Kunst, Kultur und Handwerk sind nicht immun gegen Corona. In Thüringen trifft die Krise unzählige Freischaffende, Selbständige und Einzelkämpfer, die mit viel Herzblut und Schweiß ihr Business aufgebaut haben oder ihren Weg gegangen sind. Der Shutdown nimmt ihnen nun die Lebensgrundlage. Wir wollen diesen Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und zeigen, dass Kultur kein Luxus ist.
Kultur Shutdown mit Ronny Lessau
In unserer Interview-Reihe „Kultur Shutdown“ sprechen wir diesmal mit Ronny Lessau. Er ist Gründer des Kulturkessel Erfurt e.V. vielen anderen fleißigen Mitmachern die Open-Air-Kultur in den letzten drei Jahren in Erfurt stark geprägt. 2018 gründete er die Kreativtankstelle als Nachfolgeprojekt und ist seitdem auch als Gastronom etabliert.
Wie ist jetzt bei dir die aktuelle Lage?
Das Café war lange geschlossen, weil die Lage auch einen To-Go-Verkauf nicht wirklich hergab. Jetzt ging es so langsam wieder los, allerdings erlebe ich eher ein zögerliches Herantasten der Gäste als einen Ansturm. Zusätzlich findet man uns jetzt aber immer Samstags und Sonntags bei gutem Wetter ab 13 Uhr mit einer mobilen Kaffee Station an der Karlsbrücke am Geraradweg. Unsere Veranstaltungen in der Kreativtankstelle wurden bis auf weiteres grundsätzlich abgesagt und wir wissen noch nicht, wie es sich in Zukunft darstellt, auch wenn jetzt wieder Zusammenkünfte im privaten Umfeld gestattet sind. Für den Sommer haben wir das Format Clown-Schule mit dem Galli-Theater konzipiert. Hier sollen Kinder verschiedene Werte und Kulturen vermittelt und aufgezeigt bekommen. Zudem sind noch kleinere Musikveranstaltungen geplant, bei denen wir hoffen, dass diese in irgendeiner Art und Weise auch durchgeführt werden können.
Hast du Angst vor dem Virus? Wirtschaftlich und gesundheitlich gesehen?
Wirtschaftlich gesehen finde ich, dass da die richtigen Maßnahmen getroffen wurden und wir auch zu den ersten Empfängern der Soforthilfe gehörten. Das hilft vor allem für die ersten Wochen seit den Corona-Restriktionen. Maß und Mitte waren zwei Schlagworte, die seitens der Politik für deren Vorgehensweise gewählt wurden. Das habe ich nicht immer gesehen. Ein Beispiel dafür ist, dass man momentan mit Kanonen auf Spatzen schießt und Veranstaltungen jeglicher Art bis zum 31. September untersagt hat. Wir leben in einer dynamischen Situation, die meiner Meinung nach auch dynamische Handlungsspielräume verlangt. Das fehlte mir bei den bisherigen Verordnungen, die immer gleich einen sehr langen Zeitraum betrafen.
Gesundheitlich gesehen habe ich eigentlich sowohl für mich als auch für meine Umgebung keine Angst. Wir halten uns an alle hygienischen Maßnahmen und beschränken den Kontakt zu unseren Großeltern. Es gibt und gab auch zum Glück keinen Fall in meinem Umfeld.
Gibt es eine Notlösung, um weiterhin Geld einzunehmen? Hast du Aktionen geplant?
Ich habe mir schon vor der Krise einen alten Zirkuswagen besorgt. Diesen baue ich momentan aus und präpariere ihn, damit daraus eine Bar und Kulturbühne wird. Mit diesem wollen wir ein Zwischennutzungskonzept auflegen und die im nächsten Jahr hoffentlich stattfindende BUGA gastronomisch und kulturell im von uns gestalteten „KreativGarten“ bereichern. Auch haben wir seit neuestem eine Ape (italienisches Moped aus drei Rädern), die wir zu einer mobilen Kaffeemaschine umfunktioniert haben. Hiermit stehen wir bei gutem Wetter am Wochenende am Nordpark an der Karlsbrücke. Gleichzeitig wollen wir mit diesen beiden Tools auch unser Eventgeschäft weiter ausbauen. Wir versuchen alles, um die Pandemie so schnell und gut wie möglich zu überwinden.
Musst du weiterhin die volle Miete für deinen Laden zahlen oder gibt es einen Erlass? Welche Posten musst du weiterhin tragen?
Wir müssen momentan Miete und Kurzarbeitergeld bezahlen. Größtenteils leben wir von studentischen Aushilfskräften, aber wir haben auch eine Teilzeitangestellte. Dazu kommen die typischen Nebenkosten wie Strom, Internet usw. Das sieht auf den ersten Blick alles nicht so viel aus, aber je länger die Krise geht, desto schwerer wird es, die Posten zu tragen.
