Im September fand in Erfurt im Kultur Quartier das erste Kultur-Quartier-Festival 2021 statt. Mit dabei war David Straub. David ist 26 Jahre alt, wohnt seit 8 Jahren in Erfurt und arbeitet zurzeit als Volontär, als auszubildender Journalist, bei Radio Frei. Man könnte meinen, dass ein Job beim Radio schon aufregend genug ist – nicht für David, denn nebenbei reist der Erfurter gerne in verschiedene Länder und produziert dort Dokumentarfilme. Auf dem Kultur-Quartier-Festival stellt er seinen neuesten Film „YWY – Unser Land“ vor. Der Streifen erzählt vom schleichenden Kulturwandel der Asurini, einem indigenen Volk am brasilianischen Xingú. Seitdem Bolsonaro an der Macht ist, häufen sich Invasionen von Holzfällern und Landgrabbern auf dem rechtlich geschützten Territorium des Volkes. Mit uns spricht David über die Entstehung seines Filmes und wieso er es so wichtig findet, über solche Geschichten zu berichten.
Wie kommt man auf die Idee Regisseur zu werden?
Ich habe neben meinem Studium der Staatswissenschaften direkt bei Radio Frei ehrenamtlich mitgearbeitet, weil mir der Laden gefallen hat. In dieser Zeit lernte ich auch einen Freund kennen, den ich für ein Projekt vor vier oder fünf Jahren nach Indien begleitete. Dort drehte ich dann meinen ersten Film über Baumwollbauern in Indien, weil mich das Thema sehr fasziniert hat und weil ich die Geschichte der Menschen, die dort hart am Limit arbeiten, erzählen wollte. Und so kam ich von der Radio- zur Filmebene, weil ich das ausprobieren wollte. Radio ist meine Hauptleidenschaft und mein Beruf, aber Film liebe ich und mache ich auch sehr gerne.
Und warum hast du dich für das Format Dokumentation entschieden?
Fiktionale Filme sind natürlich für viele die Kings und Queens in der Filmlandschaft, aber ein guter Dokumentarfilm ist für mich grandios, weil er Geschichten aus dem wahren Leben erzählt. Beim Radio habe ich auch schon viele Reportagen oder Features gemacht. Und deshalb war es für mich das Naheliegendste, einen Dokumentarfilm zu drehen. Diese Art von Film war für mich dann einfach logisch, weil ein guter Dokumentarfilm sehr berühren kann.
Zur Handlung des Films: Worum dreht sich „YWY – Unser Land!“ und was heißt „YWY“?
Das Wort „YWY“ bedeutet im lokalen Dialekt der Asurini „Land“ oder „Territorium“. In dem Film geht es um ein indigenes Volk im brasilianischen Amazonas-Regenwald. Und es geht um den Kampf, den dieses Volk gegen Holzfäller und Invasoren auf ihrem rechtlich zugesprochenen Land führt. Es geht aber nicht nur um diesen Landkonflikt mit Invasoren, die das Holz plündern und die Gebiete teilweise platt machen, sondern es geht auch um den Kulturwandel, der im Dorf dieses indigenen Volkes aufgrund der Infrastruktur stattfindet, die sich in der Region ausbreitet. In der Nähe des Volkes wurde ein sehr großer Staudamm an einem Seitenarm des Amazonas gebaut und dieser hat auch Auswirkungen darauf, wie das Volk heute lebt.
Wie kam es dazu, dass du den Film in Brasilien aufnahmst?
Nach meinem Studium war ich mit meiner Freundin in Südamerika auf Reise und recherchierte dabei viel. Es war gerade die Zeit, als Jair Bolsonaro an die Macht kam, ein rechtspopulistischer und teils extremistischer Politiker. Während der Reise sah ich die ersten Berichte über die Leute, die von seiner Politik massiv betroffen sind: die indigene Bevölkerung, die oft in den Wäldern oder ländlichen Gebieten lebt.
Auch in Indien nahm ich zuvor bei meinem ersten Film Menschen in den Blick, die wegen ungerechter Politik und gesellschaftlicher Ordnung an unterster Stelle stehen. Das sind in Brasilien eben die Indigenen, die einerseits für das Öko- und Sozialsystem sehr wichtig sind, aber massiv unterdrückt werden. Also recherchierte ich sehr viel, denn ich wollte ein Volk finden, das auch bereit ist, sich zu zeigen. Das dauerte, aber ich habe dann letztendlich einen Kontakt zum Volk der Asurini bekommen, die zu diesem Zeitpunkt Probleme mit Invasoren auf ihrem Land hatten und bereit waren, diese Geschichte zu erzählen.
