Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit dem Chef der „My Music Company“ Paul Raufeisen
In unserer neuen Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Paul Raufeisen. Er ist der Gründer der „My Music Company Erfurt“. Das junge Kulturunternehmen möchte die Leidenschaft für Musik mit anderen teilen und Menschen aller Altersklassen die bestmögliche Freizeitgestaltung ermöglichen.
Wie ist jetzt bei dir die aktuelle Lage?
Unsere Musikschule „My Music Company“ ist geschlossen. Vor Mai wird es hier vermutlich keine Öffnung geben. Wir warten auf die neue Verordnung und generell jeden Tag auf neue News, damit wir unsere Kunden auf dem Laufenden halten können. In der Musikschule haben wir alles auf Online-Unterricht umgestellt, ein eigenes Lernportal eingerichtet. Meine Band „Cutting Strings“ hat bisher schon zehn Auftritte schmerzlich einbüßen müssen. Die Absagen gehen – auch aus Ungewissheit – schon bis in den September.
Welche Kosten musst du trotz Shutdown weiterhin tragen?
Die Miete für die Schule, Honorare, Kreditzahlungen, laufende Kosten für Marketing und das Steuerbüro. Da kommen mehrere Zehntausend Euro im Monat an Fixkosten zusammen. Dazu brechen die Neukundenakquise und das Tagesgeschäft weg, also alles was vor Ort gekauft wurde; Gutscheine, Zehnerkarten etc.
Gibt es einen Notfallplan um weiterhin Geld einzunehmen? Hast du Aktionen geplant oder schon verwirklicht?
Neben der Umstellung auf das E-Schooling versuchen wir auch als Musiker und Musiklehrer neue Wege zu gehen. Live gestreamte Konzerte auf Spendenbasis zum Beispiel. Den ersten Test gab es im Kaisersaal zum großen Benefizkonzert der Mediengruppe Thüringen am 18. April zugunsten des Vereins „Kontakt in Krisen e.V.“. Wir versuchen in der ganzen schwierigen Situation trotzdem auch anderen zu helfen.
Bekommst du von außen Hilfe?
Wir haben Soforthilfe beantragt und hoffen diese bald zu bekommen. Wir wären dafür sehr dankbar, auch
wenn 9.000 Euro einfach sehr schnell verpuffen, wenn die fixen Kosten um ein vielfaches höher sind. Wir haben außerdem Stundungen bei verschiedenen Instituten beantragt. Aber aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.
Was sollte die Regierung/Bevölkerung jetzt tun, um Kreativen wie dir zu helfen?
Sie sollte vor allem versuchen, ihr Versprechen zu halten, dass niemand unverschuldet bankrott geht. 2008 wurden mit viel Aufwand die Banken gerettet. Jetzt muss der Mittelstand, die Gastronomie und die Kulturwirtschaft unterstützt werden. Ja, es ist teuer, aber die Schäden müssen kompensiert werden. Einige wenige werden sicher von der Krise profitieren, aber die meisten leiden stark unter ihr. Wir haben jedes Jahr investiert, haben uns letztes Jahr neu aufgestellt und aus dem Franchisekonzept in die Freiheit begeben. Das hat viel Geld gekostet, da kann man nicht viele Reserven aufbauen. Mit so etwas wie dieser Pandemie kann man nicht rechnen und auch nicht dafür planen.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Das ist die wesentliche Frage dieser Zeit. Neben den Finanzthemen sehe ich da die Crux. Die psychische Folgen werden ebenso immens sein. Das Kontaktverbot setzt vielen zu. Ich habe meine liebe Freundin und meine drei Kinder. Das ist der Sattel in dem ich sitze und dafür bin ich sehr dankbar. Ansonsten: Gedankenhygiene. Versuchen positiv zu denken und sich zu strukturieren in einer Zeit, die so unstrukturiert ist. Aber das ist alles auch leicht gesagt. Denn es macht ja auch Spaß, Musik zu machen, den Menschen live Musik zu schenken. Dass das gerade wegbricht ist für Künstler eine extreme Eindämmung der Freude. Ich hoffe, wir dürfen das bald wieder miteinander erleben.
Hard Facts
- My Music Company Erfurt
- Schillerstraße 27 | 99096 Erfurt
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