Ein Ort für weltoffene Soziokultur? An Nordhausen denken Viele vermutlich bei einer Antwort auf diese Frage nicht so schnell. Trotzdem hat sich die Szene-Location „Destille“ über mehr als 20 Jahre lang gehalten und versorgte seine Besucher:innen wöchentlich mit Live-Musik. Bis ins Jahr 2020, als im Dezember endgültig die Lichter ausgingen – das Gebäude im Stadtzentrum wurde kurze Zeit später abgerissen. Diesen Niedergang und den drohenden Verlust der Nordhäuser Clubkultur haben nicht nur die Stammgäste der Destille hautnah miterlebt. Viele von ihnen überlegten ob des fehlenden kulturellen Angebots nun, der unter jungen Menschen oft als wenig attraktiv wahrgenommenen Stadt im Südharz den Rücken zu kehren. – Bevor sie sich zusammen an einen Tisch setzten und darüber nachdachten, wie sie die entstandene Lücke mit eigener Tatkraft füllen können. Sie mobilisierten Freunde und Bekannte und gründeten einen Verein. Der Kleine Freiheit e. V. sollte sich um die Förderung der Soziokultur kümmern und zählte rund 25 Gründungsmitglieder – und das bevor er sich öffentlichkeitswirksam auf YouTube präsentierte.
Kleine Freiheit e. V. in Nordhausen
Einer dieser Gründungsmitglieder ist Alex Scharff, der sich lebhaft erinnert. „Am Anfang stand die Suche nach einer Immobilie für Veranstaltungen, die möglichst zentrumsnah liegen sollte“, so der 39-Jährige, der hauptberuflich als Geschäftsführer einer Gewerkschaft arbeitet. Mit einer ehemaligen Stellmacherei in der Freundschaftsstraße war diese auch bald gefunden. Der Verein zog ein – und ist bis heute geblieben. Der unsanierte Klinkerbau in einem Gewerbegebiet versprüht rustikalen Industrie-Charme, bietet genügend Platz für Veranstaltungen, liegt in der Nähe der Innenstadt, verfügt über einen Innenhof. Kurzum: ein Glücksfall – sollte man meinen.
Vielseitiges Programmangebot
Aber es gibt einen Haken: Das Gebäude ist kategorisiert als Sonderbau – mit sehr hohen Anforderungen an den Brandschutz. Das war auch einer jener Gründe, warum die Stadt nur die Ausrichtung weniger Kulturveranstaltungen gewährte. Trotzdem war das Programm bisher sehr vielfältig und zog ein Publikum von 30 bis mehreren Hundert Menschen an. Der Kleine Freiheit e. V. hat etwa ein Konzert mit der SynthPop-Künstlerin Rex Pistols aus Island, eine Clubnacht mit elektronischer Musik oder die Diskussionsveranstaltung #NOFILTER mit politisch brisanten Themen mit regionalem Bezug auf die Beine gestellt. Auf Letztere ist Alex Scharff besonders stolz: „Hier haben beispielsweise mehrere Beteiligte aus verschiedenen Perspektiven vom Alltag in Afghanistan berichtet. Wir hatten Live-Schalten nach Reykjavik zum Thema Frauenrechte oder beispielsweise berührende Momente mit Geflüchteten aus der Ukraine. So ein Format sucht man auch in den größeren Städten in Thüringen vergebens.“
Der Bau in der Freundschaftsstraße wurde zur Anlaufstelle der alternativen Kulturszene – und zum Treffpunkt von Exil-Nordhäuser:innen, die sich bei einem Besuch in der „alten Heimat“ auch wegen heimeliger Gimmicks wie ein rollendes Wohnzimmer gern wiedertreffen. „Wir haben einen für alle Menschen offenen, freien Ort geschaffen und bieten Veranstaltungen an, auf die wir als Verein selbst Bock haben“, ergänzt Alex Scharff. Für große Aufmerksamkeit sorgte der Besuch des Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg im April 2023, welcher in einem Video festgehalten wurde. Im Innenhof pflanzte der 98-Jährige einen Baum zum Gedenken an die vielen namenlosen Opfer, die im Konzentrationslager Mittelbau-Dora ums Leben kamen. Auch wenn sich die heutige Gedenkstätte unmittelbar vor den Toren Nordhausens befindet, teilen nicht alle Besucher:innen der Veranstaltungen des Vereins dessen humanistische Grundwerte, welche Diskriminierung, Rassismus oder Sexismus den Kampf angesagt hat. „Menschen aus dem rechtsextremen Spektrum verweigern wir den Zutritt. Trotzdem gab es schon einen Vorfall einer rassistischen Äußerung – auf das unser weltoffenes Publikum schnell reagiert hat“, so Alex Scharff.
Große Zukunftspläne
Geht es nach ihm, werden im nächsten Jahr zumindest einmal monatlich Veranstaltungen in der Freundschaftsstraße stattfinden. Denn: Inzwischen sind die langwierigen Grundsanierungsarbeiten beim Fußboden, den Sanitäranlagen, bei Wasser und Abwasser durch die Tatkraft der inzwischen 125 ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder weitgehend abgeschlossen – und auch der Brandschutz genügt nun den hohen Auflagen. In diesem Jahr sind noch einige Veranstaltungen geplant. Darunter zwei Weihnachtspartys am 23. und 24. Dezember. Auch die #NOFILTER-Reihe soll fortgesetzt werden. Termine erfahrt ihr auf dem intagram-Kanal der Kleinen Freiheit in Norshausen.
Hard Facts:
- Kleine Freiheit: Freundschaftsstr. 2 | Nordhausen |
- Mehr: www.instagram.com/kleine_freiheit_nordhausen
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