Wir leben in einer intakten Demokratie. Wie war das für dich, zu sehen, dass in Brasilen ein Staatsoberhaupt derart handelt?
Wir haben mit dem indigenen Volk gedreht und gearbeitet, aber sonst vom politischen Apparat nicht wirklich viel mitbekommen. Sehen konnten wir jedoch die Auswirkungen der Politik des brasilianischen Präsidenten für die Indigenen. Diese besitzen dort rechtlich geschütztes Land. Das bedeutet, dass niemand ohne die Erlaubnis des Volkes das Land betreten und dort agieren darf. Wie ein kleiner Staat im Staat quasi. Und dieses Recht kommt von einem nationalen Gesetzt aus dem letzten Jahrhundert. Aber durch den neuen Präsidenten wird diese territoriale Sicherheit in Frage gestellt und das hat für die Menschen verschiedene und dramatische Auswirkungen.
Sie leben von diesem Land. Sie leben von allem, was sie aus dem Boden gewinnen können und auch von den Fischen aus dem Fluss. Das stellt alles eine Garantie für ihr Überleben dar. Und genau das wird durch die Umweltzerstörung massiv bedroht. Auch im alltäglichen Leben werden sie von viel Unsicherheit begleitet. Sie wissen nie, ob gerade jemand in das relativ große Land einmarschiert. Die demokratischen Grundverständnisse werden durch den Präsidenten in Frage gestellt und bedroht. Das fand ich sehr erschütternd. Deswegen habe ich großen Respekt für die Menschen, die dort für ihr Land und ihren Grund kämpfen.
Wie lange dauerte die Produktion und welche Schritte geht man von der Idee zum Film bis zum fertigen Werk?
Generell beim Film hat man eine Vorproduktion, die eigentliche Produktion und die Postproduktion. Die Vorproduktion, also die Recherche und Planung des Drehs, dauerte zwei bis drei Monate. Das war sehr intensiv, ich habe aber auch alles ein bisschen naiv und auf eigene Faust gemacht. Ich besaß kein Team und keinen Sender, der meine Arbeit auswerten konnte. Der eigentliche Dreh dauerte dann zwei Wochen ungefähr. Im Dorf bei den Indigenen habe ich nur fünf Tage gedreht. Zum Glück hatte ich in Brasilien tolle Unterstützer an meiner Seite, zum Beispiel einen Bootsfahrer und einen Übersetzer.
Als ich im Sommer 2019 wieder in Deutschland war, begann ich mit der Postproduktion. Ich schaute, wie ich den Film auswerten kann, schnitt ihn und suchte mir jemanden für die Musik. Miron Raczka, der auch viel beim KulturQuartier arbeitet, hat die Filmmusik für mich produziert. Nicht zu vergessen meine Freundin Paulina Domagala – sie half mir als Regieassistentin und unterstützte mich sehr. Ohne sie wäre vieles nicht möglich gewesen. Die Postproduktion hat jetzt auch knapp zwei Jahre gedauert und mit Paulinas Unterstützung konnte ich meine Vorstellungen umsetzen. Für einen halbstündigen Film ist das sehr viel Arbeit und ich bin froh, dass er jetzt fertig ist.
Welche Botschaft willst du den Betrachter:innen deines Filmes mit auf den Weg geben?
Man hat in den letzten Jahren schon mitbekommen, dass in Brasilien etwas falsch läuft und eine gefährliche politische Clique gerade an der Macht ist. Das ist zum einen für die eigene Bevölkerung, zum anderen für die Umwelt schlecht. Brasilien fördert maßgeblich den Klimawandel. Das gilt aber auch für andere Staaten, die mit Brasilien zu tun haben, zum Beispiel für Deutschland. Wir sollten uns immer wieder gut überlegen, welche Produkte wir kaufen und wie viel Fleisch wir konsumieren. Man sieht in Brasilien sehr gut, welche Auswirkungen das haben kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Leute, die den Film und die Geschichte sehen, einen Eindruck davon bekommen, was es heißt, ein indigener Mensch zu sein. Wie sich eine indigene Kultur heutzutage durch moderne Entwicklungen verändert. Mein Wunsch ist, dass die Menschen ein Verständnis für die Wächter des Waldes bekommen. Die indigenen Völker passen auf den Amazonas-Regenwald auf und müssen zudem hart um ihr Überleben kämpfen.
Hart Facts
Mehr: www.kulturquartier-erfurt.de