Mit einem lauten Knall explodiert der Schlag am Leder. Die Luft zerreißt. Ein weiterer Donnerschlag. Dreimal krachen die Boxhandschuhe auf den Gegner ein, dann folgt ein Kick gegen das Schienbein. Ein kurzer Aufschrei. Und weiter geht es. Tänzelnd dreht sich Michi mit ihrem Sparringspartner vor dem gigantischen Spiegel. Immer wieder knallen die Boxhandschuhe aneinander. Kicks zerschneiden die Luft.
Wahlerfurterin kämpft um dritten Weltmeistertitel
Es sind noch etwa fünf Wochen, bis die Wahlerfurterin Michaela Michl (Michi) um ihren dritten Weltmeistertitel im K-1 kämpft – eine japanische Kampfsportart, die Techniken aus dem Boxen, Karate, Taekwondo, Kickboxen und vielen anderen Kampfstilen vereint. Am meisten ähnelt sie aber dem Muay Thai. Dem klassischen Thaiboxkampf. Quasi dem Nationalsport in Thailand. „Was bei uns Fußball ist, ist in Thailand Muay Thai“, sagt Michi, während ihr der Schweiß von der Stirn tropft, sie ihre Bandagen fest macht und es weiter geht.
Million Dollar Baby aus Erfurt
Die 30-Jährige ist unter anderem Trainerin im La Familia Fightclub in Erfurt, wo sie sich heute auch auf den Kampf vorbereitet. Kurz instruiert sie eine Gruppe von etwa zehn jungen Männern, die ebenso wie Michi gerade Partnertraining absolvieren. Kampfstellung, Block, Punch, Kick, Kniestoß – weiter geht es mit dem Tanz vor dem Spiegel. „Hier ist es warm wie im Pumakäfig“, sagt Marek Ljastschinskij, einer der Chefs des La Familia. Und er trifft es ziemlich gut. Gefühlt ist es in der großen Halle mit dem Boxring in der Mitte 30 Grad warm. 70 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Million Baht Babe aus Erfurt
So muss es auch in Thailand sein, wo Michi erste Erfolge im Kampfsport feierte. Million Baht Babe Champion war dort ihr erster großer Titel. Ihr Weg dorthin ist bestes Drehbuchmaterial. In Passau ist sie aufgewachsen. Ihr Vater war Bundesliga-Ringer. „Ich war schon immer mit auf der Matte“, scherzt Michi. „Lass uns rangeln soll ich immer zu meinen Kita-Kameraden gesagt haben.“ Ihr wurde der Kampfgeist quasi in die Wiege gelegt.
Tanzen, Klavier und Muay-Thai
Tanzen und Klavier spielen lernte sie als Kind. Doch darin blühte sie nicht auf. Erst Taekwondo erweckte die Geister in ihr. „Da ist mein Herz aufgegangen“, erinnert sie sich. Eine Sprunggelenksverletzung im Jugendalter Zwang sie zur Pause. Der Fokus verlagerte sich auf Abitur und Sportstudium. Erst eine Kampfsport-Dokumentation des National Geographic animierte Michi im Alter von 19 Jahre nach Thailand zu reisen. Alleine. Mit dem Karatekit-Gedanken im Kopf war ihr nächste Ziel Koh Samui. „Plötzlich stand ich da vor einem Gym und war komplett geflasht“, blickt sie zurück. „Eine junge Frau sah mich, nahm mich bei der Hand und es ging los.“
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Kampfsport Lernen in Thailand
Sie lebte in einem einfachen Holzbungalow am Strand. Ihr Muay-Thai-Trainer wohnte im Nachbarhaus, rief sie regelmäßig zum Kampf. Tag ein Tag aus trainierte Michi. Dreimal täglich. „Es war wie im Traum“, sagt sie. Doch Träume dauern nicht ewig. Nach ein paar Wochen musste sie zurück nach Deutschland. Dort sammelte sie dann Geld, um wieder zurückzureisen. Um weiter trainieren zu können. Und dann klopfte das Schicksal an ihre Tür. Oder besser gesagt: der britische Fernsehsender BBC. Man wolle mit ihr eine Dokumentation drehen. Der Name: Auf dem Weg zum erste Profititel.
Der erste Titel
Aus acht Wochen Thailand wurden acht Monate. Training wurde ihr neuer Alltag unter Palmen. Im Alter von 21 Jahren errang sie dann ihren ersten Titel. Million Baht Babe Champion. Wettkämpfe in China, Malaysia, Bankok und dem Rest von Asien folgten. „Es war eine verrückte Zeit“, erinnert sich Michi, die jedoch schnell an der Spitze angelangt war. Für sie ging es in Asien nicht mehr weiter. Neue Titel und neues Glück bewogen sie zurück nach Europa zu gehen.
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Pausenloses Training für den nächsten Sieg
Durch einen Kampfsportfreund landete sie schlussendlich 2014 in Erfurt. Im La Famila Fightclub. Wo es jetzt mit dem Pratzentraining weitergeht. Ihr Sparringspartner Marek legt sich einen panzerähnlichen Anzug an. Er ist mit zwei Pratzen bewaffnet. Unterarmlange Schlagpolster. Weiter geht der Tanz vor dem Spiegel. Die Boxhandschuhe knallen in immer höherem Tempo gegen den gepanzerten Marek. Die Luft zerreißt. Michi explodiert nach intensiven Schlag-Tritt-Kombinationen in einem Schrei. „Brachial“ – das Wort beschreibt die Szenerie am besten. Marek gibt ihr Kampfschritte vor. Sie üben Kombinationen, die auf ihre zukünftige Gegnerin durch Videoanalysen abgestimmt wurden. Erst vier, dann plötzlich 12 Schläge und Kicks am Stück.
Schläge wie aus dem Maschinengewehr
Wie ein Maschinengewehr feuert Michi ihre Angriffe ab. Drei Mal am Tag, sechs Tage die Woche trainiert sie jetzt bis zum 21. November. Wenn sie dann aus Holland zurückkommt, hat sie hoffentlich ihren dritten Weltmeistertitel in der Tasche. Und selbst wenn nicht – in Erfurt wartet eine Familie auf sie. Im La Familia Fightclub, wo ein acht Meter langer Spruch das Aussehen der Trainingshalle dominiert. „Schmerz ist vergänglich. Stolz bleibt für die Ewigkeit.“
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Hard Facts:
- Mehr zu Michaela Michls Werdegang und andere Infos über sie findet ihr hier
- Wenn ihr zusammen mit Michi trainieren wollt, schaut bei La Familia Erfurt vorbei