Es muss nicht immer Bauhaus sein! – Unter diesem Motto präsentiert das Kunsthaus Meyenburg in Nordhausen eine etwas andere Ausstellung. Es wirken mit: Ramses II., Albrecht Dürer, Zar Alexander III., Salvador Dalí, Rembrandt, H. van Rijn, Roy Lichtenstein, Andy Warhol und viele weitere Künstler:innen. Im Mittelpunkt der Schau stehen Architekturdarstellungen aus über 2000 Jahren Kunstgeschichte, die sowohl die Unterschiedlichkeit der technischen Möglichkeiten des Bauens als auch die stilistische Entwicklung – sowohl der Architektur als auch der Kunst zeigen.
Kunsthaus Meyenburg in Nordhausen
Insgesamt sind in „Es muss nicht immer Bauhaus sein!“ 150 Ölgemälde, Aquarelle und grafische Kunstwerke zu sehen, die größtenteils aus einer Thüringer Privatsammlung stammen und erstmals der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Wir sprachen mit Susanne Hinsching über die Ausstellung und schauen mit der Leiterin der Städtische Museen Nordhausen hinter die Kulissen des Museumsbetriebs.
Wie kam es eigentlich zur Ausstellung? Und warum Architekturdarstellungen?
Das Kunsthaus Meyenburg verfügt dank der Ilsetraut GlockGrabe Stiftung über eine umfangreiche eigene Kunstsammlung mit Werken der Klassischen Moderne. Diese bilden häufig den Grundstock bzw. den Ausgangspunkt für Sonderausstellungen. Zudem zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass thematische Ausstellungen bei den Besuchern besonders gut ankommen. In der Sammlung haben wir einige interessante Werke mit Architekturdarstellungen, zum Beispiel von Hundertwasser „Lastwagenfahrer mit seinen Häusern“, den übrigens unsere Stifterin Ilsetraut Glock im Jahr 2008 eigens für unser Haus erworben hat.
Highlight ist auch die originale Bleistiftskizze von Lyonel Feininger mit der Blasii-Kirche in Nordhausen aus dem Jahr 1932. Diese hat der Kunsthaus Meyenburg Förderverein 2017 angekauft. Zusammengefasst kann man sagen, dass ich in der Sammlung nach Themen suche, die den Ausgangspunkt bilden und dann schaue ich, wo ich passende Werke zur Ergänzung für eine ganze Sonderausstellung herbekomme.
Wie lange dauert es eigentlich, bis die Planung für eine Ausstellung mit 150 Kunstwerken beendet ist? Und wie findet man Bilder zum Thema?
Die Planung beginnt etwa zwei Jahre im Voraus, manchmal auch etwas früher. Als kleines städtisches Kunstmuseum mit sehr geringem finanziellem Etat und wenig Personal können wir natürlich nicht 100 verschiedene Leihgeber anfragen, beziehungsweise die großen Museen einbeziehen. Ich kenne viele private Sammler und deren Sammlungen sowie Stiftungen und Galerien, mit denen ich seit Jahren gut und gern und vertrauensvoll zusammenarbeite. An diese wende ich mich dann mit Anfragen. In dieser Ausstellung stammen circa 30 Arbeiten aus unserem eigenen Sammlungsbestand.
Ihr habt Bilder größtenteils aus einer Thüringer Privatsammlung. Wie kam da der Kontakt zustande?
Mit dem „Thüringer Leihgeber“, der namentlich nicht genannt werden möchte, arbeite ich schon seit Jahren zusammen. Er hat erstmals Leihgaben zur Tierausstellung 2020 zur Verfügung gestellt. Er ist sehr daran interessiert, seine Werke öffentlich zu zeigen, ist ein leidenschaftlicher Sammler, der seine Sammlung immer erweitert und mich über seine Neuanschaffungen informiert. Deshalb wusste ich, dass er viele Werke zum Thema Architektur hat. Als es dann zur Entscheidung des Themas kam, konnte ich bei ihm aus einer immensen Vielzahl von Werken mit Architekturdarstellungen auswählen. Ausgewählt habe ich dann 132 Werke. Das Besondere an diesem Sammler ist auch, dass er seine Leihgaben vorher restauratorisch behandeln und die Grafiken qualitativ hochwertig rahmen lässt.
Wie habt ihr es hinbekommen, an so berühmte Namen wie Rembrandt, Dürer und Lichtenstein ranzukommen?
Bei den Werken von den namhaftesten Künstler:innen handelt es sich natürlich nicht um Gemälde, diese könnten wir uns schon aus versicherungstechnischer Sicht nicht leisten, sondern um Grafiken oder limitierte und handsignierte Plakate. Diese konnte der Leihgeber auf dem Kunstmarkt noch zu einigermaßen realisierbaren Preisen erwerben. Bei den Dürer-Holzschnitten handelt sich es sich um hochwertige Reprints teilweise von den Originalplatten.
So eine Leihgabe zu organisieren, scheint viel Arbeit zu sein. Wie geht so etwas eigentlich vonstatten?
Das ist eigentlich nicht so spektakulär, da in dieser Ausstellung 132 Werke aus einer einzigen Sammlung entliehen wurden. Ich habe den „Thüringer Sammler“ telefonisch nach Werken mit Architekturdarstellungen gefragt, darauf schickte er mir eine zweiseitige Namensliste, aus der ich auswählen konnte. Dann wurde der Leihvertrag abgeschlossen, der Termin für den Transport vereinbart. Der Leihgeber wollte seine Werke auch selbst nach Nordhausen bringen. Er hat dann alles mit Luftpolsterfolie und in Kisten und Karton verpackt und dann mit einem angemieteten Transporter den Weg nach Nordhausen genommen.
