Die Beatsteaks – das selbst ernannte „Kommando Sunshine“ – zählen zu begnadetsten Live-Bands unseres Landes. Nun gehen die Berliner um Sänger Arnim Teutoburg-Weiß auf eine besondere Tour und machen Halt in Erfurt und Nordhausen. Im Fokus der Tour stehen Autonome Jugendzentren (AJZ).
Die Beatsteaks auf AJZ-Tour in Erfurt und Nordhausen
Ich weiß noch, wie ich das Musikvideo zum Song HAND IN HAND zum ersten Mal auf VIVA Plus sah und sofort vom Sound, Style und Attitüde der Band angetan war. Vor weißem Hintergrund und in schwarz gekleidet, brüllte mich Sänger Arnim durch meinen Röhrenfernseher an: SHE AIN’T NEVER GONNA GET WISE! Im Video mimten sie die coolen Rockstars – doch immer mit einem Funken Selbstironie und dem für die Band charakteristischen Humor. Das war im Jahr 2004. Zwanzig Jahre später spreche ich in einem Zoom-Call mit den beiden Gitarristen Bernd Kurtzke, Peter Baumann und Drummer Thomas Götz über das neue Album PLEASE, die AJZ-Tour durch Ostdeutschland und die Frage, wie die Band mit Krisen, Rechtsruck und Resignation umgeht.
Ihr seid derzeit auf Tour durch die Autonomen Jugendzentren in Ostdeutschland. Wie kamt ihr auf die Idee, gerade in den AJZs aufzutreten?
Peter: Zum einen mögen wir es, uns nach einer längeren Tour-Pause wieder warmzuspielen und unter dem Radar wieder Kontakt zur Bühne und zum Publikum zu bekommen. Zum anderen verbinden wir mit der Tour das Angenehme mit dem Nützlichen. Uns ist bewusst, dass wir die Welt nicht verändern, wenn wir in AJZs spielen. Aber wir können versuchen, ein bisschen Normalität an diese Orte zu bringen und sie nicht zu meiden, nur weil dort die allgemeine Stimmung gerade nicht so gut ist. Wir nutzen unsere Pseudo-Popularität, um das Licht auf die Situation dieser Häuser zu lenken.
Ihr schreibt in einem Beitrag auf Instagram: „Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung, dem Erstarken von Parteien aus dem rechtsradikalen Spektrum und dem zunehmenden Rassismus in unserer Gesellschaft“ wollt ihr in den Autonomen Jugendzentren spielen. Sind euch konkret Anfeindung gegenüber AJZs zu Ohren gekommen?
Thomas: Das Berliner AJZ, in dem wir auch spielen werden, das La Casa in Hellersdorf, wurde angegriffen. Da gab es mehrere Überfälle. Das ging durch die Zeitungen und deshalb wurden wir darauf aufmerksam.
Mit eurer Tour möchtet ihr diese Zentren unterstützen. Unterstützt ihr diese über die Konzerte hinaus?
T: Wir überweisen nicht monatlich Spenden an AJZs, sondern wir spielen da und zeigen, dass wir auf deren Seite stehen. Wir hoffen natürlich, dass das in der Wahrnehmung etwas auslöst und sich eventuell auf die anstehenden Wahlen auswirkt. Die Bands „K.I.Z“ und „Kraftklub“ haben sich für eine gemeinsame Aktion entschieden. „Feine Sahne Fischfilet“ machen so was regelmäßig und schon seit längerer Zeit. Wir wollen uns dem anschließen und schauen, was sich daraus entwickelt. Wir hoffen, dass die Aufmerksamkeit auf die aktuellen Probleme gelenkt wird. Zudem wollen wir den Betreiber:innen der AJZs zeigen, dass wir ihre Arbeit wertschätzen.
Wie seid ihr eigentlich vorgegangen? Habt ihr euch hingesetzt und bei Google die AJZs in den größeren Städten recherchiert?
T: Wir haben uns mit unserer Booking-Firma zusammengesetzt und Orte rausgesucht, welche für die Tour passen könnten. Die haben in diesem Bereich schon viel Erfahrung, weil sie zum Beispiel das Booking für „Feine Sahne Fischfilet“ machen.
