Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit der Vorstandsvorsitzenden des KulturQuartier Erfurt e.V. Inga Hettstedt
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Inga Hettstedt. Sie ist Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzende des KulturQuartier Erfurt e.V. Mittlerweile ist die Idee so gewachsen, dass neben dem Verein eine Genossenschaft gegründet wurde. Ziel des Vereins und der Genossenschaft ist es das Schauspielhaus im Klostergang zu kaufen und ihm neues Leben einzuhauchen.
Wie ist eure aktuelle Lage?
Momentan geht’s uns logischerweise so wie allen: Wir können keinerlei Veranstaltungen durchführen. Wir haben aber nicht auf lange Sicht alles abgesagt, sondern machen das Stück für Stück, immer in der Hoffnung und im Warten auf die nächste Allgemeinverfügung, dass wir dann in der Lage sind das Programm kurzfristig wieder aufzunehmen, wenn sich was ändern sollte. Auch wenn wir jetzt Veranstaltungen absagen müssen, heißt das nicht, dass diese ersatzlos gestrichen sind. Zusammen mit den Künstlern schauen wir wann ein guter Ausweichtermin ist, ob wir die Veranstaltung – in der Hoffnung, dass es dieses Jahr besser wird – dieses Jahr noch machen oder ob wir uns gleich was für 2021 suchen.
Wir haben unterschiedliche Arbeitsgruppen, die alle arbeiten. Wir haben eine Arbeitsgruppe, da geht’s um Mitgliederakquise und Öffentlichkeitsarbeit, dann gibt es die AG Bau, welche sich mit dem Umbau des Hauses beschäftigt, AG Fördermittel und Finanzen trifft sich auch, da geht’s vor allem um Fördermittelanträge, um Projektförderung. Dann gibt es eine AG, die sich mit dem Hauskauf beschäftigt, eine AG für IT und Datenverarbeitung, das sind die Jungs im Hintergrund, aber ganz wichtig. Und AG Veranstaltungen trifft sich trotz der aktuellen Situation. Natürlich immer in virtuellen Räumen. Aber wir sind im stätigen Austausch.
Die Veranstaltungen nehmen ja schon einen großen Teil ein. Habt ihr einen Plan B, um trotzdem weiterhin Einnahmen zu generieren?
Wir sind ja in der komfortablen Lage, im Vergleich zu vielen anderen Veranstaltern in Erfurt, dass wir keine Personalkosten haben. Wir haben natürlich das Problem, dass uns die Einnahmen gänzlich weggebrochen sind, aber wir haben nicht solche immensen Ausgaben. Wir hoffen einfach darauf, dass wir, wenn es gelockert wird, dann auch Veranstaltungen durchführen können. Im Moment gibt es Menschen, die uns Spenden, aber wir haben jetzt keine spezielle Aktion, wo wir um Einnahmen werben. Wir werden jetzt am Samstag, also am 2. Mai, das erste Mal mit einem Livestream online gehen. Da wäre regulär die Party „KOMM tanzen“ gewesen und daraus wurde jetzt „HOME tanzen“.
Bis Mitternacht wird im Schauspielhaus aufgelegt, es wird auch ein paar Informationen zum Haus geben und da wird man auch spenden können. Wenn das gut klappt – wir müssen das mit dem Internetanschluss mobil bewältigen – werden wir nochmal weiterdenken und uns noch ein paar andere Sachen einfallen lassen. Wir machen erstmal vier Stunden und wenn das Echo gut ist, sind wir bereit für mehr. Wir stehen dazu auch schon im Austausch mit den anderen Kulturakteuren in Erfurt.
Aber es passiert noch mehr: Letztens haben wir unser Bauschild vor dem Kulturquartier aktualisert: Vorfreude auf danach. Mitglied werden – jetzt erst recht! wo wir auf die aktuelle Situation hinweisen und weiterhin dafür werben, Mitglied in der Genossenschaft zu werden. Denn unser Ziel ist weiterhin 1 Million Euro in der Genossenschaft zu akquirieren, bisher sind Anteile in Höhe von 868.000€ gezeichnet. Auf dem Plakat sind viele kleine, briefmarkengroße Bilder der Veranstaltung des letzten Jahres zu sehen. Außerdem gehen wir alle zwei Tage wir mit einem kleinen Video online, in dem ganz unterschiedliche KulturQuartier-Akteure ihr Lieblingsorte vorstellen.
