Mit einem Paukenschlag eröffnete am Montag der Thüringer Landtag die CSD-Woche. Bunt wie der Regenbogen war das Bürogebäude erleuchtet. Am Samstag (17. Oktober) kulminiert die Woche in der traditionellen Parade. Wir haben deshalb vorab mit Theresa Erthel gesprochen. Sie ist eine der Koordinatorinnen des CSD Jena und arbeitet mit beim CSD Thüringen, ist dort unter anderem als Pressesprecherin tätig.
CSD Thüringen am Samstag in Weimar
Nachdem im Frühjahr Corona den städtischen CDSs in Thüringen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und alle Termine abgesagt wurden, haben die CSDs aus Erfurt, Gera, Weimar und Jena beschlossen, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Deshalb ist der CSD Thüringen entstanden. Und weil das Thema wichtig ist, haben wir Theresa ein paar Fragen zu Akzeptanz, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung gestellt.
Hallo Theresa, verrate mir doch bitte erstmal, was der CSD eigentlich ist?
CSD bedeutet ausgeschrieben Christopher Street Day und wird im nicht deutschen Sprachraum auch Pride Parade genannt. Es ist im Grunde genommen eine Demo oder auch Parade für queere Sichtbarkeit und Rechte. Der Ursprung liegt in der Christopher Street in New York, wo vor genau 51 Jahren queere Menschen, Farbige und Transpersonen angefangen haben, sich gegen willkürliche Polizeigewalt zu wehren.
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Das ist lange her. Mittlerweile ist viel passiert. Warum ist es auch heute noch wichtig, dafür auf die Straße zu gehen?
Bis heute gibt es keine richtige Gleichstellung. Solange nicht alle die gleichen Rechte haben, so lange braucht es auch noch einen CSD. Es geht zudem um Sichtbarkeit und darum, einen Schutzraum zu bieten. Einen Schutzraum für Menschen, die fühlen, dass sie anders sind und um dort Gleichgesinnte zu finden.
Nun gibt es bereits viele Verbesserungen, wo seht ihr heute noch besonderen Handlungsbedarf?
Wir haben elf Forderungen. Diese unterscheiden sich in der Hinsicht, ob sie für Deutschland oder nur für Thüringen sind. Für Deutschland fordern wir die Abschaffung des Transsexuellengesetzes, das besagt, dass diese Menschen über drei Jahre alles offenlegen müssen, wenn sie ihr Geschlecht angleichen lassen wollen. Sie müssen Gutachten machen und gerichtlich ihren Willen durchfechten, was sehr aufwendig ist. Hier fordern wir mehr Recht auf Selbstbestimmung.
Zudem wollen wir die Sichtbarkeit für nicht binäre Personen erhöhen. Es gibt Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich identifizieren wollen. Hier geht es uns um die Abschaffung von Rollen-Klischees in Sprache und Kleidung. Das alles muss präsenter werden, es sollte nicht mehr dieses typisch Männliche und Weibliche geben.
Ein Thema, das wichtig ist, ist zum Beispiel die volle Anerkennung aller Familienformen. So werden lesbische Paare, die zusammen ein Kind bekommen, nicht gemeinsam als Mutter automatisch anerkannt. Laut Gesetz ist nur die biologische Mutter die richtige Mutter. Die andere muss dann die sogenannte Stiefkind-Adoption durchlaufen. Das dauert ungefähr ein Jahr. Sie muss sozusagen die Eignung als Mutter offenlegen, obwohl sie wahrscheinlich sehr aufwendig diese Familienplanung betrieben hat und das Kind geplant war.
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Und zum Thema Blutspende bei Männern, die Sex mit Männern haben: diese müssen ein Jahr enthaltsam leben, damit sie Blut spenden dürfen, was wissenschaftlich gesehen totaler Unsinn ist. Man kann eine HIV-Infektion heute schon nach sechs Wochen sicher diagnostizieren oder eben auch ausschließen. Wir sind dafür, dass so etwas nach Risikoverhalten beschlossen wird und nicht nach der sexuellen Orientierung. Denn es gibt auch heterosexuelle Menschen, die ein hohes Risikoverhalten haben, weil sie oft wechselnde Partner und ungeschützten Verkehr haben.
Jetzt haben wir politische Themen besprochen, aber warum ist der CSD auch auf gesellschaftlicher Ebene wichtig?
Weil die Themen in die Mitte der Gesellschaft besprochen werden müssen. Die Leute müssen zum Nachdenken und darüber sprechen angeregt werden. Generell wollen wir Akzeptanz schaffen und Menschen dazu bringen, sich wirklich mit dem Thema zu beschäftigen, damit sie feststellen, dass das wir alle nur Menschen sind. Unabhängig von der sexuellen Orientierung.
Viel zu oft stößt man heute noch auf Vorurteile und körperliche Übergriffe in Deutschland, die leider nicht so richtig erfasst werden, weil sie nicht über Artikel drei besonders geschützt sind. Wegen dieser gewaltvollen Übergriffe müssen Vorurteile verschwinden und durch Zivilcourage ersetzt werden. So, dass Menschen dazwischen gehen und sich für einander einsetzen, wenn so etwas passiert. Wir müssen dafür ein Bewusstsein schaffen.
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Wie steht dann eigentlich zur AfD, die nicht unbedingt für solche Belange eintritt?
Wir bezeichnen sie als queer-feindlich. Die AfD betreibt sogar queer-feindliche Hetze und sie schürt gegen alles, wofür wir kämpfen. Die CSDs in Thüringen positionieren sich stark gegen rechts.
