Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Nicole vom Krämerloft Coworking Space
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Nicole Sennewald. Sie ist Gründerin und leidenschaftliche Betreiberin des „Krämerloft Coworking Space“ in der Bahnhofstraße in Erfurt. Der Coworking-Space bietet die Möglichkeit flexibel nach Bedarf Arbeitsplätze, ganze Teambüros und Räume für Meetings, Events und Workshops zu nutzen.
Die Krämerloft-Community ist ein bunter Haufen von ganz unterschiedlichen Akteuren. Sie besteht aus Soloselbständigen, Freiberuflern, Startups und Angestellten aus allen Branchen. So beherbergt das Krämerloft Akteure aus der Kreativwirtschaft, IT-Spezialisten, Marketing- und PR-Experten, Coaches, Berater und einige mehr. „Aus dieser heterogenen Community entstehen viele spannende Ideen und gemeinsame Projekte und Events. Wir stehen gemeinsam für Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wir möchten vor allem Startups und Gründer*innen unterstützen und vernetzen. So organisieren wir beispielsweise das Thüringer Gründerfrühstück, gehören zum Orga-Team des BarCamp Erfurt und sind Teil der Initiative Kids@Digital“, erklärt Nicole.
Wie ist jetzt bei euch die aktuelle Lage?
Nach zwei Monaten fast absolutem Stillstand und leer gefegten Räumen sind nun viele Coworker zum Arbeiten zurückgekehrt. Mit Hygienekonzept, Verhaltensregeln, Abstand und Rücksichtnahme ist ein bisschen Normalität eingekehrt. Aber es ist deutlich ruhiger als vor Corona. Die Meeting- und Eventflächen sind nach wie vor meist noch leer und werden nur wenig genutzt.
Was hat Corona bei euch verändert?
Corona hat vor allem starken Einfluss auf den Austausch und den Wissenstransfer in der Community gehabt. Die etablierten Veranstaltungsformate, wie z.B. das Gründerfrühstück konnten nicht mehr durchgeführt werden. Wir haben einige Formate digital umgesetzt. Aber es ist eben nicht das gleiche. Zum einen kommt das Netzwerken und der bilaterale Austausch dabei zu kurz. Zum anderen waren viele unserer Coworker einfach im „Überlebensmodus“ und hatten zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung nur wenig Zeit für den gewohnten Austausch.
Unsere Kids@Digital Events, bei denen wir zusammen mit dem Makerspace und Bytespeicher Erfurt Kinder zwischen 8 und 13 Jahren spielerisch an die Themen Programmierung, Robotik und Elektronik heranführen, mussten leider auch bis auf weiteres abgesagt werden.
Ein im April geplantes großes Event – die „COWORK2020“ – bei dem sich die Coworking Community der gesamten Region und darüber hinaus in Erfurt treffen wollte, musste leider auch kurzfristig in die digitale Welt verschoben werden. Das hat mich wirklich sehr traurig gemacht. Ich hatte mich darauf gefreut, Erfurt einmal nicht nur als Touristenmagnet zu präsentieren, sondern zu zeigen, was es hier für spannende Orte und Akteure gibt. Nun ja, „Schwamm drüber und Kopf hoch“ war unsere Devise. Eventuell holen wir das Ganze in ein bis zwei Jahren nochmal nach.
Habt ihr noch Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Wir haben keine Angst aber durchaus Respekt vor dem Virus und dessen mögliche gesundheitliche Folgen für die Risikogruppen. Einige Coworker, die zur Risikogruppe gehören, sind auch noch nicht wieder zurück gekehrt. Ob wir uns wirtschaftlich Sorgen machen müssen, hängt natürlich von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Wird es nochmal einen Shutdown geben oder nicht? Da wir uns zu Beginn des Jahres für eine Flächenvergrößerung am Standort entschieden haben, ist es aktuell natürlich auch besonders herausfordernd für uns. Zum einen müssen wir in einnahmeschwachen Zeiten weiter investieren und zum anderen läuft die Auslastung der neuen Räume natürlich nicht so wie ursprünglich geplant. Aber wir bleiben optimistisch. Wir müssen diese schwierige Zeit „nur“ überstehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Nachfrage danach weiter wachsen wird.
Hattet ihr Notlösungen, um weiterhin Geld einzunehmen oder trotzdem Aktionen zu starten?
Wir haben in diesen schwierigen Zeiten vor allem die Expertise der Community in den Bereichen Digitalisierung und neue Arbeitswelt in der Kommunikation heraus gestellt. Wir konnten dadurch einige Beratungsaufträge generieren, die wir als Community bearbeitet haben. Das hat ganz gut funktioniert. Außerdem haben wir vorübergehend Einzeltagesbüros in den noch leer stehenden Räumen angeboten. Die konnte man digital buchen, Zugang über unsere App bekommen und dann ohne jeglichen Kontakt zu anderen ungestört arbeiten. Das war vor allem für Menschen gedacht, die im Homeoffice keine optimalen Bedingungen haben. Es wurde aber nur sehr zaghaft angenommen.
Bekamt ihr von außen Hilfe/Förderung?
