich Workshops, beispielsweise bei Plattform e.V. in Erfurt. Darauf habe ich aufgebaut und nach der Schule angefangen, mir Sachen autodidaktisch anzueignen. Nachdem ich einige Praktika in Erfurt und Berlin gemacht habe, bin ich aufgebrochen, um meinen ersten Film in Schweden zu drehen. Mit dem bewarb ich mich in Halle für eine filmische Weiterbildung bei der „Professional Media Masterclass“.
Du hast deinen Film in Schweden gedreht. Warum nicht irgendwo in Deutschland oder gar in Thüringen?
Ich habe mich dort schon immer zuhause gefühlt. Im Sommer nach meinem Abitur, als ich dort war, habe ich einen alten Maler und Lebenskünstler kennengelernt, der zu einer Art Mentor für mich geworden ist. Inzwischen ist er leider verstorben. Über viele Jahre habe ich ihn besucht und über ihn auch meinen ersten Film gedreht.
Im Film „Coming off the Real Time, for a While“, der im Kulturquartier gezeigt wird, geht es um einen schwedischen Landwirt, Sven Axel, der nie sein Dorf verließ, aber zugleich schon gedanklich die Welt bereist hat. Wie kann man das verstehen?
Sven ist sehr neugierig und hat ein wahnsinniges Interesse an Leuten, die ihn besuchen kommen. Man wird mit Fragen durchlöchert, weil er sich aus den Antworten quasi sein Weltwissen erschließt – über Bücher, Filme, aber auch über Gespräche. Er hat eine „weltbürgerliche“ Art zu denken. Beispielsweise hat ein Freund von mir Sven mal gefragt, ob er ein Tattoo hat. Er meinte, wenn er in seinem Leben zur See gefahren wäre, dann hätte er wohl welche, weil man als Seemann Tattoos trägt. Oder wenn er eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen hätte, dann wohl auch. Aber er war nie auf See und war nie im Gefängnis, deshalb hat er kein Tattoo. Das gibt ein bisschen Aufschluss über seine Denkweise – über Umwege, aber sehr frei und weit.
Die Landschaft rund um den Hof von Sven ist von Gegensätzlichkeit geprägt. Sie ist idyllisch, wird aber auch vom Militär zu Übungszwecken genutzt. Ich erinnere mich an ein Schaf, das gemütlich vor einem riesigen Panzer grast. Hast du bewusst solche Szene eingefangen?
An Svens Grund grenzt ein Militärgebiet. Das Militär schützt dort die Natur, weil dieses Gebiet nicht bebaut werden kann, weil es eben vom Militär genutzt wird. Das Gebiet spielt sozusagen eine wichtige Nebenrolle, weil ich mir die Politiken von Landschaften und wie sie entstehen anschauen wollte. Ein sozusagen vermeintlicher Widerspruch von Nutzungen, die eigentlich nicht mit einhergehen können, aber dies doch tun.
Du hast in deinem Film einen interessanten Mix zwischen Szenenaufnahmen und Konversationen geschaffen. Wähltest du bewusst diese Art der Darstellung?
Ich habe den Film selbst geschnitten und da nahm ich mir auch viel Zeit. Im Schnittprozess hat sich gezeigt, dass die Bilder oft schon viel über sich erzählen. Somit konnte ich auf Sprache an vielen Stellen verzichten, weil die Bilder Dinge transportieren. Ich habe versucht mit den Grenzen des „filmischen Raums“ zu spielen. Beispielsweise: Inwieweit bin ich spürbar als Regisseurin, ohne dass man mich sieht?
Dein Film wurde schon bei der Dok in Leipzig gezeigt, dem internationalen Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Wie war das für dich?
Ja, das war mein erstes großes Screening in einem Kino, das auch gut mit Menschen gefüllt war – fast ausverkauft. Es war ein großartiges Erlebnis und deswegen sehr schön, weil Sven dafür seine erste Auslandsreise seit den 70er-Jahren unternommen hat, die weiter als noch Kopenhagen ging. Er stand nach dem Film mit mir auf der Bühne, sozusagen als „Co-Regisseur“. Er stand auch dem Publikum Rede und Antwort und hat es förmlich mit seinem Charm in den Bann gezogen.
Es ist bestimmt schön für dich, dein Projekt in Erfurt präsentieren zu können. Freust du dich schon darauf, mit Leuten persönlich darüber zu sprechen?
Ich freue mich sehr, dass der Film nochmal gezeigt wird. Ein Film bleibt nur lebendig, wenn er gezeigt wird und es Diskurse und Gespräche gibt. Es ist auch immer interessant zu sehen, was Leute aus dem Film mitnehmen. Die Corona-Krise hat einen ziemlichen Einschnitt im Kulturleben hinterlassen. Egal ob Film, Lesung oder Konzert – das ist einfach rar geworden. Da ist es natürlich schön, etwas Abwechslung zu bieten.
Könntest du dir auch vorstellen, mal vor der Kamera zu stehen? Oder bleibst du doch lieber die Regisseurin mit den Fäden in der Hand, die lieber hinter der Kamera steht?
Für meine dokumentarischen Arbeiten interessiert mich die Arbeit als Regisseurin. Vor ein paar Jahren habe ich aber auch einen performativen Kurzfilm gemacht, der eher so in Richtung „Körper im Raum“ geht. Dabei ging es darum, wie sich der Körper und Bewegungsabläufe vor der Kamera zum Raum verhalten. Da war ich vor der Kamera, aber es ging dabei auch nicht um meine Person, sondern um den Körper im Raum.
Hast du momentan noch weitere spannende Projekte geplant?
Kontinuierlich arbeiten wir an kleineren Projekten mit der „Filmischen Initiative Leipzig“, kurz „FILZ“, in der ich mitwirke. Wir treffen uns regelmäßig, unterstützen uns und tauschen uns über unsere filmischen Arbeiten aus. Diese solidarische Gemeinschaft ist sehr wichtig für mich. Im Frühling haben wir unseren ersten gemeinsamen Kurzfilm produziert. Mit 13 Leuten. Das war eine sehr interessante Herausforderung – wohlgemerkt ohne sich nur einmal persönlich zu treffen. Derzeit fange ich gerade an, an einem Film über nomadische und mobile Lebensweisen in Europa zu arbeiten.
Werden wir dich in Zukunft noch bei Aufführungen in Thüringen sehen können?
Ich hoffe irgendwann im Laufe des Jahres noch Screenings in Halle, Weimar und Eisenberg machen zu können und reiche parallel weiter bei Filmfestivals ein, aber es steht aktuell noch nichts weiter fest.
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Hard Facts:
- Vorstellung ihres Films „Coming off the Real Time, for a While“
- Wann: Samstag, 8. August | 19:30 Uhr
- Wo: KulturQuartier Schauspielhaus Erfurt | Klostergang 4
- Veranstaltung | Homepage | Vimeo
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