Der Jenaer Kinder- und Jugendzirkus MoMoLo hat einen neuen Direktor. Erik Studte heißt der neue Chef in der Manege, die es in der Zeissstadt bereits seit über 16 Jahre gibt. Doch was macht man als Zirkusdirektor eigentlich? Findet man die Stelle bei der Agentur für Arbeit? Ist ein Zirkusdirektoren-Diplom Einstellungsbedingung? Muss man durch brennende Reifen springen, um Chef der Manege zu werden? Viel Fragen, die Erik im Interview mit dem t.akt-Magazin alle beantwortet. Zumindest teilweise. Bei der Agentur für Arbeit haben wir noch nicht nachgefragt…
Hey Erik, kommst du aus einer Zirkusfamilie?
Abgesehen davon, dass es in jeder Familie manchmal Zirkus gibt, komme ich aus keiner Zirkusfamilie (lacht). Ich komme aus einer Familie, wie es viele gibt. Mein Vater war Ingenieur, meine Mutter war Krankenschwester und ich wuchs im beschaulichen Arnstadt auf. Dort hatte ich dann auch meine ersten Begegnungen mit dem Zirkus, als er jährlich unser Städtchen besuchte
Was muss man können, um Zirkusdirektor zu werden?
Leidenschaft für und spielerische Neugier auf das Zirkusrund mit allem, was sich darin versammelt, sollten im Zentrum stehen. Die Kinder und Jugendlichen stehen natürlich im Fokus meiner Arbeit. Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist die Fähigkeit zur Kommunikation. Denn in einem Kinder- und Jugendzirkus, wie MoMoLo einer ist, steht auch das Team in der Mitte der Manege. Prinzipale Allüren helfen wenig beim Jonglieren von Herausforderungen.
Kannst du auch mit Bällen jonglieren?
Sogar mit drei Bällen. Von denen fallen allerdings regelmäßig zwei runter (lacht). Aber Spaß beiseite. Ich kann ein wenig jonglieren. Ich würde mich damit allerdings nicht zwingend vor Publikum stellen. Das können andere viel besser. Zum Beispiel die Kinder und Jugendliche unserer Zirkusschule. Gestern Abend war ich beim offenen Training, das der Circus MoMoLo wöchentlich anbietet. Seit vielen Jahren hatte ich dort mal wieder Jonglage-Keulen in der Hand.
Und das hat dann besser geklappt als mit Bällen?
(Lacht) Es waren gerade keine Bälle da, also blieben nur die Keulen.
Auf was freust du dich am meisten, bei der Arbeit im Circus MoMoLo?
Zuerst einmal freue ich mich auf all die neuen Herausforderungen, die auf mich warten. Auf das genauere Kennenlernen der Zirkuskurse bei MoMoLo. Diese bilden seinen Kern. Und ich freue mich auf die Arbeit in einem kulturellen Netzwerk. Ausgehend von Jena, wo sich der Circus MoMoLo 2006 gegründet hat, über Jenas Stadtgesellschaft in die Thüringer Kulturlandschaft hineinzuwirken, das finde ich spannend. Meine künstlerischen Wurzeln liegen mit der Theaterscheune Teutleben in Thüringen. Ich freue mich nach vielen Jahren in Berlin und meiner Arbeit dort als Schauspieler wieder Thüringer Kulturluft zu schnuppern.
Ist es auch geplant außerhalb eures Hauptstandortes in Jena aktiv zu werden?
Ja, wir sind nicht nur in unserem Zirkuszelt an der Saale zu finden. Wir schwärmen aus in die Stadt und sind an den verschiedensten Orten Jenas mit Projekten anzutreffen. Ferienprojekte finden u.a. an Schulen statt, aber wir beleben auch den öffentlichen Raum mit zirzensischen Aktionen. Circus MoMoLo bietet genauso thüringenweit Workshops an. Manchmal muss sich eben auch der Zirkus zu den Menschen bewegen. Womit wir wieder bei der fahrenden Tradition wären, die den Zirkus in Deutschland groß gemacht hat.
Wirst du selbst Teil der Show sein?
