Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown #2 mit Christoph Gösel von der KulTourStadt Gotha GmbH
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir ein Jahr später erneut mit dem Geschäftsführer der KulTourStadt Gotha GmbH, Christoph Gösel. Egal, ob Stadtmarketing, Tourismusförderung, Durchführung kultureller Veranstaltungen, die Begleitung und Vermietung von Fremdveranstaltungen in der Stadthalle und dem Kulturhaus oder die Betreibung des Tierparks. Die KulTourStadt Gotha GmbH mischt mit.
Wie sieht aktuell die Lage bei euch aus?
Unsere Häuser sind zu, es finden keine Veranstaltungen statt, der Tierpark darf als Naherholungsort nicht öffnen und wir können sowohl die Einheimischen als auch die Touristen aufgrund der abgesagten Stadtrundgänge nicht durch ihre bezaubernde Stadt führen. Die Lage ist also derzeit alles andere als rosig, aber so geht es ja der gesamten Kultur- und Veranstaltungsbranche. Fast die Hälfte unserer 37 Mitarbeiter ist von Kurzarbeit betroffen. Das ist nicht leicht auszuhalten, zumal nicht klar ist, wann und wie es weiter geht. Ihnen und uns allen Mut zu machen, ist gerade eine ganz wichtige Aufgabe. Außerdem sind wir hinter den Kulissen immer fleißig und gehen auch ungewohnte Wege. So haben Leute, die sonst Veranstaltungen organisiert haben, im Tierpark geholfen und viel geschafft bei Instandsetzungsarbeiten vom Bänkestreichen bis zur Spielplatzrenovierung.
Wie steht es um die Finanzen, gab es Hilfe von außen?
Uns fehlt 2020 bis Ende November fast eine Million Euro an Umsatz gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Über 50 Prozent unseres Budgets erwirtschaften wir normalerweise selbst. Gut zu wissen ist, dass die Stadt Gotha an ihrem Zuschuss von gut 1,3 Millionen Euro im Jahr festhält. Dafür sind wir sehr dankbar. Das gibt uns ein Stück Sicherheit. Unterm Strich haben wir auch keinen höheren Verlust, weil wir durch Kurzarbeit und geringere Zuschüsse einiges ausgleichen. Aber ein Trost ist das nicht, zumal uns ja auch Werbung und Außenwirkung für Gotha verloren gegangen ist, auch wenn das schwer messbar ist.
Auch unser Tierpark gibt uns Hoffnung: Trotz der Pandemie hatten wir das Glück, dass unsere Besucherzahlen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr im Gesamtergebnis recht stabil geblieben sind – zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es insgesamt rund 109.000 Besucher und im Jahr 2020 waren es rund 110.000 Besucher. Die Monate des Lockdowns des Tierparks konnten durch die besucherstarken Monate im Sommer einigermaßen ausgeglichen werden. Dabei war der Mai 2020 mit insgesamt 20.994 Besuchern der stärkste Monat, den der Tierpark seit der Aufzeichnung der Besucherzahlen (seit 2011) je hatte.
Besuchereinbrüche gab es aufgrund der Absage von Veranstaltungen beispielweise beim Tierparkfest, welches an diesem Tag für gewöhnlich 3.000 Besucher in den Tierpark lockt und durch die Einschränkung der Besucherströme auch beim Halloweenfest, bei dem knapp 1.500 Besucher weniger als im Vorjahr zugegen waren. Trotz des annähernden Besucherausgleichs liegen wir nach den vorläufigen Zahlen mit 40.000 Euro hinter dem Plan. Ungefähr die Hälfte davon ist auf den fehlenden Umsatz zurückzuführen, die andere Hälfte entstand durch Mehrkosten, z.B. aufgrund der Hygienemaßnahmen, der Frequenzerhöhung bei der Reinigung, Personalaufwand und so weiter. Hilfe gab es im Rahmen der Corona Sofort im April letzten Jahres. Doch bei den viel beschworenen Novemberhilfen diskutieren wir immer noch darüber, ob auch eine Tourist-Information zwangsläufig zu schließen war, als touristische Reisen und Beherbergungen verboten wurden. Hier steckt der Teufel im Detail und der Weg zu einer Hilfe ist für unser Unternehmen mit sehr vielen Fragestellungen gespickt.
Was hat sich im vergangenen Jahr alles verändert?
