„Wird man süchtig, wenn man einen Haschischraucher küsst?“ „Kann man von Bubbletea schwanger werden?“, „Helft mir: Wie mache ich David Hasselhoff auf mich aufmerksam?“ Die Zeit der Pubertät ist eine Zeit voller Fragen. Doch an wen kann ich mich als Teenie vertrauensvoll wenden? In analogen Zeiten wusste jede:r, wo die Antworten darauf zu finden sind: In den grellen Jugendmagazinen am Kiosk
Wilde Trends und gewagte Skurrilitäten
Bravo, Popcorn oder Mädchen – die literarischen Meisterwerke sind vielfältig. Autor, Journalist und Foto-Love-Story-Ultra Linus Volkmann weiß das. Deshalb lädt er am 27. März in eine Reise durch diese daueraufgeregte Heftchen-Welt ein. Aus Magazinen von 1985 bis heute hat er die wildesten Storys, Trends und Skurrilitäten rausgefiltert, um sie in seiner LiveRevue „Na, Bravo!“ in Wort und Bild zu präsentieren.
Reise in längst vergessene Zeiten
Wie haben sich Pop und Aufklärungsseiten verändert im Wandel der Zeit – und welche seltsamen Stars hat man heute längst vergessen? Kommenden Mittwoch erwartet euch im Nerly in Erfurt ein Abend, der Fremdscham und Erinnerungsvermögen gleichsam triggert. Wir sprachen vorab mit Linus Volkmann über Starschnitte, Foto-Love-Storys und natürlich Dr. Sommer.
Du liest in Erfurt aus Jugendmagazinen. Wann kam dir das erste Mal die Bravo unter die Augen und was hat das mit dir gemacht?
Meine eigene Teeniezeit erstreckte sich noch über eine komplett analoge Zeit. Printmagazine besaßen damals allgemein eine größere Bedeutung. Meine Welt war allerdings nicht nur analog, sondern auch ziemlich provinziell. Jugendmagazine wie die BRAVO waren Tore zu einer bunteren, schrilleren Welt.
Da ging es mir sicher wie unzähligen anderen. Der repräsentierte Pop zeigte, dass man sich selbst gestalten kann, dass es andere Rollenbilder geben kann außer die der eigenen Familie oder dem hiesigen Turnverein. Ich habe diese Möglichkeitsräume verschlungen, sie waren für mich einfach nur Verheißung. In Jugendmagazinen standen sie bereit. Allein die frühe Einladung, Geschlechterzuschreibungen anders zu denken beziehungsweise auf den Kopf zu stellen – wie durch Acts wie Kajagoogoo, Boy George und seinem Culture Club, Eurythmics oder später Army Of Lovers …
frühen Nuller Jahre war. An diese vergrabenen wilden Emotionen der Besucher:innen anzuknüpfen, ist das, was mir selbst Spaß macht.
Von 1980 bis heute erstreckt sich dein MagazinRepertoire. Wo bekommt man so viel historische Literatur her? Bist du Sammler?
Über die Jahre immer mal wieder nachts besoffen auf eBay ein Paket Pop/Rockys aus den Neunzigern ersteigert – und irgendwann beim Durchblättern gedacht, da steht so viel geiler beziehungsweise wahnsinniger Zeitgeist aus untergegangenen Teeniewelten drinnen, da muss ich einfach mal was mit machen.
Popcorn, Bravo, Wendy – aus welchen belletristischen Meisterwerken liest du vor in deiner Show und wie schwierig war die Auswahl?
Gute Frage … Es ist natürlich ein Luxus aber auch hart, wenn man merkt, dass man einfach nicht jedes skurrile Bild, nicht jedes irrsinnige Apropos in die Show einbringen kann. Das Repertoire ist schier unerschöpflich.
Wie müssen wir uns die Live-Revue in Wort und Bild vorstellen? Wirst du ein Bravo-Musik-Theater aufführen?
Es ist natürlich nicht so, dass ich wirklich einfach aus den Heften vorlese. Ich zeige Fundstücke und erzähle was dazu, versuche nicht nur Retrogefühle zu triggern, sondern auch Kontexte zu schaffen. Was verbindet Jugend über die Jahrzehnte, was ist immer wieder gleich, was ist ganz speziell für eine gewisse Generation. Aber konkret zur Frage: Weil ich es gern mache, singe ich teilweise auch ein paar Songs an. Haha, sorry, Leute, aber es ist zu verlockend!
