Mira Held ist Genuss-Expertin. Seit fünf Jahren betreibt sie mit ihrem Partner Flo den Blog „How to Gourmet“ und futtert sich durch Restaurants in Thüringen. In ihrer regelmäßigen Kolumne „Food Storys aus Thüringen“, die einmal im Monat erscheint, nimmt sie uns mit auf ihre kulinarischen Abenteuer in Thüringen und gibt Inspirationen für den nächsten Leckerbissen, Wochenend-Schmaus oder die kleine Alltagsversüßung.
Sterneessen im Clara in Erfurt
In Erfurt liegt eines der drei Restaurants, die in Thüringen mit einem Michelin Stern ausgezeichnet wurden. Bereits 2013 bis 2020 hatte das Clara einen Stern. Damals zuerst unter der Leitung von Maria Groß erkocht, die immer noch in Erfurt auf fulminantem Niveau den Kochlöffel schwingt. Jetzt aber in ihrer gemütlichen Bachstelze und nicht mehr im kulinarischen Aushängeschild des Kaisersaals. 2023 erlangte Küchenchef Christopher Weigel im Clara diese wichtige Auszeichnung – wieder. Ich habe mich natürlich riesig gefreut, dass Erfurt für Foodies nun wieder auf der Landkarte sichtbar ist, dennoch habe ich mich mit einem Besuch im Clara lange schwergetan. Warum ich nicht schon längst dort war?
Kontrastreiches Ambiente
Das hat zwei Gründe. Erstens: Das Ambiente. Der prachtvolle Kaisersaal ist wunderschön und atmosphärisch. Ich gehe dort gern zu Veranstaltungen, allein, weil der historische Saal sie zu etwas besonderem macht. Das Interieur des angrenzenden Clara ist so ziemlich das Gegenteil. Hier herrscht statt verspielten Details die moderne Funktionalität. Roter Teppich, breite schwere Holzstühle an weißbetuchten Tischen, gläserne Tischdeko (Zufall, dass sie am Nachbartisch zerbrochen ist?) und seltsame, rot-orangene Segel an der Decke, die jedes gute Foto unmöglich machen. Das beherrschende Dekorationselement: ein wandfüllendes Bild in schwarz-weiß von Clara Schumann.
Zweitens: Ein weiterer, sehr persönlicher Grund. Ich habe vor einigen Jahren aus ökologischen Gründen aufgehört Fisch zu essen. Auf der Speisekarte im Clara gehört dieser, genau wie andere Meerestiere, zu den häufig verwendeten Zutaten. Gut wiederum: Auf Nachfrage macht das Clara auch ein vegetarisches Menü möglich. Der Abend meines Besuchs ist einer dieser bezaubernden Sommerabende, an denen Erfurt sich anfühlt wie Italien. Umso tragischer der frischen Luft den Rücken zu kehren und mich in den 90er-Jahre Charme des Clara-Gastraumes zu bewegen. Dennoch ist die Vorfreude auf das Essen groß!
Vegetarisches Menü als Alternative
Ein Glas Crémant zum Anstoßen später brüte ich über der Entscheidung, ob es nun fünf, sechs, sieben oder acht Gänge sein sollen. Hätte ich gewusst, dass ich mich so oder so in wenigen Minuten über eine Vielzahl von kleinen Grüßen aus der Küche freuen würde, wäre die Entscheidung womöglich leichter gefallen. Wenn ich richtig gezählt habe, dann verspeise ich vor dem ersten Gang bereits zehn raffinierte Häppchen. Zu meiner großen Freude dabei: Brot von der wunderbaren Erfurter Bäckerei AuBacke. Neben Duroc-Schinken eines der wenigen regionalen Produkte des Abends.
Im Clara werden fünf bis acht Gänge serviert
Der erste Gang trumpft dann mit einer grünen Tomatensuppe mit Ponzu (einer japanischen Würzsoße aus Zitrusfrüchten und Sojasoße) auf. Es geht weiter zu einem zerfließenden Onsen-Ei in einer Algen-Beurre-Blanc mit Senfkörnern. Die Servicekraft kündigt dann etwas flapsig einen „Kartoffelsalat“ an. Er ist geräuchert und mit Salzpflaumen und Vogelbeer-Vinaigrette kombiniert.
Während ich bei den ersten Gängen teilweise den Eindruck hatte, dass die Balance nicht ganz gepasst hat, steigert sich meine Begeisterung für das Menü im Verlauf. Auch wenn ich sehr lachen muss, dass auch im Thüringer Fine Dining das vegetarische Hauptgericht ein Curry ist – so wie ich es von uninspirierten Speisekarten Thüringer Gaststätten kenne. Aber dem Clara kann man nun wirklich keine Ideenlosigkeit vorwerfen. Das Curry ist hervorragend! Völlig zufrieden bin ich dann auch mit Sellerie in Leindotteröl- Soße und der Wachtel, die ich ebenfalls probiere. Zufriedenheit stellt sich bei einer tollen Käseselektion (vom Affineur aus Norddeutschland) und Petit Four ein.
Zwischen Tradition und Moderne
Das Menü des Clara ist irgendwo zwischen klassisch französischer Küche (es gab sogar ein Sorbet vor dem Hauptgang), asiatischen Einflüssen (Ponzu, Szechuan Pfeffer, Nashibirne, Curry) und regionalen Produkten aus der ehemaligen Heimat des Küchenchefs verortet. Das ist modern und steht damit für mich in einem großen Kontrast zum Ambiente und dem Gefühl vor Ort, das sich zwischen der überlebensgroßen Clara, Geschäftsessen und der Feier eines 30-jährigen Hochzeitstages einstellt. Das Menü im Clara ist sehr kreativ und im Vergleich zu anderen Restaurants in Thüringen hochgradig besonders. Es ist raffiniert, aufwendig und erfordert viel Können. Für mich bleibt nach dem Abend trotzdem ein leichtes Gefühl der Orientierungslosigkeit zurück. Hamburg, Japan oder Frankreich? Wohin will das Clara mich mitnehmen?
Hard Facts:
- Restaurant Clara: Futterstraße 15/16 | 99084 | Erfurt
- Öffnungszeiten: Mi bis Sa ab 18.30 Uhr
- Mehr unter www.restaurant-clara.de
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