Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenend-Schmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
Liebe für italienisches Essen
Warum ist italienisches Essen eigentlich so beliebt? Ich meine, irgendwie mag es doch wirklich jeder. Kleine Kinder kann man mit Spaghetti und Tomatensoße begeistern. Ambitionierte Hobbyköche prahlen mit ihrem original italienischen Rezept für Carbonara – natürlich ohne Sahne (!). Oma liebt ein gutes Tiramisu nach dem Essen. Und ganz ehrlich, wer auf Gottes schöner Erde mag keine Pizza?
Gute Zutaten und feste Umarmungen
Es muss am großzügigen Einsatz von Olivenöl liegen, werden manche sagen. An den guten Zutaten aus dem sonnenverwöhnten Süden, sagen andere. Ich denke, es hat eher etwas damit zu tun, dass sich italienisches Essen anfühlt wie eine feste Umarmung. Eine von der aus man, wenn man die Augen öffnet, das azurblaue Meer um die Felsen wirbeln sieht oder den warmen Wind spürt, der durch eine sonnengefüllte Gasse weht. Italienisches Essen fühlt sich nah und familiär an und doch ist es gleichzeitig ein bisschen weite Welt.
Im Februar und März hatte ich das Vergnügen mehrere Wochen in Italien zu verbringen und mir die Esskultur, die sogar zum Immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe gehört, etwas genauer anzuschauen. Man sagt, dass in Italien alle 50 Kilometer eine neue Küche zu finden ist und tatsächlich werden die regionalen Unterschiede schnell klar. Denn keineswegs gibt es überall in Italien die Gerichte, die wir aus italienischen Restaurants in Deutschland kennen. Ich habe gelernt, dass ich in Palermo in ein Restaurant gehen muss, das explizit auf römische Küche ausgerichtet ist, um Rigatoni Cacio e Pepe zu bekommen, während ich in Rom sicher längere Zeit nach einer Pasta alla Norma mit Aubergine suchen muss, die es auf Sizilien an jeder Straßenecke gibt. Die Spezialitäten werden kleinteilig in ihren jeweiligen Ursprungsregionen angeboten und dort hat meist jedes Restaurant ein eigenes Hausrezept.
Rezepte werden stolz hochgehalten
Die Tradition für bestimmte Lebensmittel oder Rezepte wird stolz hochgehalten und gelebt. Häufig stolpert man auch über Vereine oder Organisationen, die sich der Förderung eines bestimmten Lebensmittels verschrieben haben und diese Aufgabe sehr ernst nehmen – beispielsweise den „Verein zum Schutz der wahrhaftigen neapolitanischen Pizza“. Natürlich gibt es auch Museen und Prämierungen aller Art.
Eine ähnliche Begeisterung lässt sich hierzulande wahrscheinlich höchstens für Bratwurst und Klöße finden. Und vielleicht liegt es am fehlenden Urlaubsgefühl, dass sich das Bratwurstmuseum in Mühlhausen so viel schrulliger anfühlt als ein Museum für Balsamico-Essig in Modena. Aber wieso eigentlich? Vielleicht wird es, bis es Zeit für den Sommerurlaub ist, Zeit die Dolce Vita in Thüringen zu suchen! Eventuell lässt sich auf dem Wochenmarkt ein unbekanntes Gemüse finden, das man in urlaubsfreudigem Enthusiasmus endlich mal selbst ausprobiert.
Lokales Traditionsprodukt
Her mit der Brunnenkresse, die als Passagier der Arche des Geschmacks vom Slow Food e.V. als lokales Traditionsprodukt in Erfurt besonders hervorgehoben wird. Ab in die Kloß-Welt nach Heichelheim! Mit einem Aperol Spritz in der Hand kann man sich auch beim Sonnenuntergang am Alperstedter See nahe Erfurt wie an der Adria fühlen und ein Espresso im Stehen kann mit etwas Fantasie auch bei den Röstbrüdern am Weimarer Herderplatz schmecken wie in Rom. Und wenn das alles nicht ausreichend gegen Fernweh hilft, dann hilft mit Sicherheit eines: ein italienisches Essen, das dich fest umarmt.