Mittlerweile konnten wie unser Café ja wieder öffnen, allerdings werden die Einnahmen noch eine ganze Weile nicht das Niveau von vor der Krise erreichen. Bei uns liefert das Café 50 Prozent der Einnahmen und die anderen 50 Prozent sind die Events. Wir müssen also schauen, wie sich alles in der nächsten Zeit entwickelt und dann nach und nach weiter planen. Es ist nicht absehbar, wann Veranstaltungen nachgeholt werden können – trotzdem wurden 95% der Buchungen der Kreativtankstelle für dieses Jahr nicht abgesagt, die Anzahlungen nicht zurückverlangt. Das ist für uns ein tolles Zeichen der Solidarität, für das wir uns ausdrücklich bedanken möchten.
Auch denken wir, dass nun, wo kleine familiäre Veranstaltungen wieder möglich sind, die Kreativtankstelle auch ein geeigneter Ort wäre, um exklusiv und innerhalb seiner Kohorte zu feiern. Diese Nische wollen wir künftig besser organisieren und kommunizieren.
Bekommst du von außen Hilfe?
Wir versuchen gerade noch mit dem Vermieter eine Lösung zu finden, um eventuell die Mietkosten etwas zu senken. Zudem gebe es noch das zinslose Darlehen, das man aber auch irgendwann wieder zurückzahlen müsste. Toll ist, dass von Seiten der Kulturdirektion die Fristen zur Umsetzung eingereichter Kultur-Förderprojekte verlängert wurden. Bis ins erste Halbjahr 2021 sind die Projekte nun noch umsetzbar. Insofern würden keine kulturellen Projekte erstickt, sondern neue Konzepte gedacht und bewusst digitale Abwandlungen gefördert.
Wie soll es nach der Krise für dich und dein Geschäft weitergehen?
Dafür müssten wir erstmal definieren, was nach der Krise eigentlich heißen soll. Wir haben in den letzten Wochen gemerkt, dass ein Ende von Beschränkungen nicht gleich auch ein Ende der Krise für mich als Gastronom und Kulturschaffender ist. Von daher kann ich diese Frage nicht final beantworten. Man muss abwarten, wie die Behörden und die Menschen mit der Situation umgehen. Für alle geplanten Veranstaltungen müssen wir schauen, welche Beschränkungen es weiterhin geben wird. Wir sind auf einen Rahmen angewiesen, der machbare Bedingungen vorgibt, was stattfinden darf, sich aber nicht hinter unklaren Verklausulierungen versteckt.
Hast du Tipps, um das Beste aus der Lage zu machen?
Es ist eine einmalige Lebenssituation, in der wir uns befinden. Wir konnten noch nie so viel gestalten wie im Moment. Wenn du jetzt out-of-the-box denkst und ein bisschen mutig bist, kannst du auch ganz neue Regeln definieren. Du kommst raus aus dieser Anpassung, die sonst der Status Quo war, die nichts anderes zugelassen hat. Es ist also auch eine interessante Zeit, der Moment für pro aktives Handeln war selten günstiger!
Gerade bei heranwachsenden Kindern wird diese gemeinsame Zeit immer weniger, je älter sie werden. Die Möglichkeit etwas mit Freunden zu machen oder den Hobbys nachzugehen wurde ihnen genommen und so versuchen wir gemeinsam das Beste daraus zu machen. Man sollte immer zweckoptimistisch an die Sache heran gehen.
Denkst du, das alles kann etwas Positives bringen?
Wir hatten weiterhin digitalen Kundenkontakt bei Facebook, Instagram oder per E-Mail. Kunden fragten, wie es uns geht, aber berichteten uns auch, dass Innovationen, die mittelständische Unternehmen jahrelang unterdrückt haben, in den zurückliegenden Wochen tatsächlich auch relativ schnell umgesetzt wurden. Das fängt bei Home-Office an und geht bis zur Videokonferenz. Das ist in der Tat auch einer der positiven Aspekte, dass diese Innovationskurve, welche sich sehr lange sehr seicht aufgebaut hat, genau wie der Virus exponentiell nach oben geschnellt ist. Da hoffe ich, dass diese Kurve nun nach der Zeit des Lockdowns auch weiter steigt.
Gibt es noch etwas, dass du sagen willst? Liegt dir noch etwas auf dem Herzen?
Meine Message an alle Menschen und Entscheidungsträger ist, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein sollte. Es tut niemandem weh, die Hygieneregeln und das Abstandsgebot einzuhalten sowie auf seine Mitmenschen Acht zu geben. Wir haben doch jetzt gezeigt, dass wir das als Gesellschaft gut können, also das aufeinander Achtgeben – dann lasst uns das doch auch mal in anderen Bereichen versuchen. Wenn man jedem ein bisschen mehr zugesteht und mehr Freiheiten anvertraut, dann ist doch auch jeder wiederum bereit sich aus seiner Komfortzone herauszubewegen und dem anderen entgegenzukommen. Wenn das immer nur in eine Richtung geht, führt das in ein Ungleichgewicht, bei dem wir am Ende alle den schwarzen Peter ziehen.
Ihr seid Kulturakteur oder kreativer Einzelhändler in Thüringen und wollt mit uns über euer Leben in der Krise sprechen? Schreibt uns mit dem Betreff “Kultur Shutdown” an: f.dobenecker@mediengruppe-thueringen.de
Hard Facts:
- Wo? Erfurt | Veilchenstraße 32
- Öffnungszeiten: Mo bis Fr | 9 bis 18 Uhr