59 Klubnächte, unzählige Konzerte, Sport und Musik jeden Donnerstag, das große Musikquiz, Booyakah und, und, und – mit den verschiedensten Veranstaltungen, immer neuen Gestaltungsideen und viel Liebe zum Detail sorgen die Jungs hinter dem Kalif Storch im Zughafen in Erfurt für reichlich Abwechslung im Thüringer Nachtleben. Was als Spontanparty in einer alten Fabrikhalle im Erfurter Ortsteil Rieth begann, hat sich mittlerweile zur festen Instanz im Party-Kosmos des Freistaats entwickelt. Am Samstag (7. Dezember) feiert der Kalif Storch seinen vierten Geburtstag bei der 60. Klubnacht. Wir haben deshalb mit den Clubchefs Dominik Rudovsky und Hubert Langrock gesprochen und einen Blick zurück und nach vorne gewagt.
Vier Jahre Kalif. Viel ist seit dem Start vor vier Jahren passiert. Was hat sich seit der Eröffnung eigentlich alles geändert?
In den vergangenen vier Jahren ist viel passiert. Von einer Lagerhalle ohne viel Platz im Freien ist ein Klub mit großem Außenbereich, zwei Floors und wirklich einzigartigen Toiletten entstanden. Jedes Jahr ist etwas dazu gekommen – erst der kleine Muck (zweite Bar mit vielen Sitzmöglichkeiten und DJ Pult), dann der große Hof und letztes Jahr die Toiletten, die von zwei Erfurter Künstlern (Marc Jung und Dr. Molrok) gestaltet wurden. Wir haben den Backstage und die Garderobe komplett umgebaut und dieses Jahr den Außenbereich mit einer Bar und DJ Pult vervollständigt.
Da ist also immer was los. Wie kommt ihr auf die all die neuen Ideen?
Wir haben gleich nach der Eröffnung gewusst, dass es auf jeden Fall einen „Chillbereich“ geben muss. Nur hatten wir leider weder die finanziellen Mittel noch die Kapazität, um das ad hoc umzusetzen. Als dann die hinteren Hallen im Zughafen frei wurden, war auf einmal Raum für den kleinen Muck da. Parallel wussten wir, dass der Außenbereich gerade im Sommer sehr wichtig ist und deswegen machten wir verschiedene Pläne, wie das ganze aussehen kann. Mittlerweile haben wir eine wirklich große Outdoor-Area mit extra Bar, Sand und vielen Sitzflächen. Wir versuchen, jeden Frühling das Ganze zu erweitern oder umzugestalten. Das klappt zwar nicht immer – aber oft.
Kalif-Klo-Impressionen in der t.akt-Fotogalerie:
Wenn wir geraden bei immer neuen Ideen sind. Die Pfeffi-Bar fetzt! Wie kamt ihr eigentlich darauf und gibt es so etwas sonst irgendwo?
Die Idee ist Franz! und mir bei der Gestaltung des Muna Open Airs vor fünf Jahren gekommen. Wir hatten selbst Bock auf Pfeffi und wollten eine kleine lustige Hütte bauen, in der es nur eins gibt: und zwar Pfeffi. Die Hütte beim Muna Open Air war extrem einfach gehalten, aber alle haben es abgefeiert. Da wir im Kalif noch einen kleinen Aufenthalts- und Pausenraum von den ehemaligen Bahnarbeitern übrig hatten, war uns sofort klar, dass dieser Raum die Pfeffi-Bar werden muss. Nach vier Jahren sind wir aber an einem Punkt, an dem wir das ganze etwas ausbauen und umgestalten wollen. Denn Pfeffi ist zwar super – aber jedoch nicht alles! Wir wollen aus der Pfeffi-Bar der Vergangenheit einen Konsum der Gegenwart machen, mit mehr Angebot und vielen kleinen Spielerein.
Okay. Aus der Pfeffi-Bar wird ein Konsum. Gibt es weitere Ausbaupläne?
Klar. Nach drei Jahren wollen wir im nächsten Jahr den kleinen Muck etwas umgestalten, um das Floor-Gefühl zu verbessern. Das Soundsystem wird ausgebaut und die Sitzgelegenheiten aufgefrischt und umarrangiert. Des Weiteren sollen endlich die alten und defekten Oberlichter ausgebaut werden. Dadurch sparen wir Heizkosten und können die Lautstärke nach außen verringern.