Das möchte ich nicht ausschließen. Ich schaue aber erst mal in alle Töpfchen bei MoMoLo und verschaffe mir einen Überblick. Perspektivisch kann ich es mir gut vorstellen, auch selbst mal in der Manege zu stehen. Letztlich ist es eine Bühne. Dort mit den Kindern und Jugendlichen etwas zusammen zu kreieren, ist bestimmt spannend. Wir werden sehen, welche Möglichkeiten sich gestalten lassen. Mit einem Bein stehe ich im Büro und mit dem anderen auch mal in der Manege – eine spezielle Form des Spagats.
Nach 16 Jahren den Gründer des Zirkus abzulösen, ist etwas Spezielles. Spürst du dadurch besonderen Druck?
Es gibt nur einen Friedemann Ziepert und auch nur einen Erik Studte. Ich empfinde es als Ehre einen Circus, der so lange besteht, perspektivisch leiten zu dürfen. MoMoLo hat ein Team, was mit Friedemann gewachsen und erwachsen geworden ist. Alle wissen, was zu tun ist und darauf möchte ich mich verlassen. Die Frage besteht eher darin, was kann ich besonderes mitbringen in diesen Circus. Das Rad muss also nicht neu erfunden werden. Es geht mehr darum, es gut am Laufen zu halten. Das jedenfalls ist mein Vorhaben. So gesehen spüre ich wenig Druck. Es ist ein bisschen wie mit einer Theaterrolle. Hamlet spielt jeder anders. Der Text ist zwar geschrieben, doch die Interpretation ist immer eigen.
Was zeichnet MoMoLo deiner Meinung nach aus?
In erster Linie ist es die Zirkusschule mit ihrem breitgefächerten, niederschwelligen Kursprogramm. Sie ist ein Turbo, ein Treibhaus zur Potenzialentfaltung für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene. Außerdem verfügt MoMoLo mit dem Zirkuszelt über einen urban-romantischen Veranstaltungsort, unmittelbar an der Saale gelegen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag im Zirkus aus?
Gibt es überhaupt einen „normalen“ Arbeitsalltag? In der Tat gibt es einen solchen nicht. Und wenn, dann wäre es ein bunter Mix aus diversen Terminen, Projekten, Computersessions, Teamsitzungen und Telefonaten. Und natürlich muss auch mal der Zeltboden gewischt werden. Es gibt eben keinen Arbeitsalltag von der Stange und das ist auch gut so.
Auf den ersten Blick habt ihr keine Tiere in der Manege, gab es schon mal Tiere in der Show?
Bestimmt ist da mal eine Maus unter den Arenabrettern durchgekrochen. Das meinst du aber wahrscheinlich nicht (lacht). Zeitgenössischer Zirkus, und dem fühlt sich MoMoLo verbunden, kommt bewusst ohne Tiere aus. MoMoLo lässt also höchstens mal einen rosa Elefanten fliegen. Den können aber nicht alle sehen (lacht).
Du als Insider kannst uns bestimmt erklären, was die Redewendung: „Mach keinen Zirkus oder so ein Zirkus“ bedeutet…
Ich würde sie als pädagogische Verfehlung erklären (lacht). Denn ich empfehle: Macht Zirkus, so lernt ihr viel über euch. Denn jede Keule, die runterfällt, ist eine Keule, mit der man lernt. Nur durch Fehler, Ausprobieren und Neugierde lernen wir.
Was bedeutet es für dich, Zirkus zu machen?
Zirkus ist für mich eine Manege der Möglichkeiten. Man kann dort im wahrsten Sinne des Wortes spielen. Gerade im zeitgenössischen Zirkus versammeln sich verschiedenste Künste unter einem Zeltdach. Zirkus im Heute geht meist eine Liaison mit Performance, Theater, Musik und Tanz ein. Im besten Falle ist Zirkus für mich ein Ort der Magie und der Poesie. Und er animiert mich durch die runde Form seiner Bühne immer wieder dazu, über Demokratie nachzudenken. Zirkus ist somit eine Punktlandung im Heute.
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