Es gibt weiterhin eine neue Dimension der Angst bei Veranstaltungen und beim Besuch von Konzerten. Neben den Bedrohungen durch Attentäter und Amokfahrer kommen nun auch Infektionsrisiken hinzu. Diese gibt es zwar latent auch schon in anderen Bereichen, doch der Fokus auf die aktuelle Pandemie ist so massiv und hebt dies auf eine andere Ebene. Es wird die ganz große Herausforderung in diesem und nächstem Jahr das Vertrauen in die Sicherheit bei Veranstaltungen und bei touristischen Unternehmungen wiederherzustellen. Natürlich sind durch die Veranstaltungsverbote auch die Zahlen in unseren Häusern zurück gegangen. Hatten wir 2019 noch 75 Events in der Stadthalle, waren es 2020 nur 22. Im Kulturhaus hören sich ein Drittel weniger Veranstaltungen gegenüber dem Vorjahr erst mal nicht so dramatisch an.
Doch der Rückgang der Gästezahl um mehr als zwei Drittel zeigt die wahre Dimension. Es gibt derzeit einfach keine Planungssicherheit mehr, weder für uns noch für die Veranstalter, die sich bei uns einmieten. Und die derzeit diskutierten Auflagen einer geringen Auslastung bei Veranstaltungen werden, wenn Sie so beschlossen werden, einige Veranstaltungsformate dauerhaft vernichten. Zudem müssen wir uns mittlerweile auf eine neue Art des Reisens einstellen, die vermehrt auf Spontanität zielt. Bis September gab es in Gotha 45 Prozent weniger Übernachtungen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Nach dem ersten Lockdown kamen über den Sommer hinweg dafür viele Besucher. Doch die haben sich für eine Stadtführung nicht Tage oder Wochen im Voraus angemeldet, sondern sehr kurzfristig. Aus diesem Grund haben wir unser Führungsangebot erweitert und beispielswiese auf tägliche Stadtführungen aufgestockt. Die waren alle gut gebucht.
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Was habt ihr im vergangenen Jahr gemacht?
Ganz unbemerkt haben wir unsere Tourist-Information am Hauptmarkt neu eingerichtet und mit unserem „Gotha adelt“-Laden kombiniert. 250.000 Euro sind in dieses Vorhaben geflossen. (Vielen Dank dafür an das Land Thüringen und die Europäische Union) Doch wir konnten nicht mal eine Eröffnung feiern. Still und leise haben wir den Betrieb aufgenommen, so lange es möglich war. Immerhin hat der Sommer gezeigt, dass Tourist-Info und Laden an einem Ort die erhofften Synergieeffekte haben. Bis in den Oktober war der Zuspruch richtig gut, ehe wir erneut schließen mussten.
Im letzten Jahr und auch während des derzeitigen Lockdowns werden zudem auf dem Tierparkgelände verschiedene Bau- bzw. Pflegemaßnahmen vorgenommen. Wir nutzen wie bei der ersten Schließung die Zeit, um dort zu sanieren, wo es sonst umfängliche Einschränkungen für die Gäste geben würde, wie zum Beispiel bei den Baumpflegearbeiten. Das steigert natürlich auch die Attraktivität für die Besucher. Sobald wir die Tore wieder öffnen können, locken dann natürlich auch unsere Jungtiere der letzten Monate, wie die Leoparden, die Otter und unser Husarenaffe, die mittlerweile im Laufe des Tages auch alle mit etwas Geduld in ihren Außenanlagen zu sehen sind.
Ziehst du etwas Positives aus der Zeit?
Immer noch nicht. Ich brauch die Pandemie wie ein Loch im Kopf!
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Wir gehen ganz fest davon aus, dass das Bachfest der Neuen Bachgesellschaft, dass wir für die Städte Gotha und Ohrdruf im Spätsommer gestalten, stattfinden kann. Ohnehin hoffen wir, dass wieder mehr in der zweiten Jahreshälfte machbar ist. Unsere Kraft stecken wir derzeit schon in das Gothardusfest im Mai 2022. Dann wird zum 600. mal in Gotha St. Gothardus gedacht. Wir wollen mit dem Fest unseren neuen Hauptmarkt eröffnen und mit möglichst vielen Menschen wieder feiern.
Lest hier das Interview mit Christoph von der KulTourStadt Gotha aus dem letzten Jahr
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