Wir wollen den Eingangsbereich, wo früher die Kasse war, etwas verändern. Er soll verlängert und so der Blick auf den Floor von der Garderobe aus vermieden werden. Ziel ist, dass die Leute auf der Tanzfläche nicht vom kommenden oder gehenden Publikum gestört werden und der Floor nur noch Floor mit Bar ist und nicht Floor mit Garderobe und starkem Durchlaufverkehr. Im Außenbereich soll es auch noch ein paar Anpassungen geben, das ehemalige Pfeffi-Fass wird renoviert und neu ausgestattet sowie noch ein paar andere Kleinigkeiten.
Wo wir schon bei der Outdoor-Area sind. Warum ist da noch gleich so viel Sand?
Gute Frage. Weil Sand besser als schräges altes Kopfsteinpflaster ist, optimal für Kino und Open-Air-Veranstaltungen. Er ist natürlich nicht so optimal, wenn man drinnen tanzen will und die Schuhe voller Sand hat. Wir haben durch den Sand aber auch viel weniger Bruchglas und Scherben im Außenbereich. Somit sinkt das Verletzungsrisiko. Ursprünglich sollte da mal ein Holzboden hin, das hat jedoch zeitlich und finanziell nicht gepasst. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…
Bei eurem Getränke-Angebot lasst ihr euch ja immer mal was Neues einfallen. Was sind eigentlich die beliebtesten Drinks im Kalif?
Mexikaner, Gin Tonic und die gute alte Mate mit Wodka – das sind die Standard-Renner. Wir stehen aber nun selbst schon ein paar Jahre an der Bar und wollen endlich mal ein, zwei neue Drinks und Shots etablieren, um den Leuten auch mal den Horizont zu erweitern. Es gibt so viele gute und leckere Sachen, jedoch ist das Interesse an neuen und eventuell etwas teureren Drinks geringer als an preiswerten und bekannten.
Wo wir bei Dauerbrennern im Kalif sind. Wer sind eigentlich die Kalif-Resident-Djs und welche Musik spielen sie?
Das sind Franz!, Cyan85, Dudman und Torek. Franz! spielt schon immer House und wird auch immer dabei bleiben, kommt von der Muna ist aber Teil des Kalifen von Beginn an. Cyan85 lebt in einer Welt zwischen Techno und Elektro, ursprünglich aus dem Technobereich zieht es ihn auch in eigenen Produktionen immer mehr in den Elektro. Dudman spielt klassischen Tech-House und ist Mitbegründer des Kalif Storch und Torek spielt sowohl House als auch Techno, er ist sehr facettenreich.
Mittlerweile habt ihr ein ordentliches Repertoire an abendfüllenden Veranstaltungen. Da verliert man glatt den Überblick. Was habt ihr noch gleich wiederkehrend im Angebot?
Die „Klubnacht“ ist natürlich am präsentesten – unsere eigenen alle zwei Wochen wiederkehrenden House- und Techno-Veranstaltung. „Say Yeah“ wird es ab 2020 alle zwei Monate geben, dabei geht es überwiegend um Old School Hip-Hop. So wie eine Reihe versetzt zu „Say Yeah“ mit Hauptaugenmerk auf modernen Hip-Hop. Des Weiteren findet jeden Donnerstag der Tischtennis- und Tanzabend statt. Einmal im Monat ist auch Bingo.
Neben „Say Yeah“: Plant ihr noch weitere neue Veranstaltungsreihen?
Die Antwort lautet klar: Ja! Warum? Bisher waren die elektronischen Veranstaltungen unter dem Deckmantel der Klubnacht gekleidet. Das waren sowohl harte Techno-Partys als auch fluffige House-Veranstaltungen. Jedoch kommt es immer häufiger vor, dass die Leute sich so gut wie gar nicht mit der Musik oder dem Künstler auseinander setzen und dann zum Beispiel beim Techno waren und denken das Klubnacht immer Techno ist. Wenn sie auf einmal zu einer House-Party kommen, sind sie unzufrieden, weil der DJ nicht das spielt, was sie erhofft haben. Genauso gibt’s das natürlich auch umgedreht. Deswegen bleiben die Klubnächte unsere House- und Tech-House Veranstaltungen und es wird eine neue Reihe an eingeführt, in dann es ausschließlich um Techno geht.
