Ein Fest der Künste und der Nachhaltigkeit in Erfurt – das Team des Phoenix Theaterfestivals hat große Pläne, denn mit ihrem mehrtägigen Festival wollen sie vom 8. bis 10., 16. bis 17. und 23. bis 25. Juni die Thüringer Landeshauptstadt als kulturellen Hotspot noch weiter etabliert. Im gesamten Stadtgebiet Erfurt erwarten euch dann Theater, Musik, Austausch und Kultur an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Das mussten wir natürlich unter die Lupe nehmen und haben Anica Happich und Jakob Arnold vom Phoenix ein paar Fragen gestellt.
Das Phoenix findet 2023 an drei Wochenenden statt. Wie kommt‘s?
Uns ist es wichtig, dass das Theaterfestival stärker in der Stadt präsent ist. Theater findet ja nicht nur in Innenräumen und auf Bühnen statt. Wenn man so will, dann ist die ganze Stadt eine Bühne und dort ist auch unser Publikum. Also gehen wir da auch hin. Dazu haben wir drei Formate und unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt, die wir an drei Wochenenden anbieten werden. So kann man am Samstag seinen Einkauf im Melchendorfer Markt machen und davor oder danach eine Stunde eine Theateraufführung sehen, ohne große Wege zurückzulegen. Kurze Wege sind doch Erfurts Stärke.
Das erste Wochenende steht unter dem Motto Netzwerken und Kulturpolitik. Warum ist euch wichtig, diese Themen auf die Agenda zu setzen?
Das Phoenix ist ein Festival mit einem klaren kulturpolitischen Anspruch: Wir wollen das Schauspiel wieder fest in der Stadt verorten. Für ein zukunftsfähiges Schauspiel brauchen wir zahlreiche Partner aus Politik, Kunst und Kultur. Dazu kommt, dass das Theater vor vielen Herausforderungen steht: Die Corona-Pandemie sowie die Gas- und Energiekrise setzen den kommunalen Haushalten zu, was die Finanzierung der kulturellen Landschaft weiter gefährdet. Die ökologische Krise stellt neue und wichtige Fragen an Produktionsabläufe und an die Nachhaltigkeit des künstlerischen Arbeitens. Nicht zuletzt erleben wir an vielen Orten eine Zunahme von rechtsgerichteten Bewegungen, die auch die freien Künste als Anker einer liberal-pluralistischen Gesellschaft attackieren. Hierauf müssen wir Antworten finden – und zwar gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren aus der politischen und kulturellen Sphäre.
Der Donnerstag startet mit einem Film, einer Netzwerkveranstaltung und einem Paneltalk. Letzterer nimmt die Thüringer Kulturförderpolitik in den Fokus. Was muss sich hier in Thüringen ändern?
Wir haben es in Thüringen mit einer paradoxen Situation zu tun. Einerseits haben wir in Thüringen eine hohe Theaterdichte, und das Land nimmt einen Spitzenplatz bei den Pro-Kopf Ausgaben für Kultur in den Flächenländern ein – was sehr erfreulich ist! Andererseits haben jedoch die freien, nicht-institutionellen Künste es schwer, eine auskömmliche Finanzierung zu bekommen. Dies wird unter anderem belegt durch die starke Abwanderung von Thüringer Künstlern und Künstlerinnen, die zum Beispiel der Thüringer Theaterverband beklagt. An diesem Widerspruch müssen wir gemeinsam arbeiten und versuchen, ihn aufzulösen.
Was passiert bei „Wir können auch anders! Die Roadshow“ am 9. Juni?
Die Transformationsforscherin Maja Göpel wird gemeinsam mit den Filmemachern Lars Jessen und Laura Luzito die ARDDokureihe und das gleichnamige Buch „Wir können auch anders“ vorstellen. Einige der Menschen aus der Doku werden auch in Erfurt vor Ort sein. Man darf also gespannt sein. Wir freuen uns besonders, dass von der Band Keimzeit Bandleader Norbert Leisegang, sein Bruder Hartmut Leisegang (Bass), Keyboarder Andreas Sperling und der Erfurter Drummer Lin Dittmann mit dabei sind und die Show musikalisch supporten.
Am 10. Juni findet um 11 Uhr die Konferenz „Professionell mit Krisen umgehen“ statt. Was wird hier passieren?
Die Konferenz startet um 11 Uhr mit einem Aktivist:innenbrunch im Zughafen in der Halle 6. Wichtig ist es, Räume für Kulturschaffende, aber auch Kulturinteressierte zu kreieren, in denen sie sich nicht nur weiterbilden können, sondern auch Zeit haben, sich ernsthaft auszutauschen. Wir haben uns mit den Kolleg:innen von „Foutur Ost“ Sachsen vernetzt. Das ist eine Plattform, die Kulturarbeit in Ostdeutschland zu mehr Sichtbarkeit verhelfen will. Es gibt daher ein gleichberechtigtes Programm aus sächsischen und Thüringer Akteur:innen. Sie beschäftigen sich mit den Themen nachhaltiges Produzieren in den darstellenden Künsten und künstlerischen Antworten auf radikal rechte Strukturen. Mit dabei ist die Ständige Kulturvertretung Erfurt, der Konglomerat e.V., das Nachhaltigkeitszentrum Thüringen und die Kommunikationsforscherin und Theatermacherin Anna Stiede.
Was ist das Ziel der Konferenz?
