Die Pandemie trifft der Veranstaltungs- und Kulturszene mitten ins Mark. Vom 27. bis 29. November hätte Weimar geleuchtet. Genius Loci, das internationale Festival für audiovisuelle Projektionen versprach ein Bilder- und Farbenmeer auf die geschichtsträchtigen Fassaden der Klassikerstadt. Als sich die Umstände der Pandemie ein wenig gelockert hatten, haben wir der Festival-Mitarbeiterin Laura Ettlich ein paar Fragen gestellt – zu dieser Zeit sollte das Festival planmäßig vom 27. November an stattfinden. Wir möchten euch dieses Interview dennoch nicht vorenthalten.
Seit wann gibt es eigentlich Genius Loci in Weimar?
Das erste Genius Loci Weimar Festival fand im Jahr 2012 statt – damit befinden wir uns schon in der mittlerweile neunten Ausgabe.
Wie kam es zum ersten Festival und wer ist Gründer?
Das erste Festival entstand im Rahmen einer Standortinitiative für Thüringen im Jahr 2012. Hendrik Wendler ist Gründer und Kurator des Festivals.
Was ist eigentlich Genius Loci?
Die Wortgruppe „Genius Loci“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „der Geist des Ortes“. Und genau darum geht es bei unserem Festival. Es werden Projektionen auf Fassaden geworfen. Diese Bilder beziehen sich auf architektonischer und historischer Ebene auf das jeweilige Gebäude.
Und welche Gebäude werden beleuchtet?
In diesem Jahr können sich Besucher und Besucherinnen entlang einer Festivalroute Fassadenprojektionen am Marstall, am Goethe- und Schiller-Archiv sowie an der Altenburg ansehen.
Vorab kann man sich für das Mapping bewerben. Wie viele Bewerber gab es und wie viele bekommen den Zuschlag?
In unserem jährlich ausgelobten Wettbewerb haben sich über 80 internationale Künstler und Künstlerinnen bei uns beworben. Mittels einer Jury und eines Public Votes wurden unter all den qualitativ hochwertigen Einsendungen drei Projekte ausgewählt, die umgesetzt werden.
Wer hat dieses Jahr Gewonnen?
Den Marstall gestalten Emanuele Musca und Vincenzo Gagliardi mit ihrem Projekt „Inside“. Das Goethe- und Schiller-Archiv wird unter der Überschrift „West-East Conversation“ von Soheil Seraji und Nadira Madreimova gestaltet und an die Altenburg projeziert Flightgraf „Rhythm and Line“.
Was erhalten die Gewinner?
Den Gewinner-Teams stehen 15.000 Euro zur Verfügung, um die Arbeit inhaltlich zu realisieren. Dieses Geld fließt in die Erstellung des Contents, zusätzlich dazu erhalten sie die technische Unterstützung von uns.
Was ist euch bei der Auswahl wichtig?
Bei der Auswahl achten wir sowohl auf die Qualität der Einreichungen, als auch auf die Passgenauigkeit des Konzeptes auf das Gebäude. Inhaltliche Tiefe sollte gegeben sein und das Mapping nicht in eine bloße „Effekthascherei“ abgleiten.
Gab es dieses Jahr ein Thema?
2020 ist für Deutschland ein bemerkenswertes Jahr, mit Jubiläen und Jahrestagen, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Deutschland feiert mit dem „Jahr der Musik 2020“ Ludwig van Beethoven und viele andere Komponisten wie Franz Liszt, die in Deutschland starke Resonanz und Förderung erfahren hatten und dadurch ihre großen Werke erst schaffen konnten.
Genauso gedenkt man auch dem 75. Jahrestag der Ereignisse rund um die Stunde Null – dem totalen Zusammenbruch am Ende des Dritten Reiches. Kaum etwas vereint das Großartige und das Schreckliche so extrem und so nah wie die deutsche Geschichte und die deutsche Kultur – das Deutsche schlechthin. Mit dem diesjährigen Jahresthema „Hybris und Hochkultur“ widmen wir uns diesen Gegensätzen.
Es gibt ja auch ein Programm für 2020. Könnt ihr das Skizzieren?
In diesem Jahr wird das Festival ein wenig anders ablaufen, als man es aus den Vorjahren kennt: entlang einer fest abgegrenzten Festivalroute wird es einen Rundgang geben, der am Burgplatz startet. Um einen entspannten Besucher*innenstrom über den gesamten Zeitraum gewährleisten zu können, wird es außerdem Zeitfenstertickets geben. Die Besucher*innen besorgen sich also vorab ein Ticket unter genius-loci-weimar.org, kommen zur gebuchten Zeit zum Festival und erleben dann einen vielseitigen Rundgang mit vielen spannenden Walk Acts und Fassadenprojektionen entlang der Festivalstrecke. Dieser dauert circa 90 Minuten.
Warum ist es gerade in Zeiten von Corona wichtig, dass ihr an den Start geht?
Alles ist 2020 etwas anders. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) nehmen wir unsere Aufgabe, den Genius Loci zu wecken und die Menschen an ihn zu erinnern, sehr ernst. Im Gegensatz zu vielen anderen Videomapping-Festivals, die leider abgesagt werden mussten, kann unser Festival stattfinden und Künstler*innen somit eine Plattform bieten. Wir halten es für extrem wichtig, dass auch in Zeiten von Corona kulturelle Formate stattfinden und allen Besucher*innen zugänglich sind, die unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen gut durchgeführt werden können.
Welche Bedeutung hat das Festival für Weimar, Thüringen und Deutschland?
Weimar, als Dichter-, Musiker- und Denkerstadt ist für uns der optimale Ort, um ganz in der Tradition des Bauhauses mit dem Festival das noch relativ neue Genre Videomapping zu präsentieren. In diesem Zusammenhang freuen wir uns ganz besonders, Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt nach Thüringen einzuladen.
Hard Facts:
- Vom 27. bis 29. November hätte Weimar geleuchtet – die 9. Ausgabe des Festivals Genius Loci in Weimar wurde auf 2021 verschoben.
- Für weitere News – auch in Bezug auf die nächste Ausgabe des Festivals – besucht Genius Loci auf der Homepage, Facebook und Instagram.
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