Der 8. Mai 1945 gilt als das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. An jenem Tag trat die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht in Kraft. Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano schlug vor, diesen Tag als Feiertag zu sehen und zu begehen. Und nicht nur deshalb wird seit einigen Jahren am 8. Mai in Thüringen der Aktionstag „Gold statt Braun“ gefeiert.
Gold statt Braun in Thüringen
Gera ist seit 2021 dabei. Organisiert wird es in der Otto-Dix-Stadt durch das Ehepaar Prochnow und Anna-Katharina
Schroth. Sie hatten damals Mitinitiator Dirk Teschner in Erfurt kennengelernt, kulturpolitische gemeinsame Haltungen festgestellt und von der Aktion „Gold statt Braun“ erfahren, die in der Landeshauptstadt von DIE VIELEN Erfurt, Galerie Hammerschmidt und Gladigau, Hilge e. V., Kunsthaus Erfurt und Ständige Kulturvertretung initiiert wird. Und schnell war klar, dass die Aktion für Vielfalt und Toleranz auch in Gera stattfinden soll.
Mehr Programmpunkte und Veranstaltungen als im Vorjahr
Von Jahr zu Jahr wurden es dann nicht nur in Gera immer mehr Akteure und Akteurinnen, die an der Aktion teilnehmen wollen. 2023 sind neben der Dix-Stadt Weimar, Jena, Eisenach, Sömmerda, Arnstadt und natürlich Erfurt beteiligt. Doch nicht nur das. In Gera wie in Erfurt realisieren die Organisator:innen dieses Jahr zudem mehrere Programmpunkte und Veranstaltungen als im Vorjahr. Demokratie Leben stellt Fördermittel zur Verfügung. „Es wird einen Bildungsteil geben“, erklärt Mitinitiatorin Jana Prochnow.
Am Sonntag, dem 7. Mai, beginnen ab 12 Uhr die Feierlichkeiten in der Häselburg. Ein Vortrag widmet sich dem notwendigen Kampf gegen Faschismus und fragt: „Was ist eigentlich Erinnerungskultur?“. Ebenfalls ist eine Mitmachform geplant, bei der man sich schriftlich zu Antifaschismus ausdrücken kann. Auf einer Open Stage „dürfen sich alle künstlerisch beteiligen“. Zudem gibt es ab 16 Uhr ein Konzert mit drei Acts.
Die Punkpop-Band „Donata“, deren Sängerin die Landtagsabeordnete Donata Vogtschmidt ist, spielt. Ebenso kommt Musik von der Alternative-Band „Sadgasm“ und der Band „Vati“ aus Weimar.
„Gold statt Braun“-Aktionstag am 8. Mai
Am Montag, dem „Gold statt Braun“-Aktionstag am 8. Mai „wird es wie gewohnt eine Demonstration durch die Stadt
geben“, so Jana Prochnow. Diese beginnt als Fahrraddemo und wird später als Laufdemo fortgesetzt. Start und Ende
sind das Torhaus in Gera. Dort ist die Gedenkstätte Amthordurchgang, einem ehemaligen Gefängnis für politische Gefangene von 1933 bis 1989. Im Anschluss an die Demo ist dort der Dokumentarfilm „Triumph des guten Willens“ (2016) von Mikko Linnemann zu sehen. Darin geht es um die Texte des Publizisten Eike Geisel, der sich kritisch mit der deutschen Erinnerungspolitik auseinandersetzte. Eintritt für die Vorführung ist frei. Filmemacher Linnemann wird auch vor Ort sein.
Gegen Hass und Hetze, Rassismus
Zentraler Punkt der Feierlichkeiten ist die goldene Gestaltung der Stadt. Wie in den Vorjahren werden Institutionen, Wohnhäuser und Statuen vergoldet. Die dabei verwendeten Rettungsdecken sind ein Symbol für die Rettung Geflüchteter. Daher werden sie als Element gegen Hass und Hetze, Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung eingesetzt. „Sie stehen für das Streben nach einem glänzenden Leben für alle“, wie die Initiator:innen aus Erfurt erklären. Und dem nicht genug: Zusätzlich spielen in Gera goldene Stoffbahnen eine Rolle. In der Dix-Stadt finden seit April Nähworkshops statt. Die dabei genähten Beutel sind am 7. Mai zu erwerben.
„Seit 1930 begann für mich als Halbjuden eine ernste Zeit“
Zahlreiche Kunst- und Kultureinrichtungen machen bei dieser Aktion mit. Doch „es müssten sehr viel mehr selbstverständlich mitmachen“, findet Jana. „Es gibt keine Alternative, als sich so zu positionieren, wie wir das tun. Wenn man sich mal anguckt, was im Faschismus oder im Nationalsozialismus passiert ist, dann ist das doch etwas, was kein Mensch mehr wollen kann.“ Und besonders Thüringen hat eine historisch tragende Rolle dabei. 1930 kam hier erstmals die NSDAP in eine Landesregierung. Noch im selben Jahr hagelte es Verbote und Verordnungen. „Seit 1930 begann für mich als Halbjuden eine ernste Zeit“, erzählte der Jenaer Zeitzeuge Willi T. in den 1990ern.
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Wenige Jahre später lag die Welt in Trümmern. Millionen Menschen starben, unglaubliches Leid wurde zugefügt. Doch
so wirklich scheint man aus dieser dunklen Zeit laut den „Gold statt Braun“-Organisator:innen nicht gelernt zu haben. „Wir erleben aktuell wieder ein Erstarken rechtsradikaler-faschistischer Kräfte, die sich zunehmend sehr deutlich zeigen“, heißt es da. Bestes Beispiel: In Gera gibt es wöchentlich eine rechte Demo, dazu immer wieder Angriffe und Markierung öffentlicher Flächen. Dagegen sehen sich linke Bewegungen häufig Repressionen ausgesetzt, wie zuletzt am 1. Mai. Parallelen zu der damaligen Zeit seien erkennbar.
Aktionen, die zur Erinnerung und Bildung beitragen können
Schon jetzt ist klar, dass es auch in den nächsten Jahren „Gold statt Braun“ geben wird. Der Zuwachs der teilnehmenden Städte zeigt, dass solche Aktionen wichtig sind und zur Erinnerung und Bildung beitragen können, was die Projektwoche im Zuge des Aktionstages in Erfurt zeige. „Da lassen wir uns natürlich gern inspirieren“, erklärt Jana Prochnow, die abschließend sagt: „Wir sind ganz begeistert, wenn wir in die Thüringer Landeshauptstadt schauen.“ Dort finden von 2. bis 10. Mai über 30 Veranstaltungen im Zuge von Gold statt Braun statt. „Das ist natürlich sehr beeindruckend.“
Hard Facts:
- GOLD STATT BRAUN: 08. Mai | Erfurt, Weimar, Jena, Gera, Eisenach, Arnstadt, Sömmerda
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