Ihr weißt bei euren Veranstaltungen auf Facebook immer darauf hin: „Keine Fotos – kein Sexismus – kein Rassismus.“ Warum?
Warum keine Fotos? Fotos sind heute das beste Marketing, das man haben kann. Jedoch will gerade in der elektronischen Szene keiner beim Tanzen gefilmt oder fotografiert werden, weil die Leute den Moment genießen wollen und das Smartphone einfach mal daheim oder in der Tasche lassen sollen. Denn den Moment und das Gefühl kann man in keinem Foto oder Video auffangen.
Klingt plausibel. Und warum der Hinweis auf kein Sexismus und Rassismus?
Das ist ein sehr komplexes und wichtiges, aber auch schwieriges Thema. Eigentlich sollte man nicht darauf hinweisen müssen, weil es für jeden klar sein sollte, dass einfachste menschliche Werte einzuhalten sind. Rassismus muss generell tabu sein, genauso wie Sexismus. Leider ist es hier noch nicht so angekommen, dass wir alle nur Menschen sind und alle dieselbe Luft atmen und dasselbe Wasser trinken. Trotzdem haben viele Leute scheinbar Angst oder sind neidisch oder, oder, oder.
Wir stellen uns klar gegen Sexismus und Rassismus, weil solche Themen in der Gesellschaft in der wir leben wollen, absolut keinen Platz haben darf. Es gibt jedoch Menschen, denen muss man das gelegentlich noch mal vorhalten. Denn Sexismus und Rassismus ist sehr vielschichtig und nur, weil es Dinge gibt, die man „früher“ noch machen oder sagen durfte, heißt das auf keinen Fall, dass sie heute noch akzeptiert werden. Es gibt genügend Leute, die täglich angegriffen werden, Sexismus und oder Rassismus ausgesetzt sind, nur weil sie woanders geboren worden oder ein anderes Geschlecht haben und das geht einfach nicht!
Am Samstag feiert ihr groß euren 4. Geburtstag. Was wünscht ihr euch für die nächsten vier Jahre?
Ein größeres kulturelles Angebot in Erfurt. Wir sind der einzige „Klub“ in der Stadt und die Einwohner ziehen immer schneller weg – vor allem Kreative. Durch ein größeres kulturelles Angebot kann man die Nachfrage auch wieder nach oben treiben, aktuell entwickelt sich die Stadt zu einer Arbeiterstadt und wird grau und alt.
Ich möchte nicht im Gera der Zukunft wohnen, sondern in einer Landeshauptstadt, die sich Kultur und Vielfältigkeit auf die Fahne schreibt. Und das nicht nur wegen eines tollen Theaters oder wegen viel besuchter Stadtfeste. Auch durch Partys und Angebote, die von der Bevölkerung kommen. Jedoch kann aktuell nur wenig von der Bevölkerung selbst kommen, weil die Auflagen und Möglichkeiten extrem hoch oder begrenzt sind.
Für uns wünsche ich mir, mehr Offenheit der Gesellschaft für Neues – sowohl neue Musik als auch alles andere, was neu sein kann. Und dass unser Team erhalten bleibt, denn es haben sich viele neue und tolle Freundschaften entwickelt. Ich hoffe, dass wir unseren Ruf, den wir unter den DJs haben, erhalten können und so immer mal wieder internationale „Superstars“ nach Erfurt ziehen können. Ansonsten sind wir soweit zufrieden. Unsere Zukunft scheint vorerst gesichert zu sein, auch wenn unsere finanziellen Möglichkeiten immer noch stark begrenzt sind.
Hard Facts – Vier Jahre Kalif Storch:
- Headliner: Sidney Charles
- Wann: 7. Dezember | 23 Uhr
- Wo: Kalif Storch | Zum Güterbahnhof 20
- Zur Veranstaltung: Klubnacht N°60 – 4 Jahre Kalif
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