Liebe Leserin, lieber Leser, lange habe ich nachgedacht, ob ich diesen Schritt wirklich gehen soll. Doch bin ich nach tiefgehender Recherche einer ziemlich großen Sache auf der Spur. Gleichzeitig habe ich Angst vor den Lobbyistinnen und Funktionären dieses Landes. Kann ich mit dieser Wahrheit ans Licht? Drohen mir Sanktionen und Strafen? Werde ich mundtot gemacht, nur weil meine „alternativen“ Quellen das aufzeigen, was die Medien verschweigen? Doch die Lüge wiegt schwer und der Betrug ist groß. Alle sollen es erfahren, denn es geht um unser aller Gesundheit. Lebensmittelfirmen und Pharmaindustrie arbeiten Hand in Hand und melken uns dabei wie rammdösige Kühe. Die Spinatverschwörung ist echt und zählt zum größten Betrug der neueren Geschichte.
Stück für Stück werden unsere Nieren versagen
Lange wurde uns weiß gemacht, dass Spinat stark macht und gesund ist. Die von den mächtigen Wirtschaftsunternehmen eingesetzte Marionettenfigur „Popeye“ führt schon die Jüngsten unserer Gesellschaft zu lange an der Nase herum. Spinat ist giftig, denn in Spinat ist Oxalsäure. Diese von der Lebensmittelindustrie hinzugefügte Säure soll uns langsam aber sicher krank machen. Stück für Stück werden unsere Nieren versagen, bis wir auf teure Medikamente angewiesen sind und der eh schon viel zu reichen und mächtigen Pharmaindustrie zum Opfer fallen. Also nieder mit dem Spinatverzehr! Verbreitet die Wahrheit! Alle müssen es wissen! Bevor jetzt alle zum Tiefkühlfach rennen, um die Spinatvorräte zu vernichten, möchte ich euch gestehen, dass dies eine von mir ausgedachte Verschwörungserzählung ist. Die meisten von euch werden den Braten eh schon gerochen haben, aber sicher ist sicher. Spinat ist gesund und enthält unter anderem viele wichtige Vitamine, Folsäure, Kalium und Eisen. Tatsächlich beinhaltet Spinat aber auch die genannte Oxalsäure, welche bei übermäßigem Konsum zu Nierensteinen führen kann. Diese ist aber nicht Teil einer großen Verschwörung, sondern einfach eine Tatsache, auf die man beim Spinatkonsum achten sollte.
Die Zweifel an der Wahrheit sind häufig toxisch
Verschwörungserzählungen sind dabei so alt, wie die Menschheit selbst. Meistens dienen sie dazu Schicksalsschläge, globale Krisen oder rational schwer zu erklärende Vorkommnisse mit einfachen oder auch absurden Lösungen zu versehen. Zunächst wird davon ausgegangen, dass wir alle im großen Stil belogen werden. Eine kleine und mächtige Gruppe von Drahtziehern webt dabei im Hintergrund die Fäden, um uns schlussendlich zu ihren Zwecken zu manipulieren. Weiterhin ist wichtig, dass diese Lüge eine existenzielle Bedrohung enthält. Wer die Wahrheit kennt, kann viele Menschen vor Schaden bewahren, indem die Wahrheit weiterverbreitet wird. Die Zweifel an der Wahrheit sind aber häufig toxisch – und die Zweifler oft nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert und nicht offen gegenüber neuen Gedanken. Verschwörungsgläubige Menschen wähnen sich in den Kreisen derjenigen, die hinter den Vorhang geschaut haben und wissender sind, als der Rest der „hypnotisierten“ Bevölkerung.
So kann das Selbstwertgefühl gesteigert und die eigene Person aufgewertet werden. Die Bedürfnisse nach Einzigartigkeit, klaren Antworten und Kontrolle können so in Kontexten der Hilflosigkeit und Ohnmacht zurückerlangt werden. Es ist also ratsam, kurz innezuhalten, wenn schnelle und einfache Lösungen präsentiert werden. Reines Schwarz-Weiß-Denken mit klaren Feindbildern und eine Verschlossenheit gegenüber Gegenargumenten sollten uns stutzig machen. Auf Fakten beziehen sich sowohl Anhängerinnen und Gegner von Verschwörungserzählungen. Sie teilen nur nicht das Verständnis darüber, welcher Quelle man vertrauen kann. Und gab es nicht im Laufe der Geschichte tatsächlich Verschwörungen, die entweder von mutigen Menschen aufgedeckt und vereitelt wurden oder sich erst viele Jahre später offenbarten? Es wird also immer schwer sein, sich nicht in den Bann von unterschiedlichen Verschwörungserzählungen ziehen zu lassen. UFO und Bigfoot-Sichtungen wirken dabei noch harmlos und unterhaltsam. Wenn Elvis tatsächlich noch lebt, sei es ihm doch gegönnt. Und wenn Paul McCartney tatsächlich 1965 bei einem Autounfall gestorben ist und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde, dann macht dieser schon seit langer Zeit einen verdammt guten Job.
Die Gefahr von Verschwörungstheorien
Bedrohlich wird es, wenn Verschwörungserzählungen darauf abzielen Menschen und ganzen Bevölkerungsgruppen zu schaden. Hexenverbrennungen und Pogrome gegenüber Jüdinnen und Juden in den letzten Jahrhunderten sind nur zwei von unzählig vielen Beispielen, in denen auf Verschwörungserzählungen Gewalthandlungen folgten. Niemand hat im 14. Jahrhundert die Brunnen vergiftet, um die Bevölkerung zu dezimieren. Unhygienische Zustände in dicht besiedelten Gebieten und eine zunehmende Globalisierung gaben dem „Schwarzen Tod“ die Chance sich mörderisch auszubreiten. Menschen, die zu der Zeit aber zahlreiche Tote zu beklagen hatten, suchten klare und einfache Antworten für diese Schicksalsschläge. Die wenigsten waren zu der Zeit in der Lage dies auf Ursachen zu beziehen, die man nur unter dem Mikroskop erkennen kann. Heute haben wir dank digitaler Medien andere Möglichkeiten der Information und Recherche. Diese können jedoch nach allen Formen von Wahrheiten greifen. Lasst uns dennoch nicht versuchen nach Brunnenvergiftern zu suchen, sondern so oft wie möglich nach logischen Antworten.
Als freiberuflicher Pädagoge schult der Erfurter Kay Albrecht die unterschiedlichsten Zielgruppen medienpädagogisch. Regelmäßig klärt Kay in seiner Kolumne im t.akt über Medienphänomene auf, um kritische Zugänge zu den alltäglichen Herausforderungen der medial geprägten Lebenswelt zu legen.