Die Resonanz ist riesig. Das AJZ Erfurt wurde nahezu überrannt, wie es in einem Instagram-Post des Jugendzentrums heißt. Die Show ist restlos ausverkauft. Wie sieht es bei den anderen Veranstaltungsorten aus?
T: Zum Glück wurden sie nicht von Faschos überrannt [lacht]. An den anderen Standorten ist es ähnlich gewesen. Soweit ich weiß, war die Tour innerhalb einer halben Stunde ausverkauft.
Wer sich in Erfurt direkt vor Ort ein Ticket kaufen wollte, stand vor verschlossenen Türen. In einem Statement baten die Veranstalter:innen um Verständnis: „Das AJZ-Erfurt ist seit seinem Bestehen immer wieder Angriffsobjekt von Nazis. Die Nutzer:innen sind von faschistischen Angriffen bedroht und/oder mussten diese bereits erleiden.“
T: AJZs waren früher die Orte, in die man als Jugendlicher einfach reinlaufen konnte. Da brauchte man keine Beziehungen oder musste besonders cool sein, man konnte einfach hingehen und sich Sachen anschauen. Das ist heute nicht mehr so und das ist schon krass …
Euer Album-Release zu PLEASE feiert ihr vor 30.000 Menschen in der Berliner Wuhlheide. Ist ein krasser Sprung, von so kleinen Veranstaltungsorten wie die AJZs es sind. Was unterscheidet beide Konzert-Spielorte?
Bernd: In kleinen Clubs stehen wir direkt vor dem Publikum. Da ist eine direkte Kommunikation möglich. Man kann sich die Hände schütteln. Das ist viel wärmer, schwitziger und intensiver als die große Bühne. Da muss man viel ausschweifendere Bewegungen machen, damit auch die letzte Reihe etwas Bewegung auf der Bühne sieht. Die große Bühne macht natürlich auch Spaß. Wer kann schon behaupten, zusammen mit 30.000 Leute zu feiern? Zwei ganz unterschiedliche Gefühle, aber beide sehr schön.
T: Man bekommt eine direkte Reaktion und sieht den Leuten in die Augen. Das lässt sich schlecht mit der Adrenalin- beziehungsweise Endorphin- Ausschüttung vergleichen, die es bei einem Wuhlheide-Konzert für Musiker gibt. Die körpereigenen Drogen eben [Gelächter].
Sieben Jahre mussten wir auf musikalischen Nachschub warten. Das neue Album PLEASE erscheint Ende Juni. Was habt ihr in der Zwischenzeit getrieben – bestimmt nicht nur im kreativen Hungerstreik verweilt, oder?
T: Nase popeln [lacht]?
P: Sieben Jahre ist ein langer Zeitraum zwischen zwei Studioalben, aber wir waren nicht untätig. Wir haben eine Cover-EP gemacht und es gab eine einjährige Band-Pause vor der Pandemie. Wobei das sehr ungünstig war.
T: Wir wollten Pause von uns machen und dann dachten wir „Hey, jetzt kommen wir wieder zusammen“, aber durch Corona ging das nicht mehr.
B: Das war echt beschissenes Timing.
P: Die Arbeit an der neuen Platte hat in der Vorbereitung, über die Demos mit allem Drum und Dran bis zur Fertigstellung rund ein Jahr gedauert. Und die restlichen drei Jahre waren wir einfach faul und haben die Kohle vom fetten Leben davor verbraten. Dann fiel den Herren ein, dass wir mal wieder etwas machen müssen [Gelächter].
In der Pressemitteilung wird das Album wie folgt beschrieben: PLEASE ist auf hundertachtzig, kippelt, hämmert und klirrt, hält unablässig eine elektrisierende Spannung, hat ADHS. Inwiefern äußert sich das musikalisch?
T: Ich glaube, wir ertragen es nicht, wenn in unserer Musik ein paar Sekunden lang zu wenig passiert. Wir können das nur schwer aushalten. Bei einem Fünfminuten-Stück, das in Akkorden schwelgt, würden wir wahrscheinlich nervös werden und anfangen zu schwitzen. Bernd könnte das wahrscheinlich am besten von uns aushalten.