Zum einen wollen wir die Ergebnisse vom Tag sammeln, aufbereiten und später in einem Onepager an Entscheidungsträger:innen aus unterschiedlichen Bereichen übergeben. Es muss ja auch ein Wissensfluss und -transfer entstehen, damit neue Ideen diskutiert und auch politisch mit einbezogen werden können. Zum anderen erhoffen wir uns, dass an dem Tag neue Verbindungen zwischen Künstler:innen und Kulturakteuren entstehen können. Häufig sind solche Veranstaltungen Anlass, sich in anderen Projekten wieder zu vernetzten und auf lokaler oder überregionaler Ebene zusammenzuarbeiten. Und wir hoffen, dass trotz des Samstags einige Mitarbeiter:innen aus den Kulturabteilungen und interessierten Stiftungen teilnehmen und bei der Entstehung erster Projektideen live dabei sind. Das selbst erfahrene Erlebnis wirkt ja immer stärker nach als ein Antrag – in Arial, Schriftgröße 12.
Wer ist angesprochen bei den Workshops teilzunehmen und warum?
Worauf wir achteten ist, dass das Programm nicht ausschließlich nur für Kulturprofis gestrickt ist. Denn uns ist bewusst, dass diese Themen vielen anderen Menschen, vor allem in Ehrenamtsstrukturen, unter den Nägeln brennen. Angesprochen sind Künstler:innen, Kulturakteur:innen, Menschen, die in Ehrenamtsstrukturen arbeiten, Aktivist:innen, die sich mit den Problemlagen von Rassismus und Rechtsextremismus auseinandersetzen, Aktivist:innen, die eine nachhaltige Arbeitsweise in ihren Alltag integrieren wollen. Und natürlich auch Multiplikator:innen, die sich ernsthaft mit diesen Themen auseinandersetzen wollen.
Am zweiten Wochenende ist das Rumpel Pumpel Theater in der Stadt unterwegs. Was gibt es dann zu sehen?
Das Rumpel Pumpel Theater ist eine der wenigen wirklichen mobilen Bühnen, die es im deutschsprachigen Raum gibt. Die Schauspieler:innen spielen von einem umgebauten Marktwagen aus dem Jahr 1969 herunter und um diesen herum. Das Kollektiv dahinter sind professionelle Theatermacher:innen, die sich dieser „alten“ Theater-Form angenommen haben. Man könnte es recht anarchisches Volkstheater nennen. Auf jeden Fall ist es sehr lustig.
Warum habt ihr euch am dritten Wochenende das Jüdische Erfurt als Thema vorgenommen?
Es ist unser Anspruch, unser Festival stärker an die Stadt anzubinden. Aus diesem Grund haben wir uns in diesem Jahr einem Thema gewidmet, das in Erfurt sehr präsent und auch besonders wichtig für die Stadt-Identität ist: Das jüdische Leben und Erbe der Stadt, das ja auch seit einigen Jahren vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist. Wir wollen uns diesem besonderen Aspekt der Stadtgeschichte nähern und haben diesen deshalb am dritten Wochenende ins Zentrum gestellt. Highlight ist die performative Stadtführung „Jüdisches Erfurt – Unterwegs zwischen Gestern und heute“, bei der die Zuschauer:innen einen kurzweiligen, aber tiefgehenden Einblick in das Jüdische Leben der Stadt erhalten. Gemeinsam begehen wir zentrale Orte des jüdischen Lebens und treffen auf Expert:innen, die verschiedene Aspekte erhellen.
Natürlich dürfen die Gastspiele und Aufführungen verteilt auf die Festivalzeit nicht fehlen: Worauf habt ihr da den Fokus bei der Auswahl gelegt?
Auch hierbei haben wir den Fokus auf das jüdische Leben und Erbe gelegt: In „Balbina – eine Hommage an meine tollkühne Schwiegermutter“ erzählt die Schauspielerin und Sängerin Cornelia Schirmer die ziemlich irre Geschichte ihrer Schwiegermutter, die in der Zeit der deutschen Besatzung in Paris zahlreichen Juden zur Flucht verholfen hat. Das Gastspiel vom Staatstheater Mainz „Wanted_Negative“ erzählt die Geschichte der jüdischen Fotografin und Künstlerin Lucia Moholy, die für das Entstehen des „Mythos Bauhaus“ von großer Bedeutung war, jedoch im Schatten der berühmten Männer lange in der Versenkung verschwand. Das Stück macht sie und ihr Wirken wieder bekannt. Beide Gastspiele bilden einen künstlerischen Akzent für das dritte und letzte Juniwochenende des Festivals; sie finden jeweils im Anschluss an die Walking Acts statt.
Phoenix Theaterfestival in Erfurt – Auszug aus dem Programm:
- 8. Juni: Startschuss am KulturQuartier mit FilmScreening, Paneldiskussion und mehr
- 9. Juni: Café, Grill, Musik und Hüpfburg ab 15 Uhr am Kulturquartier, Marktplatz der Möglichkeiten und „Wir können auch anders! Die Roadshow“ (19 Uhr)
- 10. Juni: Konferenz, Künstlerische Intervention, Gastspiel ab 11 Uhr am Zughafen
- 16. und 17. Juni: Rumpel Pumpel Theater, Performance, Tanz und Party
- 23., 24. und 25. Juni: Walking Act – Jüdisches Erfurt insgesamt neun Termine, Szenischer Liederabend in der Barfüßerruine (23. Juni), Gastspiel – „Wanted_Negativ“ (24. Juni)
Hard Facts:
- 8. bis 10. Juni | 16. bis 17. Juni | 23. bis 25. Juni
- Das komplette Programm: phoenixfestival.de