Ich habe für einen Teil der Mitarbeiter Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen sowie die Soforthilfe beantragt und auch ausgezahlt bekommen. Ich habe aber auch einige Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte im Orga-Team des Krämerlofts. Für sie gab es leider gar keine Hilfen. Sie sind Soloselbständige und haben sich mit dem Job im Krämerloft oftmals die Kosten für die Krankenversicherung gedeckt. Da sie aber in ihrem Business kaum Betriebskosten haben, konnten sie die Soforthilfe nicht beantragen. Solche Akteure sind leider bis dato komplett durchs Hilfsraster gefallen. Das finde ich wirklich sehr schade.
Habt ihr Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Optimismus ist, glaube ich, das Zauberwort. Wirklich Tipps habe ich auch nicht. Aber zusammen als Community kann man sich gegenseitig Mut zusprechen und sich unterstützen. Zum Teil haben sich die Coworker gegenseitig Aufträge generiert. Gemeinsam hat die Community die Crowdfunding Kampagne „#gestehDeineLiebe fürs KrämerLoft“ ins Leben gerufen. Die Coworker haben Dankeschöns gesponsert, ein Video aufgenommen und die Kampagne in den sozialen Netzwerken geteilt. Die erreichte Summe von 6.800 Euro war sicher kein Megabudget, aber hilft trotzdem kurzzeitig durchzuhalten. Den Zusammenhalt zu erleben, war ein tolles Gefühl und hat Aufwind gegeben.
Was würdest du dir jetzt konkret wünschen?
So ganz grundsätzlich, finde ich, hat es die Politik sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gut gemeistert. In solch unklaren Situationen die richtigen Entscheidungen zu fällen, ist nicht einfach. Manchmal hätte ich mir ein bisschen mehr Mut, Transparenz und eine offenere Kommunikation gewünscht. Das sollte in Zukunft besser laufen. Für die nächsten Monate wünsche ich mir klarere Regeln und auch Lösungsideen für das Veranstaltungsgeschäft. Was kann konkret wie laufen? Was darf und was muss? Es sollte nicht jeder Veranstalter eigene Ideen entwickeln müssen und dann doch irgendwie das ungute Gefühl haben, ob wirklich alles so sicher ist, wie es geplant wurde.
Wie soll es für euch im Coronamodus weitergehen?
Das kann ich aktuell nicht so genau sagen. Wir warten darauf, was kommt und reagieren flexibel darauf. Flexibilität ist ja unsere Stärke. Wir konzentrieren uns vor allem auf unsere Baustelle und den weiteren Ausbau der Flächen. Damit wir dann, wenn wir irgendwann wieder dürfen, auch wirklich können. Einige Eventformate wird es weiterhin digital geben. So wird das diesjährige BarCamp Erfurt im Herbst nun auch digital stattfinden. Vielleicht gar nicht so schlecht, weil man so einen größeren Radius an Teilnehmern erreichen kann. Da wir uns auf dem BarCamp Erfurt ja immer mit dem Schwerpunkt „Kinder- und Jugendmedien“ beschäftigen und sich dort Experten, Lehrer, Studenten und Eltern austauschen, erwarten wir einen höheren Ansturm aufgrund der Aktualität des Themas.
Denkt ihr, das alles kann etwas Positives bringen?
Ich hoffe es zumindest. Wir haben jetzt die Chance, die Weichen in eine nachhaltigere und gesündere Zukunft zu stellen. Ich hoffe, dass viele Firmen nun gemerkt haben, dass ihre Angestellten auch im Home Office oder anderen Orten als der Firmenniederlassung gut und verlässlich arbeiten. Wenn wir alle weniger in Fahrzeugen durch die Welt pendeln und dafür Orte zum Arbeiten vor der Haustür oder auch zu Hause nutzen, dann haben wir mehr Zeit zur Verfügung, die wir sinnstiftend einsetzen können und sind zufriedener. Durch weniger pendeln belasten wir auch weniger die Umwelt. Und wenn es ein besseres Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, dann ist das ganz sicher auch für beiden Seiten von Vorteil. Und das ist nur eine mögliche positive Auswirkung von Corona. Aber weitere würden hier sicher den Rahmen sprengen.
Gibt es noch etwas, was ihr sagen wollt? Liegt euch noch etwas auf dem Herzen?
Wir sollten alle zuversichtlich und positiv in die Zukunft schauen. Das ist wichtig für unser Zusammenleben. Wir sollten aber auch schauen, dass wir alle mitnehmen. Das ist wichtig für eine friedliche Gesellschaft. Wenn wir da unaufmerksam werden, dann wird sich die Gesellschaft weiter spalten und Angst und Sorge nehmen zu. Wohin das führt, wissen wir eigentlich alle. Deshalb achtet auch im kleinen auf eure Mitmenschen, versucht zuzuhören und die andere Sichtweise zu verstehen, auch wenn das manchmal nicht einfach ist. Das liegt mir wirklich sehr am Herzen.
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Wo? Bahnhofstr. 16/ Büßleber Gasse | 99084 Erfurt
- Öffnungszeiten: Mo – Fr: 9-18 Uhr
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