Zurück zu einem Thema, dass Journalisten umtreibt. Wie spricht man die Allgemeinheit der queeren Menschen eigentlich am besten an?
Queer ist ein sehr einfacher Oberbegriff. Es gibt auch den Begriff der LSBTIQ-Communities. Für Texte ist es einfach wichtig, genderneutrale Begriffe zu finden, so zum Beispiel könnte man anstatt Demonstrantinnen und Demonstranten Demonstrierende sagen. Damit wirklich alle Geschlechter eingeschlossen sind, egal ob männlich, weiblich oder alle die, die sich nicht mit dem binären System identifizieren können.
Wir als t.akt-Magazin achten auch auf die passenden Bezeichnungen und in der Hinsicht hat sich das ganze doch schon verbessert und wird akzeptiert, oder?
Das wird tatsächlich immer besser. Neulich gab es auch den ersten Radiosender, der gesagt hat, sie sprechen das *innen jetzt immer mit. Umgekehrt gibt es aber auch immer noch viele Institutionen und Tageszeitungen, die sagen, dass es ihnen zu aufwendig sei oder es den Lesefluss stören würde.
Sprache formt ja das Denken und daher ist es wichtig dies mit einzubauen, oder wie würdet ihr das beschreiben?
Ja. Auf jeden Fall. Man macht damit klar, dass alle Menschen angesprochen sind. Ein sehr gutes Beispiel ist die Bundesministerin Lamprecht, die letzte Woche einen Gesetzesentwurf eingebracht hat, in der die Endungen immer weiblich waren und unser Innenminister Horst Seehofer meinte daraufhin, dass das gar nicht gehen würde. Man würde ja nur von Frauen reden und das wäre gesetzwidrig.
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Aber wenn man es umgedreht nehmen würde und nur von Männern reden würde, wäre dies gesellschaftlich akzeptiert. Und genau das ist eben nicht so! Es gibt Studien, die beweisen, dass wenn man Kindern immer die männliche und weibliche Endung sagt, Mädchen zum Beispiel öfter Ingenieure werden wollen. Das macht etwas mit einem, es bewegt etwas im Kopf und gerade bei Kindern hilft es, die Wege für die Zukunft zu öffnen.
Der Landtag in Thüringen hat in diesem Jahr zum ersten Mal die Regenbogenflagge gehisst, wie nehmt ihr sowas auf?
Das finden wir sehr cool, es ist wirklich ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für die Sichtbarkeit und die Rechte queerer Menschen. Wir hatten auch einen queeren Regenbogen-Empfang in der Staatskanzlei. Da freuen wir uns wirklich sehr drüber. Wir müssen aber auch sagen, solche Zeichen nach außen reichen nicht. Diese Stimme, die uns in dieser Woche gegeben wird, brauchen wir jeden Tag das ganze Jahr über in der Landespolitik.
Es muss wirklich etwas passieren und ein tolles Beispiel ist das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt, welches 2018 beschlossen wurde. Das soll auf Gleichstellung hinwirken, aber leider sind bis jetzt nur wenige Maßnahmen des Programms umgesetzt worden, weil finanzielle Mittel fehlen oder viel zu niedrig sind.
Seit wann gibt es den CSD in Thüringen eigentlich?
Den CSD Thüringen gibt es dieses Jahr als einmaliges Projekt. Der älteste CSD ist der in Weimar, den es seit 2011 gibt, was natürlich immer noch verhältnismäßig jung ist. Gera gibt es seit drei und Jena seit zwei Jahren. Für Deutschland haben wir sehr junge CSDs, aber trotzdem mit einer großen Resonanz. In Erfurt waren letztes Jahr zwischen 2000 bis 3000 Menschen unterwegs, was für ein Land wie Thüringen wirklich toll ist.
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Und schon sind wir beim Thema. Was wird bei der Demo am Samstag in Weimar eigentlich passieren?
In Zeiten von Corona mussten wir ein sehr striktes und detailliertes Hygienekonzept aufstellen, das wir mit der Polizei Weimar und dem Gesundheitsamt zusammen erarbeiteten. Es wird dieses Jahr keine „free hugs“ und Küsschen geben, aber es wird auf jeden Fall mindestens genauso bunt. Wir starten um 13 Uhr vor dem Hauptbahnhof in Weimar mit der Kundgebung und laufen dann eineinhalb Stunden durch die ganze Weimarer Innenstadt mit Zwischenkundgebungen.
Wir haben fünf Wägen, auf denen es Musik gibt und um 14.30 Uhr Ende wir auf dem Theaterplatz. Dort starten wir dann von 14.30 bis 18.30 Uhr das Straßenfest. Auf diesem stellen sich ganz viele queere Organisationen aus Thüringen vor und es wird auch ein Bühnenprogramm geben.
Zum Abschluss: Was erhoffst du dir, was die Thüringer aus diesem CSD mitnehmen?
Ich hoffe, dass wir Sichtbarkeit in ganz Thüringen mitnehmen, nicht nur in unseren größeren Städten. In ganz Thüringen soll das Thema diskutiert und mehr Akzeptanz geschaffen werden. Zudem hoffe ich, dass sich auch die Politik dahingehend noch mehr einsetzt.
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Hard Facts:
- Wo: Weimar
- Wann: 17. Oktober | ab 13 uhr
- Alles Infos und Termine findet ihr hier!
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