Was für Ausgaben habt ihr denn, wenn die Mitarbeiter schon rausfallen?
Wir haben eine geringe Miete jeden Monat. Momentan gehört das Haus ja noch der Stadt, aber dadurch, dass das Haus nicht klassisch nutzbar ist – es gibt ja nur Notstrom, also keinen regulären Stromanschluss, und einen provisorischen Wasseranschluss – sind die Fixkosten überschaubar. Das, was eigentlich richtig zu Buche schlägt, sind die Personalkosten und da haben wir das große Glück, dass wir alles im Ehrenamt machen. Es ist toll, dass sich so viele Leute engagieren, aber es ist natürlich auch herausfordernd, wenn man alles im Ehrenamt stemmen muss. Aktuell ist es ein großer Vorteil.
Habt ihr trotzdem die Hilfe vom Land Thüringen beantragt oder bekommt ihr von außen Unterstützung?
Haben wir tatsächlich nicht. Wir haben überlegt und bei uns in den Gremien diskutiert und gesagt, dass es definitiv Kultureinrichtungen gibt, denen es aktuell schlechter geht und wo es ganz wichtig ist, dass sie diese Hilfe bekommen. Wir warten ab wie sich das Jahr entwickeln wird. Wir hoffen, dass wir in der zweiten Jahreshälfte vielleicht nicht den regulären Betrieb wiederaufnehmen können, aber zumindest insoweit öffnen können, dass ein Teil der Veranstaltungen unter Auflagen möglich sein wird.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Wir nutzen die Phase und machen ein paar Projekte. Zum einen bauen wir im Haus ein bisschen um, machen die Bar neu. Das wäre schwierig gewesen bei laufendem Betrieb. Da sind wir gerade am Werkeln, damit diese, wenn wir wieder aufmachen, schöner und praktischer daherkommt.
Wir haben jetzt eine Nutzungsgenehmigung bekommen für den großen Saal, bisher konnten wir den nur mit 199 Personen nutzen und jetzt mit 365. An sich ist das total toll, weil wir da wirklich drauf gewartet haben und uns super gefreut haben. Aber jetzt hilft es nur bedingt. Nun nutzen wir die Zeit und rüsten noch ein bisschen nach in Sachen Notbeleuchtung und Zuwegung, wir wollen noch Brandschutztüren einbauen.
Dazu kommt noch die bereits erwähnte Lieblingsorte-Reihe. Da veröffentlichen wir jeden zweiten Tag bei Instagram und Facebook und mit kleiner Verzögerung auf der Website Clips, in denen Ehrenamtliche und Künstler ihre persönlichen Lieblingsorte im Haus vorstellen und man so einen Blick ins Haus hat. Und dann gibt es am Wochenende ja noch den Streaming-Versuch in der Hoffnung, dass das gut läuft.
Und vor dem Schauspielhaus haben wir ja die drei StadtRaumBoxen. Die haben wir ganz aktuell für eine Zwischennutzung umgestaltet. und Ab dem 16. Mai wird in den StadtRaumBoxen die Ausstellungsreihe fortgesetzt, dieses Mal mit einer Arbeit von Robert Kreinhöfner. Normalerweise hätte es eine kleine Vernissage gegeben, die fällt jetzt natürlich weg. Dafür ist diese kleinste Galerie der Stadt aber 24/7 geöffnet. Und auf Facebook kann der Aufbau im Zeitraffer mit verfolgt werden.
Habt ihr Erwartungen an die Politik? Was sollte von der Politik jetzt kommen deiner Meinung nach?
Erwartungen ist glaube ich der falsche Begriff, wir haben Hoffnung. Wir würden uns einfach wahnsinnig freuen, wenn man auch die Kultureinrichtungen, und damit meine ich alle Kultureinrichtungen von Theatern über Kinos bis zu den Clubs und so weiter, im Blick hat. Es wäre unglaublich wünschenswert, wenn sich seitens der Politik Gedanken darüber gemacht wird, wie man diese Institutionen, mit Auflagen, das ist ja keine Frage, öffnen kann und damit am Leben erhält.
