Mit insgesamt sechs Sendern existiert in Thüringen eine Vielfalt von Bürgerradios: Von Erfurt, Weimar und Jena über Gera und Saalfeld-Rudolstadt bis Eisenach und Nordhausen wird in jedem Winkel des Freistaats gesendet. Allen Bürger:innen der jeweiligen Region stehen hier die Türen offen, um selbst Radiosendungen zu gestalten und sich in der heimatlichen Medienlandschaft einzubringen. Die Bürgerradios in Thüringen werden öffentlich gefördert, die entsprechenden Sendelizenzen gibt die Thüringer Landesmedienanstalt aus.
Radio ENNO rockt Nordhausen
Die Schwellen sind dabei relativ hoch, erzählt Peter Jentsch, sendeverantwortlicher Redakteur von Radio ENNO in Nordhausen: „Es gibt einen ganzen Rattenschwanz an Vorgaben, zum Beispiel die Existenz eines gemeinnützigen Vereins und man muss förderfähig sein. Man bewirbt sich auf eine ausgeschriebene Sendefrequenz, die entsprechenden Gremien schauen sich die Bewerbung an und dann wird man nach Erfurt eingeladen, um diese vorzustellen und zu verteidigen.“
Erneuerung des Thüringer Gesetzes
2014 erfolgte eine Novellierung des Landesmediengesetzes, womit alle genannten Sender in Bürgerradios umgewandelt wurden. Das bedeutete für manche Sender mehr, für andere weniger Veränderungen. Für Radio ENNO ging diese Erneuerung mit einer Namensänderung einher. Als „Offener Kanal Nordhausen“ – kurz „OKN“ – sendete der Kanal schon seit 2000 erfolgreich in der Region. Andere Sender wie der „OKJ“ in Jena halten weiterhin an ihren Namen fest, obwohl alle Sender Bürgerradios und keine freien Kanäle mehr sind. Die Erneuerung des Gesetzes betraf auch die Aufgaben für die Radios, erinnert sich Peter: „Bürgerradios unterscheiden sich in der Form von offenen Kanälen, dass früher die Zugangsoffenheit das Wichtigste war und heute die Medienbildung und der Regionalbezug in der Berichterstattung dazugekommen sind. Diese Punkte hatte man vorher als offener Kanal nicht.“
Ende Dezember 2023 erreichte ENNO die freudige Nachricht, dass die Lizenz für weitere vier Jahr gegeben wird. Die erhält nicht der Sender selbst, sondern der jeweilige Verein: „Die eigentliche Lizenz erhält der Trägerverein … Und jetzt wird’s richtig kompliziert, denn der heißt bei uns immer noch ‚Offener Kanal Nordhausen eV‘“, lacht Peter. Mit der Lizenz und der Finanzierung gehen bestimmte Anforderungen der TLM einher, welche die Bürgerradios in Thüringen leisten müssen. Einer der Schwerpunkte ist die Medienbildung: „Wir haben eine Kollegin, die dieses Fachgebiet bestreitet, und in die Kindergärten und Schulen geht. Schulklassen können auch direkt in den Sender kommen und alles übers Radiomachen lernen“, berichtet Peter.
Wann hört wer was?
Außerdem verpflichten sich die Bürgerradios, sieben Stunden pro Tag mit eigenem Sendeprogramm zu füllen. Die restliche Zeit steht freien Radiomachenden zu, wobei sich eine deutliche Alterstendenz abzeichnet, so Peter: „Die aktiven Nutzer:innen hier sind die etwas Älteren um den Jahrgang 1965 herum. Bei den Jüngeren liegt der Fokus klar auf Internet, Podcast und Streaming.“ Mittlerweile ist auch genau erforscht: Wann hört wer was? Die Stoßzeiten sind morgens ab sechs Uhr bis abends 18 Uhr, dann geht die Kurve rapide runter. „Es gibt zwischendurch einen Hook in der Mittagszeit und der Drivetime am Nachmittag, wenn die Leute nach Hause fahren, denn eine der Haupthörgelegenheiten für das Radio ist weiterhin während der Autofahrt“, resümiert Peter.
