Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenend-Schmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
St. Georges im Eichsfeld
Ich stehe vor einem Fachwerkhäuschen mit spitzem Dach und einer gemütlichen Laterne an der Hauswand. Über mir baumelt ein großes Schild mit Wappen: Weintrauben sind darauf zu sehen und Würste. Es sieht aus als würden hungrige Reisende hier schon seit Jahrhunderten einkehren und kurz vor der Grenze in die genussvolle Welt der französischen Küche eintauchen. Dass das Restaurant St. Georges nicht kurz vor der französischen Grenze, sondern vor der hessischen Grenze liegt, tut der Sache dabei keinen Abbruch.
Wir befinden uns im Eichsfeld. Genauer in einem verschlafenen Örtchen mit dem wenig französischen Namen „Dieterode“. Sobald wir das rustikale Holztor des Fachwerkhauses durchschreiten und Herrn Dr. Werner Freund im weinbewachsenen Innenhof mit Schürze und Hut am Holzofen hantieren sehen, sind wir im Kurzurlaub in Frankreich angekommen. „Maison du Bonheur“ – Haus des Glücks steht auf einer Plakette neben der Eingangstür – ja, so ungefähr fühlt sich das bisher an.
Ein französisches Fachwerkhaus
2005 hat Herr Dr. Freund hier dieses besondere Restaurant eröffnet. Ursprünglich hat er in Geografie promoviert, dann als Bauhistoriker gearbeitet und nebenbei im Elsass seine Liebe zur französischen Küche entdeckt. Teilweise steht er selbst in der Küche, mittlerweile übernimmt Chefkoch Daniel Müller das meiste. Das Fachwerkhaus hat Freund sanieren lassen, so, wie er sich sein perfektes Frankreich vorstellte. Die außergewöhnlichen Möbelstücke hat er in Auktionen erstanden, Kupferkochgeschirr angeschafft und Bilder befreundeter Künstler aufgehängt. So entstand nach und nach das kleine Wunderland, in das wir jetzt eintreten.
Holzgalerie an der Hausrückseite
Wir haben die Thüringische Landstraße gerade hinter uns gelassen, da haben wir schon völlig vergessen, dass wir gerade mal 90 km von Erfurt entfernt sind. Bei dem schönen Wetter an diesem Tag im Mai setzen wir uns für einen Aperitif auf die Holzgalerie an der Hausrückseite. Der Blick schweift über den naturnahen Kräutergarten und auf die dahinterliegenden Hügel. Die Sonne schickt die letzten goldenen Strahlen des Tages und verwandelt meinen Champagner (wenn schon Frankreich, dann richtig!) in eine glitzernde Flüssigkeit, welche die Verheißungen des Abends verspricht. Dr. Freund bringt die heutige Speisekarte très français auf einer handbeschriebenen Tafel. „Das ist, was wir heute haben!“, freut er sich.
Gänsemastleber, Flammkuchen, Quiche, Perlhuhn
Die Auswahl ist klassisch französisch: Gänsemastleber, Flammkuchen, Quiche, Perlhuhn. Wir insistieren nicht hartnäckig genug und bestellen fast versehentlich das komplette 8-Gänge Menü. Upsi. Immerhin schaffen wir es eine größtenteils vegetarische Variante zu bekommen. Kleiner Hinweis: auch wenn es nicht so klingt, man kann auch à la Carte bestellen! Nun ja, Champagner drüber – wir merken schnell, dass die meisten Gäste gerne das ganze Menü bestellen wollen. Sie sind teilweise von weit her angereist (nicht aus Frankreich, aber aus München, Hannover oder Kassel) und fast alle nächtigen in der angegliederten „Auberge“. Das ist eine schlaue Idee, um den kompetenten Empfehlungen zu (größtenteils französischen Weinen) von Silke Urbach folgen zu können.
Wir haben gerade Mozzarella mit einem köstlichen Basilikumsorbet verspeist, da wird es uns draußen langsam zu frisch. Wir wechseln in den Innenraum. Zahlreiche Kerzen erleuchten das Silberbesteck auf den Tischen. An den Wänden hängen zwischen romantischen Gemälden auch Fotos, die aussehen als wären sie bei Bistrobesuchen in Frankreich entstanden. Die zusammengesammelten alten Tische und Stühle sind perfekt aufgearbeitet und mit weißen Servietten versehen. Hier herrscht diese seltsam französische Mischung aus Eleganz, absoluter Leichtigkeit und einer Prise Verschrobenheit. Es ist herrlich. Nach einer mit Kräutern gefüllten Tomate, leckerer Perlhuhnbrust in Morchel-Sahnesoße und einem Rhabarber-Erdbeer-Crumble fallen wir ins Bett der Auberge. Beim wirklich herausragend guten Frühstück resümieren wir den Abend: Im St. Georges zahlt man auch für das Erlebnis. Wer nur gut essen möchte, findet für den Preis in Thüringen anderes. Doch 125 Euro (Menüpreis für 8-Gänge) sind für einen Kurztrip nach Frankreich ja schon fast wieder günstig.
Text: Mira Held
Hard Facts:
- Restaurant St. Georges
- Wo? Dorfstraße 16A, 37318 Dieterode
Wann? Von April bis November | Freitag und Samstag ab 17 Uhr | Sonntag 12 bis 14 Uhr und ab 17 Uhr | - Mehrunter: www.restaurant-st-georges.de