Nur Jugendmagazine servierten Stars in Lebensgröße: Was war dein liebster Starschnitt und was ist damit passiert?
In meiner Erinnerung fehlte immer mindestens ein entscheidendes Teil bei den Starschnitten. Ich habe in der Retrospektive jetzt mal fast E.T. zusammen bekommen. Aber eben nur fast! So unbefriedigend hat es sich schon damals angefühlt, also auch in gewisser Weise eine Rückführung.
Die Zeit der Pubertät ist eine Zeit voller Fragen, heißt es in der Ankündigung deiner Show. Welche Fragen treiben die Teenies am meisten um?
Immerhin scheinst du ja umfangreiche Recherchen betrieben zu haben. Ich will natürlich nicht zu viel verraten, aber ich kann sagen, dass ich überrascht war, dass das verbindende Thema all der unterschiedlichen Jugenden, die ich betrachtet habe, Telekommunikation ist. In den Achtziger drehen sich die Welten viel um Telefonzellen, später um Anrufbeantworter, dann irgendwann um Pager, die ersten Handys und natürlich Klingeltöne – bis hin zu aktuellen Bravos (das Magazin gibt es noch, Friends!), die eigentlich nur noch das Erleben rund ums Smartphone paraphrasieren.
Was war die eine Frage, die dich in der schönsten Phase des Lebens – der Pubertät – am meisten umtrieb und wie war die Antwort?
Wie wahrscheinlich viele war ich in der Pubertät ziemlich lost und hatte ein grundsätzliches Gefühl, falsch zu sein. Zu linkisch, zu pickelig, zu wenig Bart und um Himmels Willen dann gab es ja auch noch dieses ganze Geschlechtsteil-Brimborium. Ich hätte viele Antworten gebraucht und war zumindest froh, dass in Jugendmagazinen ein wenig die Gewissheit herrschte, dass es anderen auch so ging. Aber an eine konkrete Antwort von Doktor Sommer, die mich gerettet hätte, kann ich mich nicht erinnern.
Apropos. Dr. Sommer rettete Leben. Welche SexRatschläge und Fragen fandest du am absurdesten?
Doktor Sommer und all die andere Ratgeber-Prosa aus diesen Heften eignet sich natürlich sehr gut für eine JugendmagazinShow. Besonders schön sind sicher Fragen wie: „Wird man süchtig, wenn man einen Haschischraucher küsst?“ oder auch das Statement einer Schreibenden, das tief blicken lässt und lautete: „Mein Freund sieht aus wie eine Klobürste“
Du schreibst, du bist Foto-Love-Story-Ultra. Wie äußert sich das?
In einer Besessenheit, der nur auf der Bühne ihre gesellschaftliche Berechtigung zukommt. Im Privaten rollen die Leute dagegen schon mit den Augen, wenn ich mal wieder davon anfange.
Sind Foto-Love-Storys unterbewertet?
Ich denke, es ist schon eine Kulturtradition, die einen festen Stellenwert in der Popkultur hat. Der gebührt ihr auch. FotoLove-Storys waren zu ihren Hochzeiten grelle und durchgeknallte Kurzromane in Bildern, die sich auf alle möglichen Zeitgeistthemen draufsetzten. Von „Heul doch, Emo!“ bis hin zu Storys, die Okkultismus bei Jugendlichen als Kulisse hatten. Die Reizdichte durch Fotos und Sprechblasen passt heute eigentlich wieder ziemlich gut zu TikTok und Insta-Reels. Ich würde daher sagen, dass Foto-Love-Storys analoge Vorläufer dieser Art der Kommunikation darstellen.
Welche Lehren können wir aus der Geschichte der Jugendmagazine für die Zukunft mitnehmen?
Alles ist immer wieder, alles ist immer wieder gleich, Bruder!
Hard Facts:
- Linus Volkmann „Na, Bravo!“: 27. März | 19.30 Uhr
- Café Nerly Erfurt | Marktstraße 6
- Tickets gibt es bei: www.eventim.de
- Mehr zu Linus gibt es unter: www.instagram.com/linusvolkmann
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