Für mehrere Stunden live
Insbesondere junge Menschen werden durch verschiedenste Projekte wieder an das Medium Radio herangeführt. Feste jährliche Termine sind der „Girls Day“, der „Safer Internet Day“ und die „Kinderradionacht” im Januar. Jedes Bürgerradio bietet eine Volontariatsstelle für ein Jahr mit Option auf Verlängerung an. Die Volontär:innen sind zum Beispiel für die Berichterstattung aus dem Thüringer Landtag zuständig und senden einen Tag mehrere Stunden live aus einer Bürgerfunkkabine. Diese Beiträge sind senderelevant und laufen in allen Thüringer Bürgerradios. Fast alle sind außerdem Einsatzstellen für das Freiwillige Soziale Jahr.
Camp in Nordhausen
In Nordhausen ist noch ein ganz besonderes Projekt mit dem Radio verbunden: Das hiesige Jugendsozialwerk ist Mitveranstalter des Jugendcamps „Generation Europe – The Academy“, welches Jugendliche aus Deutschland, Spanien und Polen verbindet. Letztes Jahr fand das Camp in Nordhausen statt, auch Radio ENNO war dabei vor Ort und begleitete die Jugendlichen. „Das wollen wir beibehalten und haben vorab besprochen, dass unsere Mikros dieses Jahr mit nach Teneriffa zum nächsten Camp wandern werden. Das ist spannend und wunderbar, dass von Teneriffa aus Sendungen von den Jugendlichen im Nordhäuser Bürgerradio zu hören sein werden!“, freut sich Peter.
Bei Radio ENNO in Nordhausen kann jeder mitmachen. Enno-Team mit Tina Geßner (Bereich Medienbildung), Peter Jentsch (Leiter), Yara Kiefer FSJ, Evgenii Dulepinskii (Volontär). Foto: Radio ENNO
Der Regionalbezug der Berichterstattung wird 2024 in politischer Hinsicht besonders wichtig: „Wir versuchen natürlich als Nordhäuser Bürgerradio immer dabei zu sein, wenn in und um die Stadt herum etwas passiert. Dieses Jahr haben wir ein Superwahljahr, das wird ein Schwerpunkt werden. Wir sind auch bei Demonstrationen mit dabei und fangen mit Mikros vor Ort ein, was die Leute bewegt. Da, wo die gesellschaftlichen Themen stattfinden, wollen wir dabei sein.“
Sender mit Vielfalt
Insgesamt hat das Medium Radio in Thüringen einen hohen Stellenwert, lobt Peter: „In Zusammenarbeit mit der TLM und der Staatskanzlei gibt es noch Förderprogramme neben dem klassischen Etat der Sendelizenz, wodurch sowas wie inklusive Redaktionen und Seniorenredaktionen extra gefördert werden können. Da bekommen wir eine ganz gute Unterstützung, das muss ich mal betonen.“ Auch der Programmaustausch zwischen den Thüringer Bürgerradios funktioniere gut. Ohnehin ist die Stärke der Sender ihre Vielfalt: „Wir sind kein Durchhörradio, sondern ein klassisches Einschaltradio. Bei uns gibt es den Geschichts- und Altertumsverein, ‚Metaspace‘ aus Weimar, Heavy Metal oder vierstündige Nachtsendungen wie den ‚Night Train‘… Ganz unterschiedliche Sachen, die zum Teil direkt hintereinander laufen. Nach dem Geschichtsverein kommt dann ‚Monsters Metal-Hour‘ und gibt richtig Vollgas! Das finde ich gerade spannend und toll!“
Hard Facts:
- Radio ENNO: August-Bebel-Platz 6 | Nordhausen
- Mehr: radio-enno.de
- Instagram: @radioenno
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