Im Kunsthaus haben wir dann alles ausgepackt, kontrolliert, die Betextungen und Beschilderungen für jedes einzelne Bild vorbereitet und drucken lassen. Die große Anzahl an Werken hat einige Zeit der Konzeptionierung in Anspruch genommen. Ich hatte bereits im Juli Fotos von allen Werken und konnte den Hängeplan also vorbereiten. Zu 95 Prozent hat es auch geklappt, nur kleine Änderungen gab es dann, als die originalen Werke da waren. Eine lustige Transportgeschichte gab es noch: Wir präsentieren eine große, 1,50 Meter hohe und 35 Kilo schwere chinesische Vase mit der Darstellung von besonderen chinesischen Brückenbauten. Da sich diese Vase nur schwer bruchsicher verpacken ließ, hat sie der Leihgeber im Privatauto auf dem Beifahrersitz mit Sicherheitsgurt angeschnallt transportiert.
Warum habt ihr euch für den Turm zu Babel als Leitmotiv entschieden?
Dafür gibt es mehrere Gründe: Der Turmbau zu Babel ist ein Motiv, dass schon sehr alt ist und jeder kennt. Es ist das erste Motiv in der Kunstgeschichte, bei der Architektur nicht nur Begleit- oder Hintergrundmotiv ist. Des Weiteren haben wir fünf unterschiedliche Darstellungen, von fünf verschiedenen Künstler:innen mit diesem Motiv in unserer Ausstellung. Das Älteste ist die fantastische Darstellung von Nicolas Bonnart aus dem Jahr 1690. Es handelt sich um einen handkolierten Kupferstich, das Motiv des Flyers. Aufgrund der Kolorierung ist es ein sehr seltenes Blatt. Das „Herzog Anton Ulrich-Museum“ in Braunschweig besitzt es in schwarz-weiß.
Eine größere Sammlung seiner Werke befindet sich in „The Princely Collections VaduzVienna“ in Lichtenstein. Im Vordergrund ist ein Architekt mit seinem „Plan“ und König Nimrod, als damals zuständiger Bauherr und Mitinitiator der Gigantomanie zu sehen. Weitere „Babeltürme“ sind von M. C. Escher und Salvador Dalí sowie von Klaus-Dieter Kerwitz, einem 2017 verstorbenen Nordhäuser Künstler. Heißt: Fünf Werke aus fünf Jahr hunderten – präsentiert im halbrunden Turmzimmer des Kunsthauses.
Zum Titel der Ausstellung: Warum muss es nicht immer Bauhaus sein?
Weil es noch viel mehr Architekturdarstellungen in der Kunstgeschichte gab, beziehungsweise gibt. Die Geschichte der Architekturdarstellungen ist viel älter als das Bauhaus. Wir haben natürlich auch 2019 eine Ausstellung zum 100. Jubiläum des Weimarer Bauhauses im Kunsthaus präsentiert, die sehr erfolgreich war. In unserer jetzigen Ausstellung wollen wir zeigen, dass Architektur auch immer im Wandel der Zeit und der Gesellschaft stand oder steht, sowohl was die Bauobjekte betrifft als auch deren Gestaltung. Das kann man besonders gut mit der Bildenden Kunst – also Malerei und Grafik – verbinden, da sich grundsätzlich hier viele Parallelen aufzeigen.
Welche Darstellung oder Bild finden sie am faszinierendsten und warum?
Jedes Kunstwerk hat seine eigene Geschichte und seine eigene Wirkung und löst unterschiedliche Emotionen aus. Da ein Ranking festzulegen, ist sehr schwer. Mich persönlich faszinieren abstrahierte Werke etwas mehr, deshalb ist der „Turris Babel“ von Salvador Dalí aus dem Jahr 1967 einer meiner Favoriten. Dalís Vorlage für diese Lithografie stammt übrigens aus dem Bibel-Zyklus „Biblia Sacra“ von 1964. Andererseits sind die großformatigen Radierungen von Hugo Ulbrich „Rathaus zu Breslau“ aus dem Jahr 1903 mit ihrer unglaublichen realistischen Detailtreue überraschend faszinierend.
Warum sollte ich mir die Schau auf keinen Fall entgehen lassen?
Weil die Ausstellung mit den 152 ausgestellten Kunstwerken und Objekten einen großartigen Einblick auf die Entwicklung der Architekturdarstellungen in Europa seit dem 15. Jahrhundert und sogar etwas darüber hinausgibt. Weil die Ausstellung 152 Werke von 82 verschiedenen Künstlern zeigt. Weil die Ausstellung sowohl namhafte Künstler:innen mit eher unbekannteren Werken (weil nicht in den großen Museen präsentiert), als auch großartige Werke von unbekannteren Künstlern zeigt. Weil man in der Ausstellung in den elf Räumen eine kleine Reise um die Welt und durch die Zeit unternehmen kann. Weil man vielleicht sogar sein nächstes Reiseziel planen kann. Weil die Ausstellung einmalig ist und es viel zu sehen und zu entdecken gibt. Und weil die historistische Villa des Kunsthauses Meyenburg mit seinem Aussichtsturm auch eine Verbindung von Architektur und Kunst ist und damit die perfekte Plattform für solch eine Ausstellung darstellt.
Hard Facts:
- Es muss nicht immer Bauhaus sein!: Bis 25. Februar 2024
- täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr
- Kunsthaus Meyenburg | Alexander-Puschkin-Str. 31 | Nordhausen
- Mehr: www.nordhausen.de