P: Bernd hätte die Ruhe weg. Der macht einen Chorus an und lässt den erstmal auf sich wirken. Aber dann kommt trotzdem schnell die Frage auf: Und was machen wir jetzt? Wir hatten nach der langen Zeit ein bisschen „Spielriemen“. Es macht unglaublich Spaß, zusammen Musik zu machen. Jeder wollte so viel wie möglich beitragen. Es gab einen regelrechten Ideenüberschuss.
Auf dem Album ist kein Song, der den Namen PLEASE trägt. Warum der Titel? An wen richtet sich eure Bitte?
T: In fast jedem Text kommt das Wort „Please“ vor.
P: Zum Schluss mit vollster Absicht [lacht]. In der Zeit, in der wir leben, ist man ständig gezwungen Stellung zu beziehen. Sich Zeit nehmen, zuhören, bitte und danke sagen, kommt eindeutig zu kurz. Wir müssen damit aufhören. Das unterstreicht das AlbumCover mit dem Stoppschild für mich.
Nach der Ode an die Liebe KOMMANDO SUNSHINE aus dem Jahr 2022, folgt mit der zweiten Singleauskopplung DEAD MAN des neuen Albums ein musikalischer Erguss auf die Verzweiflung. Warum benötigen Hilflosigkeit und Resignation einen Lobgesang?
T: Wer resigniert mehr und fühlt sich hilfloser als der „Dead Man“, der die Liebe ersucht? Der sich zum Beispiel in eine unerreichbare Frau verknallt. Der hat keine Chance und wird sie nie kriegen. Aber eigentlich ist der Song eine Liebeserklärung an Michael Jackson.
Inwiefern?
T: Irgendwie erinnert der Song an Michael Jackson. Wenn ich das Lied höre, denke ich an ein Michael Jackson-Video. B: Wenn man über Liebe singt, liegt es nahe, über eine Person zu singen, die es nicht leicht hat. Darin finden sich viele Leute wieder und können einen Bezug herstellen.
Was sind eure Strategien in Zeiten von Krisen, Pandemie und Rechtsruck, um nicht den Verstand zu verlieren?
P: Musik machen ist eine Strategie, um sich auszubalancieren und die Welt draußen zu lassen. Damit meine ich die Welt, die ich im Fernseher sehe. Natürlich sorge ich mich, was draußen vor meiner Haustür passiert. Im Proberaum kann ich Abstand bekommen und natürlich auch darüber sprechen.
Das Video zu DEAD MAN ist in der gewohnt humorvollen Beatsteaks-Manier. An einem Ostsee-Strand sitzt eine lethargische Jury, welche Arnim zu bezirzen versucht. Wie entstand die Idee für dieses Musikvideo?
T: Das war die Idee von Bernd und Peter. Es geht um eine Jury, wie es sie in zahlreichen TV-Formaten gibt.
B: Es ist ein stückweit Gesellschaftskritik. Wie arrogant manche Menschen teilweise gegenüber der Leistung anderer sind. Viele schauen nur aus der eigenen Perspektive auf andere und drücken aus diesem Grund nicht den roten Knopf. Sie können die erbrachte Leistung nicht wertschätzen.
P: Es geht auch um das Format an sich. Um diese Emotions-Hascherei und Pseudo-Tiefe. Bei diesen Jurys frage ich mich: Wer befähigt diese Leute, die Leistung anderer zu beurteilen? Zu sagen, was gut oder schlecht ist?
Gibt es noch etwas, was ihr den Thüringer:innen gern sagen möchtet?
B: Kommt zu unseren Konzerten und passt aufeinander auf!
P: Nicht im „Wir oder Die“ versinken, sondern miteinander und nicht gegeneinander sein. Mit gutem Beispiel vorangehen. Mehr Wärme …
T: … und weniger Hass.
Hard Facts:
- Beatsteaks in Nordhausen: 6. Juni
- Jugendclubhaus Nordhausen | Käthe-Kollwitz-Str. 10
- Beatsteaks in Erfurt: 7. Juni
- AJZ Erfurt | Vollbrachtstr. 1
- Mehr: beatsteaks.com
- Beatsteaks auf Instagram | AJZ auf Instagram | Jugendclubhaus Nordhausen