Der Studentenclub „Schmiede“ war lange Zeit eine kulturelle Institution in Lobeda-West. Im Jahr 1972 wurde der Studentenclub durch Initiative von Studierenden der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Keller eines Neubaublocks eröffnet. Später zog er in einen 300 Quadratmeter umfassenden Flachbau um. Mit ihrem urigen Charme und günstigen Preisen wurde die „Schmiede“ über die Jahre nicht nur für Studierende, sondern auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Jenaer Stadtteils zu einem ebenso belebten und beliebten Treffpunkt.
Von der Schmiede zu Emils Ecke
Doch die Event-Location kam ähnlich wie sein Interieur und die politischen Einstellungen vieler Gäste – die zunehmend durch ihre Engstirnigkeit auffielen – in die Jahre, sodass sie Ende 2017 erst einmal geschlossen wurde. 500.000 Euro Fördermittel steuerte der Freistaat Thüringen bei, damit das Studierendenwerk als Inhaber des Objekts die dringend notwendigen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durchführen konnte. Nicht nur optisch erkannten viele Stammgäste ihre „Schmiede“ bei der Neueröffnung nicht mehr wieder, die 2020 mit dem Namen „Emils Ecke“ (wegen ihres Standorts in der Emil-Wölk-Straße 5) auch einen neuen Namen verpasst bekam.
An diese Zeit erinnert sich auch Maria Mayer zurück, die kurz vor der Übergabe der Räumlichkeiten Mitglied des gemeinnützigen „Emil5“ e.V. wurde, der die Location nun bewirtschaftet. Die heute 23-jährige Lehramt-Studentin wohnt selbst in Lobeda und bekam die anfängliche Skepsis vieler Nachbarn im Viertel mit. „Vorher war die ‘Schmiede’ ein Ort, an dem sich internationale Studierende einfach nicht mehr wohlgefühlt haben. Die Gäste waren sehr homogen, sehr viele ältere, weiße Leute. Das haben wir mit einem weltoffenen Konzept geändert“, sagt sie stolz.
Ein Barriere- und Diskriminierungsfreier Raum
Das Studierendenwerk mache keine Vorgaben, so dass viele Ideen von African Beat- oder Dancehall-Parties über DJWorkshops, Karaoke und Open Stage-Abende bereits umgesetzt wurden. Dabei werde darauf geachtet, dass die Veranstaltungen auch finanziell niederschwellig bleiben und kostenfrei bis kostendeckend angeboten werden. Barrierefreiheit wird also nicht nur durch eine Rampe gelebt, die körperlich eingeschränkten Personen den Zugang zu den Veranstaltungsräumen mit einer großen Bar aus hellem Holz gewährt. Rassistisches, sexistisches oder in irgendeiner Weise diskriminierendes Verhalten wird nicht geduldet – so steht es in der Vereinssatzung und so wird es gelebt.
Wenn ein Tischtennisturnier Vorurteile abbaut
Über ein Sportereignis hat sich „Emils Ecke“ auch bei alteingesessenen Lobedaern Akzeptanz verschafft. Die beteiligten sich im November 2021 an einem Tischtennisturnier im Außenbereich – und tranken am nächsten Vormittag gemeinsam mit internationalen Studierenden Chai, kamen dabei ins Gespräch und bauten Vorurteile ab. Das funktionierte tatsächlich besser, als die vielen Vorbehalte der Jenaer:innen und Jenenser:innen: Während auch einige Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils Winzerla die kulturellen Angebote oder auch die Sozialberatung (etwa für Arbeitsuchende) wahrnehmen, „verirren“ sich Bewohner aus anderen Stadtvierteln nur selten in „Emils Ecke“.
Aktuell beteiligen sich zehn – in Alter, Beruf und sozialem Status diverse Mitglieder – im „Emil5“ e.V. aktiv. Weitere tatkräftige Unterstützer sind herzlich willkommen, die sich in der Veranstaltungsorganisation engagieren, in Sachen Finanzen unterstützen oder ehrenamtlich eine Barschicht übernehmen wollen. „Es gibt unterschiedliche Arbeitsgruppen – aber das regelmäßige Putzen der Räume geht alle an“, sagt Maria mit einem Grinsen. Für Veranstaltungsideen von außen ist der Verein offen, dessen Kulturbeirat einmal monatlich tagt.
Theater trifft Improvisation
Zu einem dieser Treffen im Jahr 2021 erschienen auch Mitglieder:innen des Improvisationstheaterensembles von „Das Rababakomplott“ und stellten sich und ihr Programm vor. Es entstand eine langfristige Zusammenarbeit, die durch einen Auftritt am 30. April in die nächste Runde geht. Wer daran Gefallen findet und sich dann vielleicht selbst einmal auf der Bühne versuchen will, hat dazu jeden Dienstag von 19 bis 20.30 Uhr in „Emils Ecke“ bei einem angebotenen Kurs der „Rababsen“ Gelegenheit. Ein kulturelles Angebot also, das mit interaktiven Darbietungen aus Schauspiel und Musik das inklusive Konzept vom „Emil5“ e.V. regelrecht lebt.
Hard Facts:
- „Das Rababakomplott“ | Improvisationstheater
- Wann? 27. Mai – 16 Uhr
- Wo? Emils Ecke | Emil-Wölk-Straße 5 | Jena
- Mehr unter emils-ecke.org