Die Befürchtung ist definitiv gegeben, dass die ein oder andere Einrichtung, wenn sie es nicht über die nächsten Wochen und Monate schafft, für immer weg ist. Es gibt mittlerweile so viele Regelungen und Ausnahmen, dass es doch möglich sein muss für den Kulturbetrieb Regelungen zu finden. Und wer, wenn nicht die Kreativen selbst, sollten dann in der Lage sein auch kreative Lösungen zu finden und zu entwickeln. Man kann nicht darauf bauen, dass den Rest des Jahres die Dinge online gemacht werden, das wird nicht funktionieren. Es braucht den Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern, damit man die kulturelle Landschaft nicht vor die Wand fährt. Die Gefahr wird mit jeder Woche größer.
Was sind deine Tipps, um das Beste aus der aktuellen Lage zu machen?
Es ist auf jeden Fall gut in Kontakt zu bleiben, in jeglicher Form, sich zu vernetzen, zu schauen, wo man sich gegenseitig unter die Arme greifen kann. Wie man einerseits Veranstaltungen und Formate plant, um Publikum zu erreichen. Aber gerade wenn es um Lockerungen der aktuellen Lage geht, auch, wie man gemeinsam Forderungen formuliert. Wir haben ja in Erfurt das Glück, die Ständige Kulturvertretung zu haben, die die Kulturschaffenden gut in Richtung Politik vertritt. Und dann gibt es ja zum Glück auch Aktionen wie die der t.akt, so dass man einerseits dem Publikum Präsenz zeigt, aber auch den politischen Entscheidungsträgern signalisiert, dass es Menschen gibt, die sich engagieren. Dass man gemeinsam Lösungen entwickeln kann. Ansonsten gilt es offen zu sein für Ideen und dafür, neue Formate zu probieren. Aus der Not heraus sind ja viele geniale Dinge entstanden.
Wie soll es nach der Krise für euch weitergehen?
Die Allgemeinverfügungen vom Land gelten in der Regel für zwei Wochen. Wir schauen immer aktuell, was in den Zeitraum der kommenden zwei Wochen fällt und beraten dann, wie wir mit den Terminen umgehen. Das hängt auch vom jeweiligen Künstler ab, manche wollen schon eher wissen, welcher Ausweichtermin geht und dann gibt’s Künstler, die sagen „Mensch, lass uns doch erstmal die Allgemeinverfügung abwarten, wir stehen zur Verfügung. Und wenn das nicht geht, findet sich ein neuer Termin.“ Das sind sehr individuelle Absprachen, die da jeweils laufen. Man kann aber auf unserer Website und bei Facebook verfolgen, welche Veranstaltungen geplant sind und welche nicht.
Denkst du das Ganze bringt etwas Positives mit sich?
Ich habe die Hoffnung, dass der ein oder andere, der sich möglicherweise in der Vergangenheit beschwert hat, dass es zu laut war oder zu lang oder was auch immer, jetzt vielleicht merkt, dass ihm etwas fehlt – so ganz ohne Kultur und öffentliches Leben. Man weiß viele Dinge wieder mehr zu schätzen und besinnt sich vielleicht mehr auf das Wesentliche. Und wenn die Leute merken würden, dass die hiesige Kulturlandschaft etwas ganz schützenswertes und unterstützenswertes ist, das wäre schön.
Gibt es noch etwas, dass du sagen möchtest? Etwas, dass dir auf dem Herzen liegt?
Wir sind da, wir bleiben da, wir machen weiter. Wir freuen uns über jede Form der Unterstützung und sei es „nur“ ein positives Feedback für die Dinge, die wir tun. Die Unterstützung kann auch ideeller Art sein und dann ist uns das genauso viel Wert wie finanzielle Unterstützung oder die Mitgliedschaft in der Genossenschaft. Es ist einfach schön zu hören, dass die Leute an uns denken. Und auch, wenn keine Veranstaltungen sind, ist es schön zu sehen, dass die Leute unsere Bänke vor dem Haus trotzdem nutzen.
Hard Facts:
- Was? HOME tanzen
- Wann? Am Samstag, den 2. Mai ab 20 Uhr
- Wo? Verfolgt den Livestream auf Twitch
Mehr zum Thema Kultur Shutdown vom t.akt-Magazin:
-
Kultur Shutdown: Das Interview mit Andreas vom Kickerkeller in Erfurt
-
Kultur Shutdown: Das Interview mit Paul von der „My Music Company“ aus Erfurt
-
Kultur Shutdown: Das Interview mit Olaf von der Konzertagentur Appel & Rompf in Erfurt